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E-Rezept und ePA: Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz vom Bundestag verabschiedet – Bundesrat befasst sich mit Gesetzen erst am 2. Februar 2024

(c) VideoFlow/Shutterstock.com

Das elektronische Rezept wird ab 1. Januar 2024 für gesetzlich Versicherte und damit in allen Kassen(zahn)arztpraxen und Apotheken verbindlich. Die elektronische Patientenakte soll dann ab Januar 2025 für alle GKV-Versicherten eingeführt werden. Wer sie nicht will, muss aktiv widersprechen (Opt-out-Regelung). Diese und weitere Vorgaben für digitale Anwendungen und die Nutzung der Daten für die Forschung hat der Bundestag am 14. Dezember 2023 mit dem Digitalgesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) verabschiedet. Auf die Arzt- und Zahnarztpraxen kommen damit erst einmal noch mehr Aufgaben und Bürokratie zu – vor allem bei der Integration der Anwendung in den Praxen und in der Beratung und Betreuung der Patientinnen und Patienten.

Entsprechend fiel auch die schon in den Stellungnahmen und Anhörungen zu den Gesetzen formulierte Kritik der Ärzte- und Zahnärzteschaft aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisierte, dass die Krankenhäuser und andere stationäre Einrichtungen von der Pflicht zur E-Rezept-Anwendung ausgenommen seien, Ärzten (und Zahnärzten) aber Sanktionen drohten, wenn sie keine E-Rezepte ausstellen (können). „Hier wird mal wieder mit zweierlei Maß gemessen“, sagte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV.

Wegen der kurz vor der finalen 2. und 3. Lesung des Gesetzes noch über den Gesundheitsausschuss aufgenommenen, ebenfalls mit Sanktionen bedrohten weiteren Aufklärungs- und Befüllungspflichten für die Ärzte für die ePA erwartet die KBV eine noch höhere Belastung für die Praxen und die Praxisteams. Die KBV kritisierte zudem, dass die Krankenkassen ihrer Pflicht zur Information der Versicherten über die ePA nicht ausreichend nachkämen. Die „Digitalisierungsberatung“ lande damit wieder in den Praxen, so KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Der Gesundheitsausschuss hatte für beide Gesetze mehr als 30 Änderungen kurzfristig verabschiedet.

Kassen wollen ePA erst ab Juli 2025

Selbst von Kassenseite sieht man vor allem den Plan für die ePA weiter zeitlich kritisch und hält die detaillierten Vorgaben für das Management der Patientenfragen durch neu zu errichtende Ombudsstellen bei den Kassen für nicht praxistauglich. Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, erklärte, das Digitalgesetz könne der elektronischen Patientenakte den Schub geben, der sie als ePA für alle zum Herzstück eines digitalen Gesundheitswesens mache. Die Patientinnen und Patienten bekämen endlich die Hoheit über ihre Daten. Die Opt-out-Lösung sei dafür ein richtiger und notwendiger Schritt. „Allerdings ist der Zeitplan, die ePA für alle schon zum 1. Januar 2025 einzuführen, zu straff. Die kurze Frist ist zwar ein richtiges Signal an die Industrie, so schnell wie möglich gut ausgereifte Produkte an den Start zu bringen. Aber damit die Versicherten genug Zeit für eine informierte Entscheidung für oder gegen die ePA und die Krankenkassen zur Vorbereitung der Opt-out-Lösung haben, sollte die ePA für alle im Juli 2025 starten. Denn es hilft letztlich niemandem, wenn die Opt-out-ePA zwar schnell, aber unausgereift eingeführt wird“, so Pfeiffer.

