Wie lässt sich Karies im Kindesalter frühzeitig diagnostizieren und optimal behandeln? Die Frage, ob Intraoralscanner bei der Detektion und Therapieentscheidung hilfreich sein können, war Thema der klinischen Studie „Okklusale Kariesdiagnostik mit Intraoralscannern im Rahmen der zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung“ von Forschenden der Justus-Liebig-Universität Gießen [1]. Ihr Fazit: Die visuelle Diagnostik bleibt Goldstandard [1]. Für ihre Postervorstellung während der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) wurde Marina Gruber aus der Gießener Arbeitsgruppe mit dem „Elmex-DGKiZ-Präventionspreis für die beste wissenschaftliche Poster-Präsentation auf einer Jahrestagung“ ausgezeichnet.
Karies mit Fluoreszenz, Nahinfrarot und visuell auf der Spur
Inhalt der Studie war der Vergleich von zwei Intraoralscannern (IOS) mit Kariesdiagnostikfunktion (Untersucht wurden: IOS Emerald S von Planmeca und Trios 4 von 3Shape) und den etablierten Methoden, Karies festzustellen: der Diagnocam (KaVo) und der visuellen Diagnostik nach WHO-Kriterien. Dabei arbeitete ein IOS wie die Diagnocam mit Nahinfrarot-Technologie, der zweite mit Fluoreszenz-Technologie. Im Verlauf der achtmonatigen Studie wertete das Team um Marina Gruber, Doktorandin an der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik an der Universität Gießen, die Daten von 276 Milchzähnen und 441 bleibenden Zähnen aus [1]. „Die beiden IOS wiesen ebenso wie die Diagnocam im Vergleich zur visuellen Diagnostik schlechtere Ergebnisse hinsichtlich der Detektion von Schmelz- und Dentinkaries auf“, erklärt Marina Gruber die Studienergebnisse. „Die Nahinfrarot-Technologie der Diagnocam und eines Intraoralscanners scheinen hingegen der Fluoreszenztechnologie des zweiten untersuchten Intraoralscanners im Hinblick auf die Kariesdetektion überlegen zu sein. Sie erzielten in allen Bereichen höhere Ergebnisse.“
Die Ergebnisse waren zudem bei bleibenden Zähnen geringfügig höher als bei Milchzähnen, vor allem hinsichtlich der Frage der Behandlungsbedürftigkeit. Gruber: „Das lässt darauf schließen, dass die Schwierigkeit vor allem in der korrekten Detektion der Schmelzkaries liegt. Wir führen dies auf die mikro- und makromorphologischen Unterschiede zwischen Milch- und bleibendem Zahn zurück.“
Intraoralscanner können Behandlungsentscheidung unterstützen
Das Fazit der Studienautorinnen und -autoren: Aktuell können IOS nicht als Basistool empfohlen werden, um zu entscheiden, ob eine invasive oder nicht-invasive Kariestherapie angezeigt ist [1]. „Sie eignen sich jedoch als unterstützendes Diagnostikinstrument in Fällen, in denen die visuelle Diagnostik kein eindeutiges Ergebnis liefert“, so Gruber. Die visuelle Diagnostik nach WHO-Kriterien bleibe jedoch Goldstandard. Mit der Auszeichnung, dem „Elmex-DGKiZ-Präventionspreis für die beste wissenschaftliche Poster-Präsentation auf einer Jahrestagung“ erhält die Gewinnerin ein von CP GABA gestiftetes Preisgeld in Höhe von 1.500 Euro.
Die Kariesprävalenz in Deutschland geht zurück, dazu haben zahnärztliche Präventionskonzepte in den vergangenen Jahrzehnten beigetragen [2]. Vor allem bei kleinen Kindern zählt Karies jedoch noch immer zu den häufigsten Erkrankungen [2]. „CP Gaba setzt sich für Zahngesundheit von Anfang an ein. Auf der Jahrestagung der DGKiZ haben wir mit einem Symposium über die Bedeutung der Ernährung und die Möglichkeiten der Ernährungslenkung für die Kariesprävention informiert. Diese stellt neben den Fluoriden eine der vier Säulen der Kariesprävention dar“, sagt Dr. Anna Maria Schmidt, Senior Scientific Affairs Managerin bei CP Gaba.
Was und wie oft essen
Auf dem Symposium präsentierte die Dentalhygienikerin und Ernährungsberaterin Luisa Winkler dem Publikum grundlegende Erkenntnisse zur Bildung der Geschmackspräferenz, aber auch praktische Tipps für die Elterngespräche während der Prophylaxesitzungen: „Die Ernährung und die Frequenz der Nahrungsaufnahme tragen in besonderem Maß zum Entstehen kariöser Läsionen bei. Deshalb sollten wir mit Kindern über Ernährung sprechen, denn: Was in frühester Kindheit an unausgewogenen Ernährungsgewohnheiten erlernt wird, setzt sich leider häufig über das Jugend- und Erwachsenenalter fort.“ Bei der Ausbildung der Grundlagen ihres Essverhaltens orientieren sich Kinder stark an Bezugspersonen, so die Expertin. Deshalb könnten Eltern die Neugier des Kindes wecken, wenn sie Speisen abwechslungsreich, appetitlich und kindgerecht anrichten und selbst genussvoll gemeinsam mit dem Kind essen. „Unsere Aufgabe in der Zahnarztpraxis ist es, Eltern und Kindern zu erläutern, wie gesunde Ernährung aussehen kann.“
Kariesprogression aufhalten, positive Erfahrungen schaffen
Dr. Schmidt: „Wir freuen uns, das Poster zur Studie von Marina Gruber und ihren Kolleginnen und Kollegen auszuzeichnen. Die Studie trägt dazu bei, Karies frühzeitig sicher feststellen und eine optimale Behandlungsentscheidung treffen zu können. Damit leistet die Studie einen wertvollen Beitrag zur Prävention und zum Erhalt der Zahngesundheit über das Kindesalter hinaus.“ Preisträgerin Gruber ergänzt: „In Zukunft muss ein großes Interesse an der korrekten Erkennung der Schmelzkaries bestehen, um frühzeitig die Kariesprogression durch nicht-invasive Maßnahmen aufhalten und invasive Maßnahmen im Milchgebiss vermeiden zu können. Wenn Kinder dadurch mit dem Besuch bei Zahnarzt oder -ärztin eine positive Erinnerung verknüpfen, weil nur kontrolliert werden muss, ist das die beste Voraussetzung für alle künftigen Behandlungen, ein Leben lang.“
Originalveröffentlichung
M. Gruber et al. Okklusale Kariesdiagnostik mit Intraoralscannern im Rahmen der zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung: Eine klinische Studie. 2023. Publiziertes abstract. Oralprophylaxe Kinderzahnheilkd 45, 150–171 (2023). https://doi.org/10.1007/s44190-023-0671-4 (Zugriff: 16.10.2023)
Einige Intraoralscanner bieten neben der alleinigen digitalen Abformung auch die Funktion der Kariesdiagnostik zur Detektion von kariösen Läsionen an. Die Studie, an der 60 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 14 Jahren teilnahmen, war eine Kooperation der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Für die Auswertung der Daten definierten die Autorinnen und Autoren zwei Schwellenwerte: gesund versus Karies (TH1) und Nicht-Behandlungsbedürftigkeit versus Behandlungsbedürftigkeit (TH2).