Am 24. November 2023 wurden in München anlässlich der 5. Gemeinschaftstagung Zahnerhaltung und des 8. DGZ-Tags der Wissenschaft die Gewinnerinnen und Gewinner des Wrigley Prophylaxe Preises 2023 bekannt gegeben, der in diesem Jahr zum 29. Mal verliehen wurde. Auch diesmal waren wieder ganz besondere Projekte und wichtige Forschungsarbeiten dabei.
Der Hauptgewinn im Bereich „Wissenschaft“ ging mit einer Prämie von 5.000 Euro an die Arbeitsgruppe um Dr. Birte Holtfreter von der Universitätsmedizin Greifswald. Ihre Langzeitstudie belegt den Nutzen insbesondere von Zahnseide: Der regelmäßige Einsatz reduziert Plaque, Zahnfleischentzündungen und -taschen. Den mit 2.000 Euro dotierten Preis im Bereich „Wissenstransfer in die Praxis“ erhielten Diplom-Ökotrophologin Dorothee Hahne aus Köln und ihr Team. Sie haben erstmals Rezepte für Speisen und Getränke mit Erosionsschutz entwickelt, die zur Ernährungslenkung von Erosionspatientinnen/-patienten in der zahnärztlichen Praxis eingesetzt werden können.
Hilfe für schwer kranke Kinder
Den Sonderpreis „Zahnmedizinische Praxis & soziale Verantwortung“ bekamen mit jeweils 2.500 Euro gleich zwei Projekte. Die „Zahnperle“ von Dr. Kerstin Aurin und Kolleginnen und Kollegen vom Verein Zahnfuchs e. V. aus Heidelberg kümmert sich um die Mundhygiene von schwer kranken Kindern, die längere Zeit stationär im Krankenhaus sein müssen. Das zweite prämierte Projekt stammt von Dr. Anna-Lena Hillebrecht und ihrem Team vom Universitätsklinikum Freiburg: Sie haben einen Lehrparcours für Zahnmedizin-Studierende entwickelt, der Funktionseinschränkungen und Behinderungen simuliert.
Langzeitstudie bestätigt Nutzen von Interdentalreinigung
Die Verwendung von Zahnseide, Interdentalbürsten und anderen interdentalen Reinigungshilfen gilt als effektive Ergänzung zum Zähneputzen, um Plaque und Gingivitis vorzubeugen. Die Evidenz für diese Empfehlung ist jedoch gering. Zudem liefern klinische Studien bislang nur begrenzte wissenschaftliche Belege für einen Nutzen der Interdentalreinigung bei oralen Erkrankungen mit langfristigem Verlauf, wie Karies, Parodontitis und Zahnverlust.
Klarheit in diesen Fragen bringt die mit 5.000 Euro prämierte Arbeit von Privatdozentin Dr. Birte Holtfreter von der Universitätsmedizin Greifs-wald und ihrem Team Elena Conrad, Prof. Dr. Thomas Kocher und Prof. Dr. Alexander Welk. In ihrer prospektiven Kohortenstudie haben sie erstmals die Langzeiteffekte der täglichen Nutzung von interdentalen Reinigungshilfen auf ein breites Spektrum dentaler und parodontaler Variablen untersucht. Dazu wurden die 7-Jahres-Follow-Up-Daten von 2.224 Teilnehmen-den der Study of Health in Pomerania (SHIP-TREND) anhand von adjustierten linearen und ordinalen logistischen Modellen analysiert.
Das Ergebnis: Nach einer Beobachtungszeit von im Schnitt 7,4 Jahren ergab die Verwendung von Zahnseide und Interdentalbürsten signifikante positive Effekte auf die Folgeuntersuchungswerte von Plaque, Bleeding on Probing (BOP) und Sondierungstiefenvariablen. Die größten Effekte auf all diese Parameter hatte Zahnseide. Interdentalbürsten verringerten die Plaque- und BOP-Werte. Allerdings war keine der Interdentalreinigungshilfen konsistent mit der Anzahl kariesfreier gesunder Flächen oder der Anzahl fehlender Zähne signifikant assoziiert.
Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen die bisherige Evidenz und betonen, dass Hilfsmittel zur Interdentalreinigung empfehlenswert sind: Sie können zur Verringerung von Plaque, Gingivitis und Taschenbildung führen – und sind damit möglicherweise auch ein relevanter Ansatz zur Prävention von Parodontitis.
Wissenschaftlich geprüfte Rezepte mit Erosionsschutz
Die Prävalenz dentaler Erosionen steigt in westlichen Industrieländern seit Jahren in allen Altersklassen. Hauptursache ist der häufige Verzehr saurer Speisen und Getränke, von Erfrischungsgetränken und Fruchtsäften bis zu frischem Obst, Salatsaucen und Sauerkonserven. Die Kombination mit Kalzium ist eine bewährte Strategie, um das erosive Potenzial von Speisen und Getränken zu senken. Bislang waren aber nur pauschale Ratschläge möglich, zum Beispieleine Kalziumtablette zu Orangensaft zu geben.
Das ändert die mit 2.000 Euro prämierte Studie „Modifikation von Speisen und Getränken zur Reduktion des erosiven Potenzials“. Die Diplom-Ökotrophologin Dorothee Hahne (Köln), die Zahnärztinnen Houma Kustermann (Rottweil), Dr. med. dent. Anja Lüssi (Bern) und Prof. em. Dr. med. dent. Adrian Lussi (Universität Bern) haben erstmals konkrete Rezepturen mit Erosionsschutz für Speisen und Getränke entwickelt.
Das Team untersuchte den Zusatz von Kalzium in drei Konzentrationen zu Apfel- und Orangensaft, einem Energy-Drink und einem Kola-Getränk und „modifizierte die Rezepte von fünf säurehaltigen Gerichten durch kalziumreiche Zutaten wie zum Beispiel Käse, Joghurt oder Nüsse. Das erosive Potenzial wurde vor und nach der Modifikation untersucht. Als Schmelzprobekör-per dienten kariesfreie Prämolaren und Molaren, bei denen nach zwei Mi-nuten Einwirkzeit in der jeweiligen Testlösung Härtemessungen nach Vickers durchgeführt wurden.
Bei Orangensaft und dem Energy Drink verringerten bereits geringe Kalziumzusätze die Erosivität, bei Apfelsaft waren höhere Konzentrationen nötig. Bei Kola war Kalzium in jeder Konzentration unwirksam; es blieb erosiv. Die angereicherten Getränke schmeckten teils salziger oder hatten eine bittere Note.
Modifizierte Rezepturen senken die Erosivität
Bei den Speisen sank die Erosivität durch die modifizierten Rezepturen signifikant. Am deutlichsten war der Effekt bei einem Obstsalat mit Aprikosen und Beeren: Die Zugabe von Joghurt senkte die Härteabnahme auf -1,08 Prozent, versus -9,25 Prozent ohne Joghurt. Die zusätzliche Ergänzung von Haselnüssen führte sogar zu einer Härtezunahme um 0,75 Prozent. Wirksam war auch der Zusatz von Parmesankäse zu einem mit Essig-Öl-Vinaigrette zubereiteten Rukolasalat. Im Geschmackstest schnitten die Speisen genauso gut oder besser ab als das Original.
Patientinnen und Patienten mit Erosionen können die modifizierten Speisen und Getränke konsumieren, ohne Säureangriffe befürchten zu müssen. Das ermöglicht ihnen, erwünschte saure Lebensmittel wie Obst oder sauer eingelegtes Gemüse im Speiseplan zu behalten. Damit sind sie ein attraktives neues Instrument für die Ernährungslenkung und Beratung in der zahnärztlichen Praxis.
„Zahnputzperlen“ von Schülerinnen und Schülermotivieren Kinder in Kliniken
Den mit 2.500 Euro dotierten Sonderpreis „Zahnmedizinische Praxis & soziale Verantwortung“ erhält das ehrenamtliche Projekt „Zahnputzperle“, das von Dr. Kerstin Aurin vom Verein Zahnputzfuchs e.V. aus Heidelberg und ihrem Team gegründet wurde: Melanie Lorenz, Dr. Blanka Plewig, Luisa Brass, Leo Christ, Dr. Ines Brösse und Laura Hassel. Das kreative Konzept richtet sich an Kinder, die wegen einer schwerwiegenden Diagnose längere Zeit stationär in einer Klinik bleiben müssen und will sie motivieren, ihre Zähne regelmäßig zu putzen. Eine gute Mundgesundheit ist für Kinder mit onkologischen oder kardiologischen Erkrankungen besonders wichtig, denn dentale Infektionen, etwa infolge unbehandelter kariöser Läsionen, sind für sie ein Gesundheitsrisiko.
