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Wahlmonat Oktober: FVDZ, Dentista, ZÄK M-V – Dr. Uwe Axel Richter über das Angebot der Standespolitik und das „Involvement“ der Zahnärzteschaft

(c) Andrii Yalanskyi/Shutterstock.com

So richtig attraktiv scheint die zahnärztliche Professionspolitik für eine sehr große Anzahl von Zahnärztinnen und Zahnärzten nicht zu sein. Wahlbeteiligungen von gerade einmal 45,3 Prozent wie jetzt anlässlich der Kammerwahlen in Mecklenburg-Vorpommern sprechen hinsichtlich des Involvements der Zahnärzteschaft – verfasster Berufsstand hin oder her – Bände. Und dass trotz richtig spannender Wahlergebnisse.

Nun sind hohe Wahlbeteiligungen bei Kammer- oder KZV-Wahlen bei einem verfassten Berufsstand nicht der geeignete Messparameter für hohe Akzeptanz. Weil jedes Mitglied eben „weiß“, dass aufgrund der klaren gesetzlichen Vorgaben der wählbare Handlungsspielraum klein ist. Mit dieser Perspektive braucht man über Involvement (was das meint, dazu unten mehr) nicht zu reden, solange einem ein freier Berufsstand kein Wert an und für sich ist. Dann kann man sich die Wahlmühen sparen. Kommuniziert werden aber Begründungen à la „es ändert sich ja eh nichts …“.

Beim Verband nichts Neues

Ganz anders sollte also die Sache aussehen bei Verbänden, deren Mitglieder aus freien Stücken dabei sind, wie beim traditionsreichen FVDZ, dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte. Der galt über Jahrzehnte als die Kaderschmiede für die Berufs- und Standespolitik der Zahnmedizin. Wer was werden wollte bei Kammer oder KZV, musste sich seine Meriten erst beim FVDZ verdient haben. Will heißen: Wir reden hier nicht von einem x-beliebigen Verband.

Doch wer „frei“ mit „wendig, schnell und dicht dran, an den Mitgliedern orientiert“ übersetzt, wurde angesichts der kürzlich stattgefundenen Hauptversammlung in Bonn mal wieder eines Besseren belehrt, wie unter anderem die Wahl des neuen Bundesvorstands, der für die kommenden zwei Jahre den Verband „führen“ soll, zeigte. Quintessenz: Der Erhalt der personalen Binnenstruktur geht offensichtlich vor Zukunftsorientierung und Problembewusstsein.

„Erfahrung“ als Totschlagargument gegen Jüngere und Frauen

So erschließt sich selbst einem dem Verband geneigten Betrachter nicht, wie es der FVDZ im Jahre 2021 schaffen kann, weder seiner eigenen aktiven Studentenarbeit auf der Leitungs- und Entscheidungsebene ein reales Gesicht zu geben, noch die vielen im Verband beheimateten wie auch aktiv in der Verbandsarbeit tätigen Zahnärztinnen endlich paritätisch einzubinden. Das wieder einmal von Verbandsgranden strapazierte Argument, dass Jüngere (ab wann gilt man beim FVDZ eigentlich als jung?) und Frauen nicht über genug Erfahrung verfügen würden, hat weder etwas mit Gegenwarts- noch mit Zukunftsorientierung zu tun.

Leider auch nicht mit der Realität, denn Erfahrung und gute Verbandsführung sind eben kein zwingendes Begriffspaar. Warum schrumpft die Mitgliederzahl stetig? Warum verlässt die Mehrzahl der Studenten, sobald sie in den Beruf eintreten, wieder den Verband? Liegt es wirklich nur am Geld? Ich habe da meine Zweifel, obwohl es der FVDZ samt seinem nun zum dritten Mal wiedergewählten Präsidenten Harald Schrader ja bekanntermaßen schafft, seit Jahren von der finanziellen, in früheren Jahren aufgebauten Substanz zu leben. Aber auch diese ist bekanntlich endlich – was der Verband (derzeit mit einem ordentlichen Defizit im Etat) ja mit Blick auf die demografische Entwicklung der Mitglieder in Bonn selbst thematisiert hat.

Wird Dentista politischer?

Auch bei Dentista, dem Verband der Zahnärztinnen, wurde im Oktober gewählt. Denn die langjährige Präsidentin des Verbands, Dr. Susanne Fath aus Berlin, stellte anlässlich der in Berlin stattfindenden Mitgliederversammlung überraschend aus persönlichen Gründen ihr Amt nach 13 Jahren zur Verfügung. Zur neuen Präsidentin wurde einstimmig Dr. Rebecca Otto aus Jena gewählt. Berufspolitische Erfahrung kann man ihr schwerlich absprechen, sie verfügt über ein breites Netzwerk unter anderem bei den Spitzenfrauen Gesundheit und ist besonders in der Fortbildung zum Beispiel via APW aktiv. Wird mit dieser Personalie der Verband der Zahnärztinnen nun politischer?

