Die Deutsche Krebshilfe und das ABNR nehmen das Motto der WHO für den Weltnichtrauchertag 2024 „Schutz der Kinder vor dem Einfluss der Tabakindustrie“ zum Anlass, junge Menschen für die Gefahren des Konsums von E-Zigaretten und herkömmlichen Zigaretten zu sensibilisieren. Unter jungen Menschen ist die E-Zigarette inzwischen das populärste Nikotinprodukt, gefolgt von Zigaretten und Shishas. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. ist im Kindes- und Jugendalter die E-Zigarette mittlerweile das am häufigsten konsumierte nikotinhaltige Produkt, noch vor der Tabakzigarette und der Wasserpfeife. Unter den 14- bis 17-Jährigen hat sich vom Jahr 2021 auf 2022 die Nutzung von E-Zigaretten verfünffacht.
Mehr als jeder Dritte – genauer gesagt 37,5 Prozent – dieser Altersgruppe hatte 2023 schon einmal E-Zigaretten konsumiert. Die Zahl der erwachsenen E-Zigaretten-Nutzenden in Deutschland lag zuletzt geschätzt bei mehr als zwei Millionen. Gleichzeitig erkranken in Deutschland jährlich rund 50.000 Menschen an Lungenkrebs. Eine der Hauptursachen: Rauchen. „Dem müssen wir jetzt entgegenwirken, bevor wir uns mit der E-Zigarette eine neue Generation Nikotin-Abhängiger heranziehen“, sagt Professor Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai fordert Windisch: „Aromastoffe in E-Zigaretten müssen schnellstmöglich verboten werden, die Gesundheitspolitik muss dringend Programme zur Tabakentwöhnung finanzieren und wir brauchen eine deutlich bessere Aufklärung von Jugendlichen, damit diese nicht auf die verführerischen, aber krankmachenden Angebote der Zigarettenindustrie hereinfallen.“
Bunte (Einweg-) E-Zigaretten wirken harmloser als sie sind
Attraktiv designed und sofort einsatzfähig, in einer Vielzahl beliebter Geschmackssorten und ab etwa 5 Euro erhältlich, sprechen Einweg-E-Zigaretten insbesondere junge Menschen an. Dieser vermeintlich positive Eindruck täuscht jedoch über die gesundheitlichen Gefahren des Konsums der Produkte hinweg, die neben einer Reihe giftiger Stoffe zum Großteil auch das suchterzeugende Nikotin enthalten.
Die Präsenz dieser Produkte im Handel, auf Social Media, sowie zunehmend in Automaten, gemeinsam mit Süßigkeiten und Softdrinks, führt dazu, dass sie als harmlose Lifestyleprodukte wahrgenommen werden. Auch unter Umweltaspekten sind diese Produkte problematisch: Die aus Plastik, Metall und Batterien/Akkus bestehenden (Einweg-)E-Zigaretten wie auch die Nachfüllfläschchen von E-Zigaretten führen zu großen Mengen von Plastik- und Sondermüll, der zudem vermutlich oft nicht ordnungsgemäß entsorgt wird.
Die Forderungen des ABNR zum Weltnichtrauchertag 2024
Das ABNR fordert zum Weltnichtrauchertag 2024, dass Deutschland wirksame regulatorische Maßnahmen ergreift, um die „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ umzusetzen und die gesundheitlichen sowie ökologischen Auswirkungen des Konsums von Tabak- und neuartigen Nikotinprodukten zu minimieren. Mit Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene fordert das ABNR zum Weltnichtrauchertag 2024:
- Verbot von Einweg-E-Zigaretten
- Höhere Steuern auf Tabak- und Nikotinprodukte
- Nachweislich wirksame Tabak- beziehungsweise Nikotinentwöhnung niederschwellig anbieten.
- Ein umfassendes Verbot von Werbung, Promotion und Sponsoring für alle Tabak- und Nikotinprodukte (inkl. neutraler Verpackungen) sowie von Aromen
Auch Aromen haben Auswirkungen auf die Gesundheit
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumonologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordert in ihrer Pressemitteilung zum Weltnichtrauchertag ein Aromenverbot für E-Zigaretten, Tabakentwöhnung zu finanzieren und Jugendliche besser aufzuklären. Neueste wissenschaftliche Daten des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel, kurz IFT-Nord, zeigten, dass Aromen den Raucheinstieg erleichtern, das Suchtpotenzial erhöhen oder durch tieferes Inhalieren die Aufnahme toxischer Substanzen deutlich steigern. „Die Ergebnisse unserer jüngsten Analyse von mehreren Hundert wissenschaftlichen Arbeiten zeigen, dass Aromen in E-Zigaretten sehr wohl eine Auswirkung auf die Gesundheit haben“, erklärt Institutsleiter Prof. Reiner Hanewinkel. „Aromen vermindern den Hustenreiz. Sie erleichtern den Einstieg ins Rauchen und haben darüber hinaus eine konsumfördernde Wirkung, gerade für Jugendliche. Aromen ermöglichen ebenfalls ein tieferes Inhalieren, das die Aufnahme von toxischen Substanzen erhöht. Schließlich steigern Aromen auch das Suchtpotenzial, weil das Nikotin besser aufgenommen werden kann“, so Hanewinkel.
