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Darstellung und Diskussion verschiedener Operationstechniken mit Indikation und Langzeit­prognose


Prof. Dr. Stefan Fickl wird als Referent des Quintessenz Jubiläumskongresses „7 Decades“  am 11. und 12. Januar 2019 in Berlin sein.

Patienten mit dünnem Gingivatyp neigen vermehrt zu Rezessionen. Diese entstehen unabhängig von der Mundhygiene und können neben ästhetischen Beeinträchtigungen auch Hypersensibilitäten im Zahnhalsbereich auslösen. Die plastische Deckung der freiliegenden Wurzelareale führt langfristig zu einer Wiederherstellung der Funktion und der Rot-Weiß-Ästhetik. Doch ebenso vielfältig wie die Ätiologie sind auch die Therapieansätze. Neben Verschiebeplastiken und Rotationslappen kommen vermehrt kombinierte Tech­niken mit autologen und xenogenen Bindegewebstransplantaten zum Einsatz. Im Beitrag von Dr. Julia Hehn und Prof. Dr. Stefan Fickl aus der Quintessenz 4/2018, werden die verschiedenen Operationstechniken mit Indikation und Langzeit­prognose übersichtlich dargestellt und diskutiert.  

Die „Quintessenz“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.


Ätiologie gingivaler Rezessionen

Unter einer Rezession versteht man den vestibulären oder oralen Rückgang der Gingiva bis apikal der Schmelz-Zement-Grenze. Die so exponierte Wurzeloberfläche führt oft zu starken Hypersensibilitäten des Zahns und ist aus medizinischer Sicht eine Prädilektionsstelle für Karies und Abrasionen12. Weiterhin kann durch eine Rezession die Ästhetik entscheidend beeinträchtigt werden, was bei vielen Patienten den Leidens­druck erhöht.

Die präoperative Diagnostik und die Evaluierung der ätiologischen Faktoren sind entscheidend für den Therapieerfolg. Es muss zwischen anatomischen und äußeren Einflüssen unterschieden werden. Die vestibuläre Knochenlamelle ist meist nur sehr dünn ausgeprägt. So können weit labial stehende Zahnwurzeln oder ein stark einstrahlendes Frenulum zu einer Fenestrierung oder einer vollständigen Dehiszenz des labialen Knochens führen und eine Rezession begünsti­gen. Als Hauptgründe werden jedoch äußere Einflüsse diskutiert. Patientenbezogene Faktoren wie z. B. eine traumatische Putztechnik tragen maßgeblich zur Entstehung von Rezessionen bei14. Daher sollte das prä­operative Behandlungskonzept immer eine intensive Mundhygieneschulung umfassen, in welcher den Patienten die richtige, schonende Putztechnik vermittelt wird. Diese Plaque- und Abrasionsprophylaxe ermöglicht es, neue Defekte zu vermeiden oder das Fortschreiten bestehender Defekte zu verhindern.

Iatrogene Faktoren wie überextendierte Restaura­tions­ränder führen zur Verletzung der biologischen Breite und bedingen folglich die Rezessionsentstehung. Auch mechanische Reize durch orale Piercings und ein erhöhter Nikotinkonsum sind als Ursachen für gingivale Rezessionen wissenschaftlich belegt10. Hier ist es unabdingbar, dass die Piercings entfernt werden oder das Rauchverhalten umgestellt wird.

Eine weiterer Faktor sind kieferorthopädische Behand­lungen6,20. Joss-Vassalli et al.9 konnten nachweisen, dass Patienten nach Abschluss der kieferorthopädischen Therapie ein 4,48-fach höheres Risiko für Rezessionen hatten als Patienten ohne eine solche Behandlung. Ein Zusammenhang zwischen Bruxismus und dem Auftreten generalisierter Gingivarezessionen wird ebenfalls diskutiert. Die Theorie, dass exzessive Scherkräfte zu einem partiellen Verlust der bukkalen Knochenlamelle führen und so die Entstehung einer Rezession begünstigen, ist wissenschaftlich jedoch nicht eindeutig belegt7.


