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Forscher der Universitätszahnklinik Wien untersuchen die Rolle des Immunsystems bei parodontalen Entzündungen

Oleh Andrukhov fühlt der Entstehung von Parodontitis auf den Zahn, indem er das komplexe Zusammenspiel von Stamm- und Immunzellen sowie Vitamin D3 untersucht. Der innovative Ansatz des Zellbiologen trägt erste Früchte.

(c) Universitätszahnklinik Wien

Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnbetts und ein Hauptgrund für Zahnverlust im Erwachsenenalter. Therapie und Regeneration stellen die Zahnheilkunde vor eine große Herausforderung. Zellbiologe Oleh Andrukhov von der Universitätszahnklinik Wien beschreitet neue Wege, indem er dentale Stammzellen in Interaktion mit der Immunabwehr erforscht. Seine Daten zeigen, dass unter anderem Vitamin D3 eine entscheidende Rolle spielt.

Die Mundhöhle ist als Eintrittspforte in den Körper von besonders vielen verschiedenen Bakterien besiedelt. Die meisten davon sind vorteilhaft für den Menschen, gegen den weniger hilfreichen Rest kann sich das körpereigene Immunsystem gut zur Wehr setzen. Nehmen bestimmte Bakterien überhand, schafft es eine geschwächte Abwehr nicht mehr, die Erreger zu bekämpfen. Dieser Zustand kann eine Parodontitis zur Folge haben, die zur chronischen Entzündung des Zahnbetts und unbehandelt sogar zu Zahnausfall führen kann. Das große Bild des diesem komplizierten Entzündungsprozess zugrunde liegenden Zusammenspiels ist nun dank Forschenden aus Wien um ein Puzzlestück reicher geworden.

Neuer Blickwinkel

„Wir wissen, dass sogenannte dentale mesenchymale Stammzellen (MSCs) eine wesentliche Rolle spielen“, erklärt Oleh Andrukhov von der Universitätszahnklinik Wien. „Bisher haben wir sie hauptsächlich als nützliches Instrument zur Regeneration von Gewebe betrachtet. Doch sie haben auch die Fähigkeit, Immunzellen zu beeinflussen. Sie wirken also immunmodulierend.“ Neuere Studien legten bereits nahe, dass MSCs unterschiedliche immunmodulatorische Fähigkeiten besitzen. Diese Unterschiede wurden jedoch noch nie systematisch untersucht. Dieser Aufgabe hat sich nun ein Team aus Postdocs, PhD- und Master-Student:innen rund um den Zellbiologen Andrukhov im Rahmen eines fünfjährigen, vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts gestellt. Darüber hinaus stellte die Gruppe die Hypothese auf, dass die Interaktion der dentalen MSCs mit den Immunzellen eine wesentliche Rolle bei Parodontitis spielt. Ebenso untersuchten sie den Einfluss von Vitamin D3 auf diese Interaktion. Grund dafür: „Es wurde bereits seit Längerem angenommen, dass ein Mangel an Vitamin D3 ein Risikofaktor für Parodontitis ist.“

Ergebnisse der Forschung

Für die Untersuchungen isolierte die Forschungsgruppe Blutzellen von dental und insgesamt körperlich gesunden Versuchspersonen sowie mesenchymale Stammzellen (Vorläuferzellen) aus extrahierten (gezogenen) Zähnen. „Um die Interaktion zwischen Stamm- sowie Immunzellen und Vitamin D3 untersuchen zu können, entwickelten wir ein eigenes Modell“, schildert Andrukhov, der das Competence Center for Periodontal Research an der Wiener Universitätszahnklinik leitet. Gemeinsam mit seinem Team hat der Forscher ein perfekt ausbalanciertes System vorgefunden. „Es gibt eine ständige, wechselseitige Interaktion zwischen Immunzellen und dentalen Stammzellen.“ Normalerweise hält sich diese Interaktion selbst in Balance, doch letztendlich ist sie abhängig von den lokalen Gegebenheiten in der Mundhöhle, allen voran der Anwesenheit von entzündungsfördernden Zytokinen (Botenstoffe der Immunzellen). So aktiviert einerseits die Zytokinproduktion der Immunzellen die dentalen MSCs. Andererseits unterdrücken dentale MSCs die Aktivität von Immunzellen, was zu einer geringeren Zytokinproduktion führt. Eine Balance dieser Wechselwirkung könnte für das Fortschreiten einer Parodontitis und für die Regeneration von dentalem Gewebe wesentlich sein.

Einfluss von Vitamin D3

Die Daten haben außerdem gezeigt, dass diese ausbalancierte Interaktion zwischen Immunzellen und dentalen MSCs durch Vitamin D3 auf vielfältige Weise beeinflusst wird. Einerseits hemmt Vitamin D3 die Aktivität verschiedener Immunzellen und verringert dadurch die Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen. Gleichzeitig hemmt Vitamin D3 auch die immunmodulatorische Aktivität von dentalen MSCs. Diese Eigenschaften von Vitamin D3 werden wiederum durch bakterielle Faktoren gehemmt und durch Zytokine reguliert. Somit beeinflusst Vitamin D3 die lokalen Gegebenheiten, gleichzeitig wird dessen Bioaktivität durch diese Gegebenheiten moduliert.

Ein kompliziertes, aber elegantes System

Das deutet darauf hin, dass Vitamin D3 in höheren Dosen als Begleittherapie bei Parodontitis eingesetzt werden könnte, und wiederum die Wirksamkeit von Vitamin D3 durch eine Veränderung der lokalen Gegebenheiten verbessert werden könnte. „Die optimalen Bedingungen müssen aber noch erforscht werden“, sagt Andrukhov. Die Ergebnisse eröffnen jedenfalls eine neue Perspektive für zukünftige Forschungsprojekte. „In einem Folgeprojekt gehen wir jetzt der Frage nach, welche Subpopulation der Stammzellen sich am besten für die therapeutische Anwendung eignet. Damit können wir die Brücke von der Grundlagenforschung hin zur klinischen Anwendung legen.“ Das längerfristige Ziel des Wissenschaftlers ist die Etablierung und Weiterentwicklung einer eigenen Forschungsgruppe. „Das gesamte Bild davon, wie sich alles im Mund entwickelt, ist sehr kompliziert und gleichzeitig sehr elegant. Es macht mir wirklich Spaß, in diesem Bereich zu forschen und Lösungen für die Herausforderung der Zahnheilkunde zu finden.“

 

Literatur:

Quelle: FWF – Der Wissenschaftsfonds Zahnmedizin Parodontologie

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