Die zwei Zentimeter großen „Zahnputzperlen“ entstehen in Kooperation mit weiterführenden Schulen im Kunstunterricht der Klassen 6 bis 9. Als Einstieg dient ein Klassengespräch zur Bedeutung der Zahngesundheit, anschließend machen die Schülerinnen und Schülern Skizzen von Zähnen und basteln Zahnputzperlen aus Modelliermasse. Jede ist ein Unikat und liebevoll gestaltet – zum Beispielmit lachendem Gesicht, fröhlichem Zwinkern, Schnurrbart, Hut oder Zipfelmütze. Die Perlen werden dann an die kinderonkologischen und -kardiologischen Stationen übergeben. Dort sammeln die kleinen Patientinnen beim täglichen Zähneputzen Stempel oder Sticker auf einer Zahnputzkarte. Ist diese voll oder fällt es den Kindern schwer, Zähne zu putzen (zum Beispiel bei/nach Mukositis), dürfen sie sich eine Zahnputzperle aussuchen.
Doppelter Effekt für die Kinder und Jugendlichen
Das Projekt „Zahnputzperle“ fördert nicht nur eine gute Mundhygiene, sondern bereitet den kranken Kindern auch eine Freude in ihrem belastenden Alltag. Gleichzeitig werden die Schüler an weiterführenden Schulen über die Bedeutung einer guten Mundhygiene aufgeklärt und für soziales Engagement sensibilisiert. Momentan nehmen deutschlandweit elf Kliniken und Schulen an dem Projekt teil. Künftig soll es in weiteren Kliniken umgesetzt werden.
Simulations-Lehrparcours macht Behinderungen im Alter erlebbar
Wer heute Zahnmedizin studiert, wird später auch Patientinnen und Patientenmit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen behandeln, die besondere Unterstützung beim Erhalt der Mundgesundheit brauchen. Damit angehende Zahnärztinnen und Zahnärzte sich in deren Probleme hineinversetzen und kompetent damit umgehen können, haben Dr. Anna-Lena Hillebrecht und ihre Kolleginnen und Kollegen Prof. Dr. Benedikt Spies, Zahnärztin Simone Steffens, Dr. Anuschka Roesner, Dr. Kirstin Vach und Prof. Dr. Ralf Kohal einen Lehr-parcours entwickelt, der zahnmedizinisch relevante Funktionseinschränkungen simuliert. Für dieses beeindruckende Projekt erhielt das Team ebenfalls den mit 2.500 Euro dotierten Sonderpreis „Zahnmedizinische Praxis & soziale Verantwortung“.
Vier Stationen zum Erleben der Beeinträchtigungen
Der Parcours besteht aus vier Stationen – und an jeder können Studierende unterschiedliche Einschränkungen am eigenen Leib erfahren und Strategien erarbeiten, um damit verbundene Defizite für die Mundgesundheit zu kompensieren.
An Station 1 ziehen die Studierenden Alterssimulationsanzüge an, die zum Beispiel Augenerkrankungen, Schwerhörigkeit, Koordinationsstörungen oder Kraftverlust erlebbar machen. An Station 2 putzen sie ihre Zähne unter den erschwerten Bedingungen von Handtremor und Hemiplegie, an Station 3 wird eine Behandlung bei körperlichen Einschränkungen im Rollstuhl simuliert. An Station 4 wird unter anderem mit Watterollen eine Xerostomie erzeugt und mit Produkten gelindert, die in diesen Fällen üblicherweise eingesetzt werden, etwa künstlicher Speichel.