Tab. 1 Einteilung der Rezessionen nach Miller15

Klassifikation

Wichtig ist die Differenzierung von klassischen gingiva­len Rezessionen und von Weichgewebsdefekten, die im Zuge einer Parodontitis und der eventuell darauffolgenden Therapie entstanden sind. Bei Weichgewebs­defekten kommt es infolge des Knochenabbaus neben vestibulären und/oder lingualen Gingivadefekten auch zum Verlust der interdentalen Weichgewebe. Diese „black triangles“ können chirurgisch nicht vollständig gedeckt werden. Miller15 veröffentlichte eine Klassifikation, welche die Weichgewebsdefekte entsprechend ihrer Behandlungsprognose in vier Rezessionsklassen unterteilt. Während bei den Klassen I und II langfristig eine vollständige Deckung erzielt werden kann, ist bei den Klassen III und IV nur eine unvollständige oder überhaupt keine Deckung möglich (Tab. 1).

Operative Techniken der Rezessions­deckung

Bei der Therapie gingivaler Rezessionen unterscheidet man einfache Lappentechniken (Verschiebe- und Rotationslappen) von Kombinationstherapien mit einem Weichgewebstransplantat (Bindegewebstransplantat, freies Schleimhauttransplantat, xenogene Transplantate). Die Wahl der richtigen Technik erfolgt nach sorgfältiger Analyse des Defektareals und ist ausschlaggebend für ein stabiles Langzeitresultat. Entscheidende Kriterien sind:

  • Tiefe der Rezession,
  • Deckung einer singulären Rezession oder mehrerer Rezessionen,
  • Breite der keratinisierten Gingiva apikal der Rezession sowie
  • Breite der keratinisierten Gingiva lateral der Re­zession.

Verschiebelappen


Tab. 2 Einteilung der Lappen­techniken zur Rezessionsdeckung

Bei der Verschiebelappentechnik wird das freiliegende Wurzelareal mit Hilfe der an den Defekt angrenzenden Gingiva gedeckt. Man unterscheidet den koronalen Verschiebelappen, modifizierte Formen und den Semilunarlappen (Tab. 2).

Koronaler Verschiebelappen


Abb. 1 Koronaler Verschiebelappen

Der koronale Verschiebelappen mit vertikalen Entlas­tungs­inzisionen stellt die am besten untersuchte Varian­te zur Deckung singulärer Rezessionen dar2,8 (Abb. 1). Voraussetzung ist das Vorhandensein einer ausreichend breiten keratinisierten Gingiva von mindestens 2 mm apikal der Rezession. Initial erfolgt eine horizontale Schnittführung auf Höhe der späteren Papillenbasis. Die vorhandenen Papillenareale werden als Empfänger­bett für den Verschiebelappen entepithelialisiert. Im An­schluss wird der Lappen über zwei vertikale Inzisionen bis über die Mukogingivalgrenze extendiert und im Bereich der Lappenbasis eine Periostschlitzung durchgeführt. Die so erzielte Mobilität ermöglicht eine weite koronale Verlagerung des Gewebes und eine spannungsfreie Adaptation. Auch multiple Defekte können mit dieser Technik erfolgreich therapiert werden.

Die Vorteile der Verschiebetechnik nach koronal liegen in der einfachen Durchführung und dem sehr kleinen Operationsfeld. Als nachteilig wird jedoch die vertikale Entlastung diskutiert, da hieraus eine ver­minderte Durchblutung und Narbenzüge resultieren, welche die Ästhetik negativ beeinträchtigen können.

Modifizierte Form des koronalen Verschiebelappens

Um die erwähnten Nachteile zu vermeiden, stellten Zucchelli und de Sanctis21 eine modifizierte Form des koronalen Verschiebelappens ohne Vertikalinzisionen vor. Dabei wird analog zur oben beschriebenen Technik entsprechend der Rezessionstiefe mesial und distal der Rezession im Papillenbereich inzidiert und ein Spaltlappen präpariert. Die Schnittführung unterscheidet sich jedoch dahingehend, dass die Inzisionen abgeschrägt und zum Zentrum der Rezession hin durchgeführt wer­den. Daher ist es möglich, den Lappen nach Entepithelia­lisierung der alten Papillenspitzen mit leichter Rotation nach koronal zu verschieben und die neuen Papillenspitzen interdental zu fixieren.