Zu weitreichende Aufgaben der Ombudsstellen der Kassen

Die Beratung in den Ombudsstellen der Krankenkassen zur ePA sei sicher hilfreich und nachvollziehbar, so Pfeiffer: „Allerdings geht die Aufgabenbeschreibung der Ombudsstellen zu weit: Diese sollen laut Gesetzentwurf sogar in der Lage sein, für Versicherte eine Verwaltung von feingranularen Widersprüchen in deren ePA zu übernehmen. Das ist realitätsfern und bindet unnötige Ressourcen“, so die GKV-Vorstandsvorsitzende, und schiebt die Aufgabe den Ärzten zu: „Den Widerspruch direkt gegenüber den jeweiligen Leistungserbringenden zu erklären, ist sicherlich die unbürokratischere Lösung.“

Was das Gesundheitsdatennutzungsgesetz angeht, sehen die Kassen darin „nur ein erstes Gerüst, in dem noch viele Regeln, wie Daten konkret genutzt werden können und dürfen, fehlen.“

Teure Schnittstelle für Zahnärzte entfällt

Einziger Lichtblick aus Sicht der Zahnärzteschaft: Es müssen nun doch keine teuren Schnittstellen zum elektronischen Melde- und Informationssystem DEMIS für den Infektionsschutz vorgehalten werden. Alle anderen Verpflichtungen zu E-Rezept (dazu hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung auf ihrer Internetseite umfangreiches Informationsmaterial zusammengestellt), ePA, elektronischem Medikationsplan und elektronischem Arztbrief betreffen die Zahnarztpraxen dann ebenso. Erweitert werden die Möglichkeiten der Telemedizin und der Videosprechstunden, die Option ist auch für Zahnarztpraxen beziehungsweise Zahnärztinnen und Zahnärzten in der zahnärztlichen Betreuung von Patientinnen und Patienten in Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen offengehalten.

Beibehalten werden soll auch die Erlaubnis für die Krankenkassen, auf der Grundlage der ihnen bereits vorliegenden Daten personalisierte Hinweise an die Versicherten zu geben, „wenn dies dem individuellen Schutz der Gesundheit der Versicherten dient, zum Beispiel der Arzneimitteltherapiesicherheit, der Erkennung von Krebserkrankungen und seltenen Erkrankungen oder zur Verhinderung einer Pflegebedürftigkeit“, heißt es dazu auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums.

Nutzen nicht ernsthaft bezweifelt

Der Vorstand des Hartmannbunds äußerte sich ebenfalls noch einmal kritisch zum Stand der Digitalisierung im Gesundheitswesen geäußert: „Es ist vor allem ein Armutszeugnis für die Verordnungs- und Gesetzgeber sowie für die Industrie, dass wir uns im Jahr 2023 noch immer im Wesentlichen nicht über den – von niemandem ernsthaft bezweifelten – medizinischen und versorgungsrelevanten Nutzen digitaler Anwendungen unterhalten können, sondern noch immer über deren grundsätzliche Funktionalität und Kompatibilität diskutieren müssen. Durch die vor diesem Hintergrund erforderlichen Debatten über unrealistische Zeitpläne und unangemessene Sanktionen werden die Chancen von Digitalisierung fahrlässig zerredet, notwendige Akzeptanz und Vertrauen werden aufs Spiel gesetzt oder gar zerstört.“

Schlechte technische Voraussetzungen

Es könne keinen Zweifel geben am Willen der Kolleginnen und Kollegen in Praxen und Kliniken, alle zur Verfügung stehenden, medizinisch und ethisch vertretbaren technischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten zu optimieren, so der Hartmannbund. „Es ist aber im Moment nicht abzusehen, dass der von Ärztinnen und Ärzten politisch erwartete oder angeordnete Einsatz digitaler Anwendungen auf Basis der vorhandenen technischen Voraussetzungen in vollem Umfang möglich ist. Dieses Dilemma aufzulösen ist Aufgabe der Politik – und zwar nicht auf dem Rücken der Akteure in der Versorgung. Nur dann können alle Beteiligten endlich in gemeinsamer Anstrengung den Nutzen von Digitalisierung in die Versorgung bringen. Es ist höchste Zeit. Im internationalen Vergleich haben wir ohnehin schon die rote Laterne!“

Die „Freie Ärzteschaft“ reagiert kritisch auf die mögliche Weitergabe der Daten zu Forschungszwecken an die Pharmaindustrie und die aus ihrer Sicht unkritische Haltung Lauterbachs dazu. „Entscheidender Hintergrund der Datensammlung ist eine Standort- und Wirtschaftsförderung von Pharma- und IT- Firmen, für die das „Gold des Jahrhunderts“ die entscheidende Geschäftsgrundlage ist“, so kommentiert Dr. Silke Lüder, Stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Ärzteschaft die neuen Digitalgesetze.

