Die EuroPerio9, der weltgrößte Parodontologiekongress, ist am Mittwochmittag gestartet. Mehr als 10.000 Teilnehmer aus 111 Ländern bleiben bis Samstag in Amsterdam, um sich in Sachen Parodontitis und Periimplantitis auf den aktuellen Stand zu bringen. Auf der Eröffnungspressekonferenz am Mittwoch, 20. Juni 2018, stimmten Dr. Michèle Reners, Chair des Kongresses, Prof. Bruno Loos als Vertreter des Gastgeberlands, Prof. Anton Sculean, Präsident der ausrichtenden European Federation of Periodontology (EFP), EFP-Generalsekretär Prof. Iain Chapple und Prof. Søren Jepsen vom wissenschaftlichen Beirat der EFP auf das wissenschaftliche Programm ein und stellten die Highlights heraus.
Neue Rekordzahlen bei Abstracts und Referenten
Reners wies darauf hin, dass mit 1.753 eingereichten Abstracts und 134 Referenten neue Rekordzahlen erreicht wurden und betonte den internationalen Charakter des Kongresses. Aus insgesamt 111 Ländern stammen die Teilnehmer und Sprecher, „einer von vieren kommt nicht aus Europa“. Die Top 3 der Länder innerhalb Europas sind die Niederlande, Deutschland und Frankreich, weltweit führen Japan, Brasilien und Mexico die Liste der wichtigsten Länder an. Die EuroPerio findet seit 1991 alle drei Jahre statt und bietet einen umfassenden Überblick über aktuelle Studienergebnisse und Erkenntnisse für die Praxis, präsentiert Leitlinien und gibt Ausblicke auf zukünftige Forschungsschwerpunkte.
Mundgesundheit in den Niederlanden
Prof. Bruno Loos vom Pressekomitee der EFP stellte die Lage zur Parodontitis in den Niederlanden vor. Die Prävalenz schwerer Parodontalerkrankungen liegt hier – ähnlich wie in den anderen nordeuropäischen Ländern und Skandinavien – bei 10 Prozent. Allerdings gehört die Parodontitisbehandlung in den Niederlanden nicht zu den medizinischen Grundleistungen, sie muss privat bezahlt werden – dass die Behandlung dieser chronisch entzündlichen Allgemeinerkrankung noch nicht in die allgemeinen Gesundheitsleistungen aufgenommen wurden „ist eine Schande“, so Loos. Die niederländischen Empfehlungen für die Mundgesundheit beinhalten neben zweimal täglichem Zähneputzen, Interdentalreinigung, jährlichem Kontrollbesuch auch den Hinweis auf Medikamente, die Entzündungen oder Mundtrockenheit fördern können.
Bedarf an interdisziplinärer Forschung steigt weiter
Prof. Anton Sculean, amtierender EFP-Präsident, stellte die European Foundation of Periodontology (EFP) vor. Der erste Kongress dieser Non-Profit-Organisation fand 1991 statt. ihre Ziele sind die Einflüsse der Parodontitis auf die Mundgesundheit, Zahnverlust, Ernährung und Selbstbewusstsein zu beschreiben und die parodontale Gesundheit als wichtigen Part der Allgemeingesundheit im öffentlichen Bewusstsein zu etablieren. Aktuelle Ergebnisse zeigen Zusammenhänge von periodontaler Gesundheit mit kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck, Schwangerschaftskomplikationen und bestimmten Krebsarten. Die EFP sieht den steigenden Bedarf an interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Experten für chronisch-entzündlichen, nicht übertragbaren Erkrankungen. Sein persönlicher Schwerpunkt ist die Mundgesundheit der „Generation 60+“ als eine der in den nächsten Jahren am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe (von derzeit 840 Millionen Menschen im Jahre 2050 auf zwei Milliarden anwachsend).
Zusammenhänge mit anderen Erkrankungen
EFP-Generalsekretär Prof. Iain Chapple ging auf die Belastung des Patienten durch Parodontitis ein. Parodontitis ist die am weitesten verbreitete entzündungsbedingte Krankheit und oft mit dem Auftreten anderer Erkrankungen vergesellschaftet. Chapple demonstrierte die verstärkende Wirkung der Parodontitis auf chronische Nierenerkrankungen: Nicht die Entzündung, sondern der daraus entstehende oxidative Stress beeinflusst die Gesundheit der renalen wie der vaskulären Gefäße. Weitere Studien mit Internisten und Physiologen sind laut Chapple nötig, diese Zusammenhänge zu klären und entsprechende Empfehlungen zu formulieren.
Um diese neue Erkenntnisse bei den Zahnärzten und ebenso bei den Ärzten bekannt zu machen, veranstaltet die EFP mit den internationalen ärztlichen Organisationen Workshops und veröffentlicht entsprechende Empfehlungen sowohl in den entsprechenden ärztlichen wie zahnärztlichen Medien. Gestartet ist man dazu 2018 mit der internationalen Diabetes-Fachgesellschaft.
Highlights und besondere Vorträge
Prof. Søren Jepsen vom wissenschaftlichen Beirat gab einen Überblick über das wissenschaftliche Programm der EuroPerio9 und wies auf besondere Programmpunkte, Studien und neue Vortragskonzepte hin. Neben Perio Talks, also Gesprächen vor Publikum, verheißen die Nightmare Sessions spannende Vorträge: Renommierte Experten stellen hier ihre „Worst Cases“ vor – es darf im Anschluss diskutiert werden. Live-Demonstrationen in plastischer Chirurgie wurden erstmals aufgenommen, auch hier besteht die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen. Interaktive Abstimmungen zum Beispiel über Behandlungsplanungen, 3D-Sessions und ein Contest verschiedener Fälle mit Abstimmung per Social Media bieten viele Gelegenheiten, die EuroPerio aktiv zu begleiten.
Als Highlights stellte Prof. Jepsen die Weltpremiere des neuen 3-D-Films „Periimplantitis and its prevention“ aus der Reihe „Cell-to-cell-Communciation“ am Donnerstagmorgen vor. Am Freitag stehen dann die Berichte aus den Arbeitsgruppen zur neuen Klassifikation der parodontalen Erkrankungen auf dem Programm.