Die modifizierte Technik nach Zucchelli und de Sanctis garantiert eine gute Durchblutung des Lappens und verhindert die Entstehung von Narbenzügen. Allerdings lässt sich eine ausreichende Mobilität nur über eine weit­reichende Splittung der Mukosa und ggf. eine Durch­trennung von Muskelfasern erzielen. Daher ist diese Variante bei Patienten mit multiplen Rezessionen oder stark einstrahlenden Lippen- und Wangenbändchen indiziert, wohingegen sie für umfangreiche singuläre Defekte nicht in Frage kommt.

Modifizierte Tunneltechnik nach Azzi et al.

Eine weitere Verschiebeplastik ist die modifizierte Tunneltechnik nach Azzi et al.1. Die minimalinvasive Vorgehensweise sieht eine rein intrasulkuläre Schnittführung im Bereich der betroffenen und der an­grenzenden Zähne unter Erhalt der interdentalen Pa­pil­len vor. Mittels spezieller Tunnelierungsinstrumente werden die Papillen unterminiert und die Gingiva in ei­ner Spaltlappentechnik vom Knochen gelöst. Im Gegen­satz zur ursprünglichen Tunneltechnik nach Allen wird der Lappen im Anschluss nach koronal verschoben und interdental fixiert. Aufgrund der minimalinvasiven Schnitt­führung lassen sich mit der Tunneltechnik sehr gute ästhetische Ergebnisse erzielen. Durch die Fixation der Papillenspitzen ist eine Verschiebung des Lappens jedoch nur eingeschränkt möglich. Daher eignet sich die Technik primär für flache Inzisionen. Ausgeprägte singuläre Rezessionen, ein stark erhöhter Muskeltonus oder ein ausgeprägtes Frenulum stellen eine Kontra­indikation dar.

Semilunarlappen

Nachfolgend sei der Vollständigkeit halber noch die Prä­paration des Semilunarlappens beschrieben19. Parallel zur Rezession wird eine 3 bis 4 mm apikal verlaufende, geschwun­gene Inzision durchgeführt, wobei der Lappen beid­seitig gestielt bleibt. Nach Mobilisation der Gewebsbrücke erfolgt eine Verschiebung des Mukosalappens nach koronal, wo er passiv aufliegt und lediglich mit einem Parodontalverband abgedeckt wird. Die geringe Mobilität lässt die Technik nur bei dickem Gingivatyp und flachen Rezessionen der Miller-Klasse I zu. Zudem erfordert die sekundäre Wundheilung eine vollständig erhaltene vestibuläre Knochenlamelle. Die Technik gilt aber aufgrund der ausgeprägten Narbenbildung und des eingeschränkten Indikationsbereichs als obsolet.

Rotationslappen

Der laterale Rotationslappen wird zur Deckung singulärer Rezessionen eingesetzt17. Voraussetzung ist das Vorhandensein einer ausreichend breiten keratinisierten Gingiva lateral der Rezession von mindestens 3 bis 4 mm. Nur so kann sichergestellt werden, dass nach der Rotation des Lappens genügend keratinisierte Mukosa im Bereich der Entnahmeregion verbleibt und eine iatrogene Rezession in diesem Areal vermieden wird. Im Bereich des Empfängerbettes wird die Gingiva lateral und apikal der Rezession entepithelialisiert. Anschließend erfolgt die Präparation des Rotationslappens, wobei darauf zu achten ist, dass koronal der horizontalen Inzision eine Restgewebsstärke von 2 mm bestehen bleibt. Der Mukosalappen wird dann nach apikal extendiert, rotiert und spannungsfrei auf dem Empfängerbett fixiert (Abb. 2 bis 4).


Abb. 5 Doppelter Papillenlappen

Der doppelte Papillenlappen5 ist für die Therapie singulärer Weichgewebsdefekte indiziert, bei denen api­kal nicht genügend keratinisierte Gingiva vorhanden ist. Analog zum lateralen Verschiebelappen werden mesial und distal der Rezession zwei Spaltlappen präpariert und über der Rezession zusammengefügt (Abb. 5). Die Präparation des doppelten Papillenlappens ist sehr techniksensitiv, da Perforationen oder eine unzureichende Dicke des Spaltlappens zu Nekrosen führen können.