Der Lehrparcours vermittelt praktische Inhalte aus den Bereichen Zahn-medizin für Menschen mit Behinderungen und Alterszahnmedizin. Er kann zum Beispiel im Rahmen der neuen zahnärztlichen Approbationsordnung an Universitäten eingesetzt werden, eignet sich aber auch zur Schulung von Praxisteams oder Pflegepersonal. Zudem ist es flexibel und kann um weitere Stationen erweitert werden.
Die Jury verabschiedet Professor Geurtsen
Nach 14 Jahren verlässt Prof. Dr. Werner Geurtsen von der Medizinischen Hochschule Hannover die Jury. Mit seinem langjährigen Engagement hat er den Wrigley Prophylaxe Preis stark geprägt. Wie allen Jurymitgliedern war es auch ihm immer ein Anliegen, Forschungserkenntnisse und Projekte auszuzeichnen, die schnell in die Praxis finden und die Mundgesundheit von besonders gefährdeten oder benachteiligten Gruppen im Blick haben. In diesem Jahr hat er die Patenschaft für das Projekt „Zahnputzperle“ übernommen: „Das Engagement der Schülerinnen und Schülerstärkt die Solidarität mit schwer kranken Kindern und sensibilisiert sie, auf ihre Mundgesundheit zu achten. Das ist besonders wichtig, weil damit das Risiko für Komplikationen sinkt.“ Die weiteren Mitglieder der unabhängigen Jury sind Prof. Dr. Thomas Attin, Zürich, Prof. Dr. Rainer Haak, Leipzig, Prof. Dr. Joachim Klimek, Gießen, Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel, Bern, Dr. Christian Rath vom Verein für Zahnhygiene e. V., Darmstadt, und DGZ-Präsidentin Prof. Dr. Annette Wiegand, Göttingen.
Mit den prämierten Arbeiten unterstützt das WOHP in diesem Jahr vor allem praxisrelevante Forschung und Projekte, die die Eigenverantwortung und das soziale Engagement für Jung und Alt fördern. Damit leistet der Preis erneut einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Mundgesundheit in der gesamten Bevölkerung.
Der Wrigley Prophylaxe Preis
Der Wrigley Prophylaxe Preis ist eine Institution in der Zahnmedizin. Seit seiner Gründung 1994 wird er jährlich für herausragende Forschung und Projekte auf dem Gebiet der Kariesprophylaxe verliehen. Stifterin ist die zahnmedizinische Initiative „Wrigley Oral Healthcare Program“, die sich für eine Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit in allen Bevölkerungsgruppen einsetzt. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi den Speichelfluss stimuliert und damit die Zahngesundheit fördert. Es gehört neben Zähneputzen und gesunder Ernährung zu den drei Kernempfehlungen in der medizinischen Leitlinie zur Kariesprophylaxe, die jeder täglich eigenverantwortlich umsetzen kann. Der Preis steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und wird traditionsgemäß auf deren Jahrestagung verliehen, die in diesem Jahr in München stattfand.
Mars Wrigley engagiert sich mit der 1989 ins Leben gerufenen Gesundheitsinitiative „Wrigley Oral Healthcare Program (WOHP)“ seit mehr als 30 Jahren für die Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit in Deutschland. Weil Kariesprophylaxe das A und O für gesunde Zähne ist, fördert das WOHP sowohl die Individual- als auch die Gruppenprophylaxe in Forschung, Lehre und Praxis.
Die Produkte der Extra-Reihe seien ein weiterer Baustein für eine bessere Zahngesundheit, zum Beispiel die zuckerfreien Extra-Kaugummis zur Zahnpflege. Sie regten durch das Kauen den Speichelfluss an – und Speichel unterstützt die Neutralisierung von Plaque-Säuren und die Remineralisierung des Zahnschmelzes. Plaque-Säuren und die nachfolgende Demineralisation des Zahnschmelzes sind Risikofaktoren bei der Entstehung von Zahnkaries. Laut der medizinischen Leitlinie zur Kariesprophylaxe ist es empfehlenswert, regelmäßig nach den Mahlzeiten zuckerfreien Kaugummi zu kauen. Wer lieber lutscht als kaut, könne auf Extra-Pastillen zur Mundpflege zurückgreifen, so das Unternehmen.