Die jährliche Bundesversammlung, kurz BV, der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) steht kurz bevor: Am 9. und 10. November 2018 tagen die Delegierten der BV zum Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main. Zu diskutieren gibt es eine ganze Reihe von Themen, die den Berufsstand umtreiben – vor allem die Situation der rein zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren und der Investoren. Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, bezieht im Interview mit Quintessence News dazu und zu weiteren aktuellen Fragen Position.
Die rein zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren treiben die Standespolitik und die Zahnärzte in den Praxen um – wenn auch zum Teil aus unterschiedlichen Gründen. Das Thema ist in der standespolitischen Argumentation eng verbunden mit den Fremdinvestoren, die auf den deutschen Gesundheitsmarkt drängen und MVZ als Vehikel für Zahnarztketten nutzen. Damit fühlen sich viele Zahnärzte, die aus ganz anderen Gründen ein MVZ betreiben, in eine falsche Ecke gedrängt. Muss man hier nicht stärker differenzieren?
Dr. Peter Engel: Sie haben recht, hier muss man differenzieren – und das tut die BZÄK auch. Nicht alle Formen von zahnärztlichen MVZ sind gleich. Wir haben keine Probleme mit einem solchen Zentrum, wenn es den versorgungspolitischen Notwendigkeiten, also zum Beispiel der flächendeckenden Versorgung dient. Und wenn es den niedergelassenen Zahnärzten nicht mit Dumpingangeboten die Patienten wegschnappt oder das Vertrauensverhältnis zu den Patienten untergräbt. Kurz: Wenn es gemäß unseren standespolitischen Pflichten arbeitet.
Was mich, was uns stört, sind solche zahnärztlichen Zentren, die von ihren Geldgebern zu ungezügeltem Gewinnstreben getrieben werden. Also internationale Investoren, Family Offices und Private Equity-Gesellschaften, die den deutschen Dentalmarkt als reines – und lukratives – Anlageobjekt sehen. Die aber mit unserer berufsethischen Verpflichtung und dem Gemeinwohlauftrag überhaupt nichts am Hut haben. Hier besteht das Risiko, dass nicht mehr die bestmögliche Versorgung von Patienten im Vordergrund steht, sondern die Gewinnmaximierung der hinter den Versorgungsstrukturen stehenden Unternehmen.
„Die BZÄK hat nichts gegen größere Strukturen“
Selbst wenn es gelingt, den Investoren auf dem ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Sektor gesetzlich engere Grenzen zu setzen, der Trend zu größeren Praxisstrukturen wird damit auch aufgrund äußerer Zwänge und Entwicklungen nicht enden. Bieten sich damit nicht auch neue Gestaltungsspielräume für eine freiberufliche Berufsausübung?
Engel: Hier müssen wir unterscheiden: Die BZÄK hat nichts gegen größere Praxisstrukturen, wenn sie organisch gewachsen sind und wenn sie von Zahnärzten beziehungsweise Zahnärztinnen betrieben sind. Wenn sie also ganz bewusst so angelegt werden, um einen bestimmten Versorgungsauftrag zu erfüllen, nicht aber der reinen Gewinnmaximierung dienen.
Wir kritisieren keine neuen Formen der Berufsausübung, bei denen junge Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner sich zusammenschließen, um gemeinsam Bürokratie und Inventar zu wuppen.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Thema Zahnärzte-GmbH?
Engel: Neben den Problemen der Gewinnmaximierung und der Hereinnahme von Fremdkapital gibt es bei Zahnheilkundegesellschaften beziehungsweise „Zahnheilkunde-GmbHs“ zusätzlich noch berufsrechtliche Bedenken: Zahnheilkunde-GmbHs sind als juristische Personen Mitglieder in den Industrie- und Handelskammern, jedoch nicht in den Zahnärztekammern. Diese sind aber für die Einhaltung des patientenschützenden Berufsrechts zuständig. Das Berufsrecht böte effektive und nachhaltige Mittel, um einer Fehlversorgung entgegenzuwirken.
Aus diesen Gründen hat sich der BZÄK-Vorstand kürzlich auf folgende Forderungen verständigt: 1. Eine Pflichtmitgliedschaft der juristischen Personen in den (Landes-)Zahnärztekammern. Und 2. Gesetzgeberische Maßnahmen, um Fehlanreizen durch den Einfluss renditeorientierter Kapitalgeber zu begegnen.
Neuen Fahrplan und Konsens für die Approbationsordnung
Der Bundesrat hat Mitte Oktober die Abstimmung über die Approbationsordnung wegen fehlender Mehrheiten erneut von der Tagesordnung genommen. Gibt es überhaupt noch Chancen, die jetzt seit mehr als zehn Jahre dauernde Hängepartie zu einem guten Ende zu führen?
Engel: Leider zieht sich das Thema Approbationsordnung durch die Verschleppungen der Politik wie Kaugummi. Die BZÄK wird nach dem jüngsten Vorgang im Bundesrat das Gespräch mit den Verantwortlichen im Bundesgesundheitsministerium sowie mit zahnmedizinischen Hochschullehrern und Wissenschaft suchen, um einen Fahrplan zu erarbeiten und Einigkeit im Berufsstand herzustellen. Unser Ziel bleibt weiterhin eine novellierte und durchfinanzierte Approbationsordnung. Aber ganz ehrlich: Niemand weiß genau, wie es mit der Approbationsordnung nun weitergeht. Deshalb ist unser Vorschlag, um wenigstens bei der Gleichwertigkeitsprüfung schnell eine Regelung zu finden, diese von der Novelle abzukoppeln und separat einzubringen.