Kombination mit Weichgewebstransplantaten

Für ein langzeitstabiles Ergebnis ist neben einer möglichst vollständigen Deckung der Rezession auch der Gingivatyp entscheidend. Patienten mit dünnem Gingivatyp neigen vermehrt zu Rezessionen, wohingegen Patienten mit dicker Gingiva eine höhere Weichgewebs­stabilität zeigen. Daher wird im Zuge der Rezessionsdeckung immer auch eine Verdickung der Weichgewebe angestrebt.

Bindegewebstransplantat

Laut aktueller Studienlage gilt die Kombination mit Bindegewebstransplantaten als Goldstandard bei der Deckung von Rezessionen3,4,18. Die Entnahme am Gau­men erfolgt mittels der sogenannten Trap-Door-Technik oder als freies Schleimhauttransplantat mit anschließender Entepithelialisierung. Der Vorteil des Bindegewebs­transplantates liegt in der harmonischen Farbintegration und der geringen Resorption.

Freies Schleimhauttransplantat

Analog zum Bindegewebstransplantat wird das Schleim­hauttransplantat am Gaumen entnommen, das Epithel aber belassen. Kleine Transplantate können alternativ auch in der Tuberregion gewonnen werden. Das freie Schleimhauttransplantat ist primär bei der Verbreiterung der keratinisierten Gingiva um Zähne oder Implantate indiziert. Der Einsatz bei Rezessionen zeigt zwar eine hohe Langzeitstabilität, aufgrund der schlechten Farb­integration des Transplantates wird diese Technik heute jedoch als obsolet betrachtet.

Xenogene Transplantate

Zunehmend kommen in den letzten Jahren auch Trans­plantate aus porciner Kollagenmatrix zum Einsatz. Der Verzicht auf eine Entnahmestelle und somit auf ein zweites Operationsgebiet resultiert in einer kürzeren Operationszeit und weniger Schmerzen für den Patienten11. Studien haben gezeigt, dass sich mit dieser Methode der Weichgewebsaugmentation bezüglich Form und Farbgestaltung gute Ergebnisse erzielen lassen, die langfristig jedoch hinter den Resultaten mit autologem Bindegewebe zurückbleiben13,16.

Falldarstellungen

Patientenfall 1

Klinische Anamnese und Befund

Eine 24-jährige Patientin wurde von ihrem Zahnarzt für eine Rezessionsdeckung überwiesen. Die Patientin befürchtete, aufgrund des stark progredienten Verlaufs der Rezessionen ihre Zähne frühzeitig zu verlieren. Zu­dem litt sie unter starken Hypersensitivitäten im Bereich der freiliegenden Zahnhälse.

Die Allgemeinanamnese war unauffällig. Die Patien­tin war Studentin und befand sich zum Zeitpunkt der Erstvorstellung kurz vor den Abschlussprüfungen ihres Studiums. Sie empfand die aktuelle Prüfungssituation als hohe Stressbelastung und klagte über Verspannun­gen der Kopf- und Nackenmuskulatur. Die klinische Untersuchung ergab ein karies- und füllungsfreies Ge­biss. Funktionell stellte sich eine Druckdolenz im Be­reich des Musculus masseter beidseits dar. Die Front- und Eckzahnführung war suffizient. Die Untersuchung des Parodonts zeigte eine generalisiert dünne, jedoch absolut entzündungsfreie Gingiva mit unauffälligen Sondierungstiefen bei gleichzeitig sehr guter Mundhygiene. Im Bereich der Oberkieferfront stellten sich ausgedehnte Gingivarezessionen der Miller-Klasse II an den Zähnen 13 und 23 sowie eine leichte Rezession der Miller-Klasse I an Zahn 12 dar (Abb. 6 bis 8). Die Patientin gab an, zweimal täglich die Zähne mit einer normalen Handzahnbürste zu putzen und Zahnseide zu verwenden.