Versprechen für die Forschung nicht haltbar

Das Versprechen, mit einer massenhaften Nutzung von Versorgungsdaten der Forschung zu dienen sei ebenfalls nicht haltbar. Qualitativ hochwertige Forschung hänge immer von standardisierten und kontrollierten Forschungsumgebungen ab. Hier seien bewährte Verfahren und die Zustimmung der Patienten dazu wichtige Voraussetzungen, so die FÄ.

Gegen ePA-Befüllungspflichten

„Wir als Ärztinnen und Ärzte nutzen natürlich schon seit vielen Jahren moderne digitale Technik in unseren Praxen. Aber die staatlichen ePA-Planungen würden dazu führen, dass grade im hausärztlichen Bereich die praktische Arbeit zusammenbrechen könnte und keine Zeit mehr für die Behandlung der Patienten zur Verfügung steht“, so die Freie Ärzteschaft dazu. Genau das hätten aktuell auch der Bundesverband der Kinderärzte und Jugendärzte (BVKJ) und viele weiteren Verbände kritisiert, die sich ebenfalls gegen die ePA-Befüllungspflicht wehren werden.

Lauterbach: „Endlich digitales Zeitalter“

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach lobte seine Digitalgesetze in seiner Rede zur 2./3. Lesung im Bundestag: „Mit den Digitalgesetzen läuten wir für das deutsche Gesundheitswesen endlich das digitale Zeitalter ein. Die Aufholjagd starten wir mit dem elektronischen Rezept, das ab 1. Januar Standard wird. 2025 bieten wir die elektronische Patientenakte für alle an. Und wir verbessern die Forschung an Gesundheitsdaten. Die Digitalgesetze markieren einen entscheidenden Schritt in Richtung eines neuen, lernenden Gesundheitssystems, das sowohl die Spitzenmedizin verbessern als auch die Routineversorgung sicherer machen wird. Damit wird es uns gelingen, bei Krebsforschung, Demenzstudien und anderen wichtigen Forschungsfragen in der Medizin wieder an die Weltspitze zu kommen.“

„Müssen endlich den Anschluss finden“

Lauterbach weiter: Diese Gesetze gehen auf Grundlagen zurück, die wir schon vor 20 Jahren geschaffen haben. Vor 20 Jahren wurde der Einstieg in die damals noch sogenannte elektronische Patientenkarte gesucht. Das Ziel war damals, dass die Daten, die für die Behandlung eines Patienten notwendig sind, auch am Platz sind, wenn die Behandlung stattfindet. Das war nicht der Fall. Heute, 20 Jahre später, Milliarden Euro später, müssen wir einräumen: Es ist nach wie vor genau so wie vor 20 Jahren. Das kann nicht so bleiben. Wir können es nicht so lassen. Wir müssen endlich den Anschluss finden, nach vorne gehen, die Digitalisierung in unserem Gesundheitssystem ermöglichen.“ (Die vollständige Rede Lauterbachs inklusive seiner Antworten auf die Nachfragen der Abgeordneten Tino Sorge und Kathrin Vogler ist auf der Internetseite des BMG eingestellt.)

Jetzt muss sich noch der Bundesrat abschließend mit dem Gesetz befassen, das nicht zustimmungspflichtig ist. Das wird er erst in seiner Sitzung am 2. Februar 2024 tun. Daher wird das Inkrafttreten einzelner Teile und Vorgaben des Gesetzes gegebenenfalls etwas verschoben werden. (MM)

Quelle: Quintessence News Politik Telematikinfrastruktur Praxis

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