E-Zigaretten: Verbreitung und Bewerbung reduzieren
„Aromen in E-Zigaretten haben ein erhebliches Schadenspotenzial und müssen schnellstmöglich vom Markt genommen werden“, erklärt Windisch, Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. „Die Politik muss sich noch stärker damit auseinandersetzen, dass Rauchen und Dampfen hochgradig gesundheitsschädlich ist – eben auch der Gebrauch von E-Zigaretten, was durch die verlockenden Aromen verharmlost wird. Wir müssen alles dafür tun, um die Verbreitung und die Bewerbung zu reduzieren.
Zudem müssen wir ausreichend aufklären, damit Betroffene auch wieder vom Rauchen wegkommen“, fordert der DGP-Präsident. Wer den Rauchstopp allein nicht schaffe, solle wissenschaftlich geprüfte Behandlungen in Anspruch nehmen. Dazu gehören die Beratung und Begleitung durch medizinisches Personal und eine Therapie mit Nikotinersatzpräparaten oder suchthemmenden Medikamenten. „Vor allem ausstiegswillige Raucherinnen und Raucher mit dauerhaft verengten Atemwegen durch die chronische Lungenerkrankung COPD, mit Asthma oder anderen Lungenerkrankungen sollten nicht auf E-Zigaretten umsteigen“, erklärt Windisch, Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke. „In puncto Tabakentwöhnung gehören wir in Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa. Das muss sich dringend ändern.“ 70 Prozent aller Rauchenden haben den Wunsch, aufzuhören. Die meisten schaffen es nicht, weil passende Unterstützungsangebote zur Rauchentwöhnung fehlen – aus Kostengründen. Passende Vorschläge zur Finanzierung solcher Programme hat die DGP der Gesundheitspolitik bereits gemacht: „Damit könnten wir etwa zusätzliche 40 Prozent unserer hospitalisierten Patientinnen und Patienten vom Tabak entwöhnten“, sagt Windisch.
Neustart in Tabakpolitik notwendig
Suchtforscher Prof. Dr. Heino Stöver, Leiter des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS): „Das Ziel muss klar sein: die Menschen um jeden Preis von der Zigarette wegzubekommen. Die üblichen Flyer und Rauchertelefone reichen offensichtlich nicht aus. Was wir brauchen, ist ein pragmatischer Ansatz, um Rauchende von der schädlichsten aller Konsumformen, dem Rauchen von Tabak, wegzubekommen.“ Ob hier Kaugummis, Verhaltenstherapien oder risikoärmere Aufnahmeformen wie Tabakerhitzer, E-Zigaretten oder Nikotinbeutel beziehungsweise eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen den Übergang ins rauchfreie Leben ebnen, sei laut Stöver zweitrangig. „Fakt ist, dass wir pragmatisch handeln müssen. Es muss endlich etwas passieren, sonst stehen wir auch beim Weltnichtrauchertag 2044 noch am selben Punkt.“
Alternativen wie Snus oder Pouches nicht risikofrei
Die von Stöver vorgeschlagenen Alternativprodukte wie Snus oder Pouches werden als nikotinhaltige und teils tabakfreie Päckchen hinter Ober- oder Unterlippe appliziert und ermöglichen eine Nikotinaufnahme über die Mundschleimhaut. Sie verursachen zwar nicht Lungenkrebs, sind jedoch auch nicht ungefährlich.
Problem dieser Produkte ist die fehlende Regulierung: Eine Studie des BfR und des LMU Klinikums stellte extrem hohe Nikotindosen in tabakfreien Nikotinbeuteln fest, so dass deren Suchtpotenzial auch als sehr hoch eingestuft werden muss. Mit Werten um 40 mg/pouch ist es möglich, rund 20 mg Nikotin innerhalb von 30 Minuten aufzunehmen, das entspricht dem Nikotin einer Packung Zigaretten. „Wenn man bedenkt, dass wir aus Nachbarländern wie Österreich hören, dass die dort legal erhältlichen Nikotinbeutel bereits massiv in den Schulen angekommen sind, kann das ein ernsthaftes Problem werden“, befürchtet Suchtforscherin Dr. Andrea Rabenstein von der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. „Neben der Entwicklung einer Abhängigkeit von Nikotin ist natürlich dadurch der Einstieg in das Konsumieren weiterer Nikotinprodukte oder Tabakzigaretten stark zu befürchten“, fügt Dr. Rabenstein hinzu.