Therapieoptionen

Die Ausdehnung der Rezessionen bis zur Mukogingivalgrenze bei Erhalt der interdentalen Weichgewebe versprach eine gute Prognose für eine vollständige Deckung. Da apikal und lateral der Rezessionen nicht genügend keratinisiertes Gewebe vorlag, bestand eine Kontraindikation für die Präparation eines klassischen koronalen oder lateralen Verschiebelappens. Die Rezessionstiefe an den Eckzähnen und der Wunsch nach einem ästhetisch anspruchsvollen Ergebnis sprachen für eine Deckung mit Weichgewebsaugmentation ohne vertikale Inzisionen. Um eine ausreichende Mobilität des Lappens zu erzielen, wurde für beide Seiten ein modifizierter koronaler Verschiebelappen mit Bindegewebstransplantat vom Gaumen geplant.

Klinische Umsetzung

Initial erfolgte die Therapie der funktionellen Be­schwer­den. In enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Physiotherapeuten wurden die muskulären Verspannun­gen mit Massagen und einer Relaxierungsschiene behandelt. Des Weiteren erfolgte eine Prophylaxesitzung, in der die richtige, schonende Putztechnik zur Vermeidung von Rezessionen besprochen und geübt wurde.

Nach zwölf Wochen schloss sich die operative Korrektur der Gingivarezessionen an. Es erfolgte eine Schnittfüh­rung nach Zucchelli und de Sanctis, bei welcher die Inzision zur ausreichenden Mobilisation der Lappen auf die Nachbarzähne erweitert wurde. Zudem wurde der Bereich mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat vom Gaumen augmentiert. Die Abbildungen 9 und 10 zeigen die mikrochirurgische Fixation der Transplantate und der Lappen nach koronaler Ver­schiebung.

Für die postoperative Phase wurde die Patientin an­gewiesen, das operierte Areal nicht zu putzen und die Mundhöhle zweimal täglich mit einer 1prozentigen Chlor­hexidin-Mundspüllösung für zehn Tage zu desinfizieren. Zudem wurde für die ersten postoperativen Tage eine Gaumenverbandsplatte inseriert. Die Nahtentfernung erfolgte 14 Tage post operationem (Abb. 11 und 12). Die gedeckten Bereiche zeigten eine deutliche Ver­dickung, die Gingiva war jedoch aufgrund der frühen Heilungsphase noch inhomogen in Farb- und Ober­flächenstruktur.

Ergebnis und Reevaluation

12 Monate post operationem stellte sich die Patientin zur Reevaluation vor. Sie berichtete, dass die funktio­nel­len Beschwerden (Hypersensitivitäten) nicht mehr vorhanden seien und dass sie regelmäßige Prophylaxe­sitzungen bei ihrem Zahnarzt wahrnehme. Die Abbildungen 13 und 14 zeigen die vollständige Deckung der Rezessionen. Die Gingiva stellte sich deutlich verdickt dar und wirkte harmonisch in Form und Farbe.

Patientenfall 2

Klinische Anamnese und Befund

Eine 55-jährige Patientin kam mit dem Wunsch nach einer Rezessionsdeckung zur Beratung. Im Rahmen der Allgemeinanamnese gab die Patientin eine Schilddrüsenunterfunktion an, die medikamentös mit L-Thyroxin therapiert wurde.


Abb. 15 Ausgangssituation: Die Zähne 11 und 21 weisen eine Gingivarezession der Miller-Klasse I auf.

Klinisch stellte sich ein konservativ und restaurativ versorgtes, kariesfreies Gebiss dar. Die Zähne 11 und 21 hatten aufgrund eines lange zurückliegenden Traumas einen Schneidekantenverlust erlitten und waren mit mesialen Kompositaufbauten restauriert worden. Parodontal wiesen die Zähne eine Gingivarezession der Miller-Klasse I auf, Regio 21 zeigte sich eine rote Stillman-Spalte (Abb. 15). Der Weichgewebsdefekt reichte hier anders als bei der durchgehenden weißen Spalte nicht bis auf die Wurzeloberfläche, sondern endete innerhalb der Weichgewebsschicht.