Gleichwertigkeitsprüfungen von der ZApprO abkoppeln
Teil der ZApprO sind die von Ihnen genannten Regelungen zu den Gleichwertigkeitsprüfungen ausländischer Studienabschlüsse in der Zahnmedizin. Nicht nur mit der großen Zahl von Flüchtlingen sind viele Zahnärztinnen und Zahnärzte nach Deutschland gekommen und möchten hier auch in diesem Beruf arbeiten. Welche Folgen hat das Fehlen der Regelungen für diese Menschen und die Kammern?
Engel: Die fehlenden bgeziehungsweise uneinheitlichen Regelungen sorgen an allen Stellen für Unsicherheit. Dies ist insbesondere für die Patientensicherheit, aber auch für die Rechtssicherheit des bestehenden Anerkennungsverfahrens ein nicht hinnehmbarer Zustand.
Derzeit ist das Verfahren überwiegend so, dass die Behörden bei der zu überprüfenden Ausbildung nach Aktenlage entscheiden. Praxiswissen kann dabei nicht beziehungsweise nicht ausreichend geprüft werden. Wir plädieren dafür, die Abschlüsse durch entsprechende Prüfungen zu kontrollieren – und zwar ausnahmslos. Zudem müssen die Fachsprachkenntnisse vor der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation geprüft werden. In der Praxis ist dies meist umgekehrt die Regel: Der bereits „gleichwertige“ Antragssteller muss seine Sprachkenntnisse nachweisen. Die Erfahrung aus den Fachsprachprüfungen zeigt aber, dass dort häufig erhebliche Mängel im Fachwissen zu Tage treten. Fachmängel dürfen aber in der Fachsprachprüfung nicht mehr berücksichtigt werden. Das kann im Sinne der Patientensicherheit nicht sein!
Um bei der Gleichwertigkeitsprüfung schnell eine tragbare Regelung zu finden, könnte sie von der Novelle der ZApprO abgekoppelt und separat eingebracht werden.
Spürbarer frischer Wind in Sachen Frauen
Der Anteil der Frauen an den praktizierenden Zahnärzten liegt jetzt knapp unter 50 Prozent – in der Standespolitik allerdings sind sie auf Landes- und Bundesebene kaum vertreten. Es gibt daher Forderungen, zumindest eine Übergangsquote einzuführen. Wie positioniert sich der Vorstand der BZÄK dazu? Wie wollen Sie die Beteiligung von Frauen an der Selbstverwaltung des Berufsstands erhöhen und stärken?
Engel: In meiner Rede vor der Bundesversammlung im vergangenen Jahr habe ich mich über die geringe Präsenz von Zahnärztinnen in unseren Organisationen beklagt und den Wunsch geäußert, dass sich mehr Kolleginnen in der Standespolitik einbringen. Ob man unbedingt eine starre „Übergangsquote“ bei der berufsständischen Besetzung einführen sollte, bleibt zu diskutieren. Ich befürworte aber vehement mehr Frauen in den Gremien und eine stärkere Beachtung ihrer Bedürfnisse in einer sich verändernden Welt der Zahnmedizin.
Und es hat sich – zum Glück! – in den vergangenen Monaten schon Einiges getan: Mit der Gründung des Verbands der Zahnärztinnen haben sich die Kolleginnen eine Plattform geschaffen, auf der sie ihre Anliegen innerhalb unserer Standesorganisation und nach draußen artikulieren. So schnell wurde selten ein Verband aus der Taufe gehoben. Und so schnell hat eine Neugründung selten ihre im Großen und Ganzen berechtigten Ansprüche angemeldet. Dieser bereits jetzt spürbare frische Wind wird schnell weiter an Kraft gewinnen, und auch durch die Gremien und Organisationen wehen, da bin ich mir sicher.
Spannende BV mit lebhaften Diskussionen
Eine BV hat ja nicht nur politische Themen, es gibt auch Aufgaben für den Berufsstand nach innen, die abgearbeitet werden müssen. Was steht hier für Frankfurt auf der Agenda?
Engel: Auf der Agenda der Bundesversammlung steht beispielsweise noch ein Antrag zur Ausbildungsverordnung der Pflegeberufe, um Mundpflege-Lerninhalte bei der Ausbildung besser zu berücksichtigen. Zudem gibt es noch Anträge zur Fernbehandlung sowie zur Ernährung. Ich erwarte insgesamt eine spannende BV mit vielen lebhaften Diskussionen.
CIRS-Dent, das Fehlermeldesystem der Zahnärzteschaft unter dem Motto „Jeder Zahn zählt“ läuft jetzt schon einige Jahre. Der diesjährige wissenschaftliche Kongress des Deutschen Zahnärztetags befasst sich mit Misserfolgen – hat sich der Umgang mit Fehlern in der Zahnmedizin verändert durch die auch von der Bundeszahnärztekammer forcierte Auseinandersetzung mit einem professionellen Fehlermanagement?
Engel: Auf jeden Fall hat „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ einen wichtigen Beitrag zum Umgang mit unerwünschten Ereignissen geleistet, indem es eine Awareness geschaffen hat. Weil sich auf der Onlineplattform Kolleginnen und Kollegen anonym, sicher und sanktionsfrei austauschen können, wird signalisiert: Es geht nicht darum, jemand an den Pranger zu stellen, sondern darum, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu helfen, Fehler zu vermeiden. Das wird von vielen Kolleginnen und Kollegen honoriert: 5.600 Mitglieder sprechen eine deutliche Sprache. Ich hoffe aber, dass wir durch die Thematisierung beim wissenschaftlichen Kongress noch mehr Mitglieder für „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ gewinnen können.
Quintessence News wird ab Mittwoch, 8. November 2018, aktuell vom standespolitischen und wissenschaftlichen Programm des Deutschen Zahnärztetags berichten.