Das Ende der "Zwei-Klassen-Medizin" kommt (noch) nicht. Kurz nach Schluss der zwei Mal verlängerten Koalitionsgespräche hieß es am Mittwochvormittag, man habe sich auf einen Kompromiss geeinigt: Danach wird die von der SPD geforderte Angleichung der Honorar- und Gebührenordnungen für Kassen- und Privatpatienten verschoben.
Es soll eine wissenschaftliche Kommission eingesetzt werden, die bis Ende 2019 Vorschläge für eine solche Angleichung machen soll. Wie die "Ärzte Zeitung" berichtet, steht im Koalitionspapier, dass man "ein modernes Vergütungssystem" schaffen wolle, "das den Versorgungsbedarf der Bevölkerung und den Stand des medizinischen Fortschritts abbildet".
Bis zuletzt war die Gesundheitspolitik einer der dicken Brocken in den Verhandlungen. Die SPD wollte hier – auch mit Blick auf die noch nötige Zustimmung der Parteibasis zu einer erneuten Großen Koalition mit CDU und CSU und den Koalitionsvertrag – unbedingt wenigstens ihr Wahlkampfthema "Zwei-Klassen-Medizin" unterbekommen, nachdem der Umstieg in die Bürgerversicherung schnell als nicht zu realisieren fallengelassen werden musste.
Was ist vereinbart in der Gesundheitspolitik?
Vorhaben, die die Gesundheitspolitik betreffen, sind auf den 179 Seiten des Koalitionsvertrags an verschiedenen Stellen verteilt. Einen ausführlichen Auszug dessen, was das Gesundheitssystem, Zahnärzte, Zahntechniker und Fachpersonal betrifft, lesen Sie hier.
Nachfolgend das Wichtigste in Kürze: Kassenärzte sollen künftig 25 Stunden statt bisher 20 Stunden pro Woche für gesetzlich versicherte Patienten freihalten. Die hausärztliche Versorgung und die "sprechende Medizin" sollen besser vergütet werden.
Wegen des Ärztemangels auf dem Land sollen regionale Zuschüsse für die Niederlassung in wirtschaftlich schwachen und unterversorgten ländlichen Regionen gezahlt werden. Auch E-Health und Delegation medizinischer Leistungen sind hier ein Thema. Hier sollen Arbeitsgruppen in den kommenden zwei Jahren konkrete Vorschläge erarbeiten. Zudem sollen die Länder Mitspracherechte in den Zulassungsausschüssen bekommen.
Der Masterplan Medizinstudium 2020 wird umgesetzt, die Approbationsordnung für Zahnmedizin soll endlich novelliert werden.
Höherer ZE-Festzuschuss
Der Festzuschuss zu Zahnersatz-Leistungen soll von bisher 50 Prozent auf 60 Prozent erhöht werden. Zudem soll der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Entscheidungen schneller werden. Dazu sollen Aufgabenkatalog und Ablaufstrukturen gestrafft werden. "Über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden soll zukünftig schneller entschieden werden", heißt es im Papier.
Mehr Personal in der Pflege
Verbessert werden soll die Personalsituation in der Pflege in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. 8.000 neue Stellen soll es hier geben, dazu höhere Personalschlüssel, eine Angleichung des Pflegemindestlohns Ost und West und möglichst flächendeckende Tarifverträge. Weitere Absprachen betreffen die Krankenhausfinanzierung, den Innovationsfonds, das Verbot von Außenwerbung für Tabakprodukte und ein geplantes Informationsportal für Patienten. Die elektronische Patientenakte (ePA) und der weitere Ausbau der Telematik standen ebenfalls im ersten gemeinsamen Papier, das bereits am 2. Februar bekannt wurde.
Bereits ab 1. Januar 2019 soll in der Gesetzlichen Krankenversicherung die paritätische Finanzierung der Beiträge wieder eingeführt werden, das heißt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen einen gleich großen Anteil. Derzeit werden Arbeitnehmer mit einem kassenindividuellen Zusatzbeitrag belastet, den sie allein tragen müssen.
Jetzt geht der Entwurf des Koalitionsvertrages durch die Parteigremien der Koalitionspartner. Mit Spannung erwartet wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung in der SPD in drei Wochen. Erst danach wird klar sein, ob aus der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wieder die Kanzlerin einer GroKo wird. Dann wird wieder ein CDU-Politiker an der Spitze des Gesundheitsministeriums stehen. Ob es weiter Hermann Gröhe sein wird, ist offen. Gehandelt wird auch Annette Widmann-Mauz, langjährige Staatssekretärin im BMG.