Therapieoptionen

Analog zum ersten Patientenfall lag eine multiple Rezession im ästhetisch hochsensiblen Frontzahnbereich vor. Die gleichmäßige mittlere Rezessionstiefe an beiden Zähnen erlaubte eine parallele Lappenverschiebung. Um unschöne Narbenzüge zu vermeiden, stellt auch hier eine Plastik ohne Vertikalinzisionen die beste Tech­nik dar. Im vorliegenden Fall wurde die modifizierte Tunneltechnik in Kombination mit einem Bindegewebs­transplantat gewählt.

Klinische Umsetzung

Vor dem Eingriff wurde eine Prophylaxesitzung mit genau­er Mundhygieneinstruktion durchgeführt. Die Schulung der atraumatischen Putztechnik und die Umstellung auf eine schallaktivierte Zahnbürste waren entscheidend für ein langzeitstabiles Ergebnis.

Die Präparation erfolgte über eine intrasulkuläre Schnittführung von 13 bis 23 unter Erhalt der interden­talen Papillen (Abb. 16). Mit mikrochirurgischen Tunnelie­rungsinstrumenten wurden die Papillen unterminiert (Abb. 17). Im Anschluss erfolgte die Präparation eines Spaltlappens bis über die Mukogingivalgrenze hinaus, um einen suffizienten Weichgewebstunnel zur Aufnah­me des Bindegewebstransplantates zu schaffen. Nach Entnahme des Transplantates wurde das Gewebe in den Tunnel inseriert (Abb. 18). Final wurde der Lappen zusammen mit dem Transplantat nach koronal verschoben und mit mikrochirurgischem Nahtmaterial im Papillenbereich fixiert (Abb. 19).

Ergebnis und Reevaluation

Die Abbildung 20 zeigt das Ergebnis neun Tage post opera­tionem zum Zeitpunkt der palatinalen Nahtentfernung. Es konnte eine vollständige Deckung beider Rezessionen festgestellt werden. Die Nähte im Bereich der Rezession wurden fünf Tage später entfernt. Drei Monate post operationem überzeugte das Resultat durch eine harmo­nische Integration des autologen Gewebes (Abb. 21). Zahn 11 zeigte eine vollständige Deckung, wohingegen an Zahn 21 im Bereich der früheren Stillman-Spalte eine leichte Rezession verblieb.

Schlussfolgerungen

Mit Hilfe der plastischen Deckung lassen sich gingivale Rezessionen langfristig erfolgreich und ästhetisch anspruchsvoll korrigieren. Abhängig vom Lappendesign wurde bei der Therapie der Miller-Klassen I und II eine durchschnittliche Rezessionsdeckung von 84 bis 98 Prozent  nach zwei Jahren festgestellt11,21. Studien zeigen, dass die langfristig besten Ergebnisse durch die Kombination mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat erzielt werden16. Ein wichtiger Faktor für den Langzeit­erfolg ist neben einer detaillierten präoperativen Diagnostik und einer sorgfältigen Patientenauswahl die Eliminierung äußerer Einflüsse. Die Wahl der richtigen Operationstechnik, die klinische Erfahrung des Operateurs und die Compliance der Patienten spielen letztendlich eine entscheidende Rolle21.

Ein Beitrag von Dr. med. dent. Julia Hehn, M.Sc., Lauda-Königshofen und Prof. Dr. med. dent. Stefan Fickl, Würzburg

Berliner Zahnärztetag/7Decades of Quintessence Publishing


Prof. Dr. Stefan Fickl wird am Freitag, 11. Januar 2019, auf dem 33. Berliner Zahnärztetag/International Quintessence Symposium in Berlin zum Thema „Weichgewebsmanagement um Implantate in der ästhetischen Zone“ sprechen. Am Donnerstag, 10. Januar 2019, referiert er auf dem Workshop der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin (DGSZM) über „Parodontale Erkrankungen: Gibt es einen Einfluss auf die Leistung bei Spitzen- und Breitensportlern?“. Mehr Informationen zum Kongressprogramm unter 7decades.com.


 

Literatur


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Quelle: Die Quintessenz, Ausgabe 4/18 Parodontologie Aus dem Verlag

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