Fehlende Zähne im Frontzahnbereich – etwa als Folge von Zahntraumata oder auch als Zustand kongenitaler Aplasie – sind für den kieferorthopädischen Patienten belastend und haben eine negative Auswirkung auf das Wohlbefinden1. Beide Patientengruppen können dem Kieferorthopäden mit dem Wunsch nach einer provisorischen Versorgung im Praxisalltag begegnen. Dies stellt hohe Anforderungen an die Therapieplanung, da eine provisorische prothetische Versorgung einerseits flexibel in die
kieferorthopädische Behandlung integriert werden muss und andererseits posttherapeutisch, auch zum Zwecke einer sicheren Retention, weiter aufrechterhalten werden muss2. Hierfür kommen am Ende der aktiven kieferorthopädischen Behandlung oftmal herausnehmbare Behelfe oder adhäsiv befestigte Maryland-Brücken zum Einsatz – insbesondere dann, wenn die Patienten altersbedingt noch nicht geeignet sind mit enossalen Dentalimplantaten versorgt zu werden3. Als Alternative zu herausnehmbaren Interimsversorgungen oder Klebebrücken wurden in den Alveolarfortsatz inserierte orthodontische Miniimplantate beschrieben, die zur Aufnahme von provisorischen Kronen dienten3–5. In den Alveolarfortsatz eingebrachte orthodontische Miniimplantate hätten während der aktiven orthodontischen Therapie jedoch den Nachteil, dass sie mit geplanten Zahnbewegungen interferieren könnten. Eine sehr flexible Alternative stellen Kieferorthopäde Dr. Jan Hourfar et al. in einem Beitrag für die Kieferorthopädie 1/2017 vor. Die brückengliedartig gestalteten Zahnkronen, die über entsprechend gestaltete Verbinder mit den im anterioren Gaumen median oder paramedian verankerten orthodontischen Miniimplantaten verbunden sind, können jederzeit den therapeutisch erzielten Zahnbewegungen angepasst werden.
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Klinische Anwendungsbeispiele
Aufgrund ihrer exponierten Lage im ästhetischen Bereich ist der Ersatz permanenter zentraler Schneidezähne nach deren unfallbedingtem Verlust für den Patienten von besonderer Bedeutung. Tritt der Verlust bereits in der ersten Wechselgebiss-
phase auf, können die betroffen Zähne bereits zu diesem Zeitpunkt durch brückengliedartig gestaltete Zahnkronen, verankert durch orthodontische Miniimplantate, „ersetzt“ werden. Bis zur Einleitung der aktiven kieferorthopädischen Behandlung in der zweiten Wechselgebissphase, mittels festsitzender Apparatur, dient diese Konstruktion als lang-
zeitprovisorische Versorgung. Während der sich anschließenden festsitzenden kieferorthopädischen Behandlung ist es möglich, die „Ersatzzähne“ ebenfalls mit Brackets zu versehen und so als weitere Verankerungseinheit zu nutzen (Abb. 1 bis 9).
Auch bei erwachsenen Patienten mit traumabedingtem Verlust eines zentralen Schneidezahns kann ein ähnliches Vorgehen günstig sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn vor der definitiven prothetischen Versorgung kieferorthopädische Zahnbewegungen erfolgen, die mithilfe der beschriebenen temporären prothetischen Versorgung nicht behindert werden (Abb. 10 bis 15).
Eine weitere Variante zum Beispiel bei Patienten mit kongenialen Nichtanlagen ist das Nutzen bereits inserierter orthodontischer Miniimplantate, die zuvor für die skelettale Verankerung einer Mesialisations- oder Distalisations-Apparatur (T-Mesialslider6) dienten. Hier werden zunächst die Behandlungsaufgaben mit der entsprechenden Apparatur gelöst und anschließend nach Entfernung der Apparatur mit dem entsprechenden Zahnersatz versorgt. So haben Chirurgen, Implantologen und Parodontologen im weiteren Verlauf die Möglichkeit „kleine“ augmentative Maßnahmen vorzunehmen (Abb. 17).
Fazit
Eine Verankerung brückengliedartig gestalteter Ersatzzähne über im anterioren Gaumen inserierte orthodontische Miniimplantate hält insbesondere während einer festsitzenden kieferorthopädischen Behandlung die Möglichkeit bereit, die Patienten temporär festsitzend prothetisch im ästhetisch kritischen Bereich zu versorgen. Zudem bietet dieses Vorgehen dem Kieferorthopäden aufgrund der Verschraubung eine maximale Flexibilität. Bei Bedarf kann die Versorgung einfach durch ein Lösen der Verschraubung entfernt und modifiziert werden, wenn diese aufgrund des Behandlungsfortschrittes mit den geplanten Zahnbewegungen interferieren würde.
Nach Abschluss der Behandlung kann die präsentierte Versorgung im Sinne eines Langzeitprovisoriums in situ verbleiben. Nach einer eventuellen enossalen Insertion eines Dentalimplantats ließe sich die Versorgung aufgrund der bedingten Abnehmbarkeit an die lokalen Gegebenheiten post implantationem anpassen. Erst nach erfolgreicher Osseointegration des Dentalimplantats beziehungsweise der Dentalimplantate und der definitiven prothetischen Versorgung könnte die Entfernung der orthodontischen Minimplantate erfolgen.
Ein Beitrag von Dr. med. dent. Jan Hourfar, Homburg, Dr. med. dent. Björn Ludwig, Homburg, Dr. med. dent. Otto Zuhr, München, und Dr. med. dent. Bettina Glasl, Traben Trarbach
Literatur
1. Al-Omiri MK, Karasneh JA, Lynch E, Lamey PJ, Clifford TJ. Impacts of missing upper anterior teeth on daily living. Int Dent J 2009;59:127–132.
2. Olsen TM, Kokich VG. Postorthodontic root approximation after opening space for maxillary lateral incisor implants. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2010;137:158.e151–158.e158.
3. Wilmes B, Nienkemper M, Renger S, Drescher D. Mini-implant- supported temporary pontics. J Clin Orthod 2014;48:422–429.
4. Graham JW. Temporary replacement of maxillary lateral
incisors with miniscrews and bonded pontics. J Clin Orthod 2007;41:321–325.5. Ciarlantini R, Melsen B. Miniscrew-retained pontics in growing patients: a biological approach. J Clin Orthod 2012;46:638–640.
6. Ludwig B, Zachrisson BU, Rosa M. Non-compliance space closure in patients with missing lateral incisors. J Clin Orthod 2013;47:180–187.