Der Europäische Rat hat in seiner Sitzung vom 30. Mai 2024 den Amalgam-Ausstieg und das Aus für letzte quecksilberhaltige Produkte in der EU ab Januar 2025 endgültig beschlossen. Das Europäischen Parlament hatte bereits am 10. April mit einer Mehrheit von 98 Prozent zugestimmt. Nach der Unterzeichnung durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rats wird der Rechtsakt nun im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt in Kraft.
Das Aus für zahnmedizinisch verwendetes Amalgam und weitere quecksilberhaltige Produkte als Folge der Minamata-Konvention der UN war über mehrere Jahre diskutiert worden. Die Europäische Kommission hatte einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet, der aber zunächst keine Mehrheit fand. In einigen europäischen Ländern wird bereits seit längerem kein Amalgam mehr verwendet, so in Schweden.
Vonseiten der Zahnärzteschaft war das generelle Aus für Amalgam als Füllungsmaterial weitgehend abgelehnt worden. Auch die deutsche Zahnärzteschaft hatte sich, unterstützt durch die Wissenschaft, gegen einen Verzicht auf den bewährten Werkstoff ausgesprochen.
Überraschender Kompromiss Anfang des Jahres
Das EU-Parlament und der Europäische Rat hatten sich nun aber für die Zahnärztschaft überraschend Anfang dieses Jahres auf einen Kompromiss geeinigt. Dieser sieht vor, dass ab Januar 2025 in der EU kein Amalgam mehr hergestellt, gehandelt und eingesetzt werden soll, soweit nicht von einem Zahnarzt eine Indikation für den Einsatz gestellt wurde. Für diese Ausnahmefälle soll weiter Amalgam verfügbar sein.
Eine Übergangsregelung bis 30. Juni 2026 soll es auf begründeten Antrag für die Länder geben, in denen Amalgam das einzige das einzige öffentlich erstattungsfähige Material ist, das zu mindestens 90 Prozent erstattet wird. Deutschland werde einen solchen Antrag nicht stellen. Zudem müssen Hersteller und Importeure von Dentalamalgam an die für sie zuständige Behörde bis zum 31. Mai eines Jahres Bericht über die eingeführten/hergestellten Mengen erstatten.
Zum 31. März 2029 muss dann auch die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und Rat Bericht erstatten unter anderem über die Notwendigkeit, die Ausnahme zum Verbot von Dentalamalgam beizubehalten.
Umweltmediziner begrüßen Beschluss
Die IG Umwelt Zahnmedizin/European Network for Environmental Medicine weist in ihrer Meldung zum Beschluss des Rats darauf hin, dass Dentalamalgam mit durchschnittlich 0,6 Gramm pro Füllung und einem Gesamtverbrauch von 40 Tonnen Quecksilber pro Jahr die größte verbleibende Verwendung von Quecksilber in der EU sei und zudem erheblich zur Umweltverschmutzung beitrage.
Florian Schulze, Leiter der IG Umwelt Zahnmedizin und Direktor des European Networks for Environmental Medicine, zeigt sich erleichtert: „Dentalamalgam besteht zu 50 Prozent aus hochgiftigem Quecksilber und gefährdet sowohl Patienten als auch Zahnärzte und zahnärztliche Fachkräfte. Vor allem junge Frauen sollten keine Quecksilberdämpfe einatmen und damit ihr Baby oder eine zukünftige Schwangerschaft gefährden. Alternativen sind bewährt, kostengünstig, sicher, ebenso haltbar und vor allem zahnfreundlicher."
Amalgam als zuzahlungsfreies Material im Seitenzahnbereich
Das sehen die Vertreter der Zahnärzteschaft in Deutschland differenzierter. „Entgegen der Behauptung der EU-Kommission stehen derzeit keine mit ausreichender Evidenz hinterlegten Alternativmaterialien für alle Versorgungsformen zur Verfügung“, so die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV). In der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland gilt Amalgam im Seitenzahnbereich bislang als für den Patienten zuzahlungsfreier plastischer Füllungswerkstoff. Für Kinder und Schwangere gibt es seit Juli 2018 einen Anspruch auf eine amalgamfreie Versorgung im Seitenzahnbereich. Gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten, die kein Amalgam möchten, können im Rahmen einer Mehrkostenvereinbarung mit einem Selbstzahleranteil auch eine zahnfarbene Füllung aus einem anderen Material wählen. Entsprechende Abrechnungspositionen sind im Bema-Nr. 13 plastische Füllungen zusammengefasst.
Anpassung des GKV-Leistungskatalogs erforderlich
Mit Blick auf das absehbare Amalgamverbot wurden jetzt die wissenschaftlich dokumentierten, indikationsbezogen verfügbaren möglichen Alternativen für Amalgam mit der Wissenschaft evaluiert und werden Vorschläge erarbeitet, wie der Leistungsanspruch der Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung ab 2025 ausgestaltet sein könnte. Derzeit sind in den Füllungspositionen im Bundesmanteltarifvertrag-Zahnärzte unter Bema-Nummer 13 auch Alternativen zur Kassenleistung mit und ohne (Kinder, Schwangere) Selbstbeteiligung der Patienten abgebildet. „Selbstverständlich wird sich die KZBV auch unter den nun folgenden Rahmenbedingungen dafür einsetzen, die Patientenversorgung gemeinsam mit den Partnern der Selbstverwaltung und Wissenschaft sicherzustellen“, erklärte die KZBV schon im Februar 2024.
Der Stand der Beratungen und Verhandlungen wird sicher auch Thema der Vertreterversammlung der KZBV in dieser Woche in Frankfurt (Main) sein.
Dr. Marion Marschall, Berlin