Macht man es an der Verbandsstruktur fest, dann eher nicht. Denn diese wurde bereits unter Fath mit der Reintegration des professionspolitisch ausgerichteten Schwesterverbandes VdZÄ – dem Verband der Zahnärztinnen – als integraler Bestandteil von Dentista abgeschlossen. Zur Erinnerung: 2018 erfolgte die Ausgründung eines rein standespolitischer Schwesterverbands namens VdZÄ, 2020 – nach in der zahnärztlichen Öffentlichkeit laut ausgetragenen (verbands)politischen Differenzen – bereits die Reintegration.

Wahrnehmung wird sich ändern – und ändern müssen

Dennoch wird sich die Wahrnehmung auf politischem Parkett ändern, ja ändern müssen. Was zum einen an der ein stärkeres Gewicht erhaltenden professionspolitischen Ausrichtung von Dentista und zum anderen an dem zunehmenden Gewicht der Frauen in der zahnmedizinischen Versorgung liegt. Nur zur Erinnerung: Ausweislich des aktuellen statistischen Jahrbuchs der BZÄK sind seit dem Wintersemester 2011/12 konstant mehr als 60 Prozent der Studierenden Frauen, im Wintersemester 2019/20 sind es 66,1 Prozent. Bei den Niedergelassenen sind zum gleichen Zeitpunkt bereits 38,6 Prozent Frauen. Eine Zahl, die in Zukunft weiter steigen wird. Will heißen: Wer zahnmedizinische Versorgung will, wird diese nicht gegen, sondern nur mit den Zahnärztinnen leisten können.

Das politische Gewicht von Dentista wird somit sicher nicht kleiner werden – weder in der Berufs-, noch in der Standespolitik. Dabei stehen die Themen nicht nur im Programm von Dentista, sondern werden auch von der Realität diktiert. Als da wären: die Selbstständigkeit von Zahnärztinnen erhöhen, zukunftsfähige Bedingungen entwickeln, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch tatsächlich möglich machen, Perspektiven für die stetig steigende Zahl angestellter Zahnärztinnen entwickeln etc.

Auf Nachfrage äußerte sich die neue Dentista-Präsidentin so: „Wir haben besprochen, erstmal eine Bestandsaufnahme mittels Mitgliederumfrage machen. Wo steht Dentista, was wollen unserer Mitglieder, was will die Basis, welche Erwartungen haben diese an uns?“ Dicht an der Basis also. Nur nebenbei bemerkt: Bei Dentista steigen die Mitgliederzahlen.

Faustdicke Überraschung in Mecklenburg-Vorpommern

Womit wir bei den Wahlen in der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern sind. Diese endete mit einer faustdicken Überraschung. Nach 31 Jahren Kammerpräsidentschaft von Prof. Dr. Dietmar Oesterreich wurde die „erst“ 40-jährige Oralchirurgin Stefanie Tiede zur Präsidentin gewählt. Mit Dr. Anke Welly, Dr. Thomas Klitsch und Dr. Wolf Henrik Fröhlich zogen ebenfalls junge Zahnmediziner in den Vorstand ein. Komplettiert wird der Vorstand durch den in der Professionspolitik seit vielen Jahren aktiven Dr. Peter Bührens, der als Vizepräsident agieren wird und der im Übrigen bis eine Woche vor der Wahl im Bundesvorstand des FVDZ tätig war.

Erfolg kommt durch das Mindset

Eine interessante Mischung. Ob sie erfolgreich sein wird? „Schaun mer mal“ würde „Kaiser“ Franz jetzt sagen. Deshalb seien die berufspolitischen Erfahrungsfetischisten an ein Beispiel aus dem Fußball erinnert: Borussia Dortmund wurde 2011 und 2012 mit einer stark verjüngten Mannschaft Deutscher Meister. Deren Abwehr zuvor gerne als Kinderriegel diffamiert wurde. Der Trainer hieß im übrigen Jürgen Klopp, ebenfalls sehr jung … Der Anlauf bis zur Deutschen Meisterschaft dauerte drei Jahre.

Keine Frage, Erfahrungen müssen gemacht und aus Fehlern muss gelernt werden, aber der Erfolg kommt durch das Mindset. Plus harte Arbeit. In dieser Reihenfolge.

„Involvement“ lebt vom passenden Angebot

Bleibt mir nur noch die Erläuterung des Begriffs „Involvement“. Das Gabler Online Wirtschaftslexikon definiert den Begriff so: „Mit steigendem Involvement wird eine wachsende Intensität des kognitiven und emotionalen Engagements eines Individuums angenommen, zum Beispiel bei der Durchführung von Entscheidungsprozessen“.

Die Erläuterung bei Wikipedia liest sich so: „Von Involvement spricht man im Marketing, wenn der Konsument empfindet, dass ein Produkt etwas mit dem Konsumenten selbst und dessen Persönlichkeit zu tun hat, dass ein Kauf also eine spürbare Auswirkung auf den Käufer zur Folge hat. Involvement kennzeichnet das Engagement, mit dem sich Konsumenten einem Angebot zuwenden (Wikipedia)“.

Ersetzen wir jetzt die Worte „Konsument“ durch „Zahnmediziner“ und „Angebot“ wahlweise mit „FVDZ“ oder „Dentista“ …

Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf


Foto: Verena Galias
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.

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