Mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, hoch aktuelle, sehr gute Vorträge mit großem Praxisbezug und spannende Diskussionen – der 35. Berliner Zahnärztetag war am 16. und 17. April 2021 auch als Online-Kongress ein großer Erfolg. Das Tagungsthema Parodontologie war aus vielen Gründen gerade in diesem Jahr hochaktuell.
Zum einen hatten sich die Berliner Zahnärztinnen und Zahnärzte laut einer Umfrage das Thema wiederholt gewünscht: „Parodontitis ist nach wie vor ein großes Thema und eine große Volkskrankheit“, so Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin. „Jeder zweite Erwachsene leidet an einer behandlungsbedürftigen Form der Parodontitis, wobei die Schwere der Erkrankung mit zunehmendem Alter signifikant zunimmt. Umso erfreulicher und wichtiger ist es für die Patientinnen und Patienten und für die Zahnärzteschaft, dass die neue Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen für die gesetzlichen Krankenversicherungen zum 1. Juli 2021 wirksam wird. Damit bekommt unser Kongressthema für die Praxen eine besondere Aktualität“, sagte er zum Kongressauftakt.
Neuerungen in der Parodontologie abgebildet
Bei der Programmgestaltung lag der Fokus der wissenschaftlichen Leiter, Prof. Dr. Henrik Dommisch und Dr. Holger Janssen, beide aus Berlin, auf den Aspekten der parodontologischen Therapie, damit die Zahnärzte nach dem Kongresswochenende die neu gewonnenen Informationen direkt im Behandlungsalltag umsetzen können. Die Diskussion praktischer Fälle im Plenum solle dabei helfen, die neue Leitlinie zu interpretieren und auf Therapieentscheidungen anzuwenden: „Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer können ein spannendes Tagungsprogramm erwarten, welches die Neuerungen für die Therapie der Parodontitis abbildet. Mit diesen Inhalten wird der Berliner Zahnärztetag 2021 allen praktisch und wissenschaftlich tätigen Kolleginnen und Kollegen eine Art ‚Handbuch für die Therapie der Parodontitis‘ präsentieren“, so ihre Ankündigung. Am Samstagnachmittag zu Kongressende war diese Ankündigung in die Praxis umgesetzt – die hohe Zahl der Teilnehmenden bis zum Schluss zeigte, dass Programm und Referenten die Erwartungen erfüllt hatten.
Das Programm orientiert sich dabei am Ablauf einer Behandlung – den Auftakt machte daher ein Vortragsblock zur neuen und in der PAR-Richtlinie anzuwendenden Klassifikation parodontaler Erkrankungen und zur systematischen Parodontitistherapie, wie sie in den neuesten Leitlinien auf internationaler und nationaler Ebene abgebildet wird. Prof. Dommisch diskutierte in seinem Startvortrag die Frage „Wie krank ist mein Patient“? – abgeleitet aus der neuen Klassifikation, die er kompakt aufbereitete und in die neuen Anforderungen der PAR-Richtlinie einordnete. Er erläuterte die Anwendung der neuen Stadien und Grade anhand klinischer Fälle und stellte die Besonderheiten in der Diagnostik und die Bewertung der Befunde heraus.
Prof. Søren Jepsen stellte in seinem folgenden Vortrag die neue Leitlinie zur Parodontaltherapie vor und erläuterte zum Einstieg die Funktion der Leitlinien als Entscheidungshilfe für den Behandler und den Patienten. Erstmals gebe es mit der neuen Leitlinie für die Stadien I bis III der Parodontitis mit vier Stufen einen praxisorientierten Pfad und einen Endpunkt für die Parodontitisbehandlung. Er verwies zur Vertiefung auf die in den „Zahnärztlichen Mitteilungen“ gerade dazu erschienen Beiträge.
Das weitere Programm am Freitag und Samstag folgt dem Weg der Parodontitistherapie – von der Diagnostik mittels Bildgebung über Zusammenhänge mit der Allgemeingesundheit, den Einsatz von Antibiotika, chirurgische Techniken und regenerativer Therapie bis zu interdisziplinären Ansätzen von Kieferorthopädie und Parodontologie, die Implantologie und die Perspektive für die Zahnerhaltung.
Fachlich hochwertiger Input mit Praxisbezug
Der Mix der Referierenden aus Wissenschaft und Praxis sorgte für fachlich aktuellen und hochwertigen Input mit direktem Praxisbezug. Sehr interessant waren die Informationen zur systemischen Antibiose – heute nur noch in Ausnahmefällen indiziert – und zur chirurgischen und regenerativen Therapie. PD Dr. Amelie Bäumer-König riet bei Resttaschen auf jeden Fall zur erneuten Instrumentierung. Ob man dann chirurgisch tätig werde, hänge auch von den eigenen chirurgischen Fähigkeiten und Fertigkeiten ab – die neue Leitlinie jedenfalls sehe die chirurgische Intervention vor. Sie ermutigte alle Teilnehmenden, sich für die Parodontalchirurgie fortzubilden. Ihr spannender Vortrag spiegelte den Stand des Wissens aus den Leitlinien immer wieder in die praktische Anwendung.
Adäquate Prothetik, Langzeitprovisorien nutzen
Ein weiterer wichtiger Aspekt für eine langfristig erfolgreiche Therapie der Parodontitis ist die Wahl einer adäquaten prothetischen Versorgung mit dünnen, supragingival liegenden Kronenrändern und guter Hygienefähigkeit. Das wurde von mehreren Referierenden und in der Diskussion immer wieder herausgestellt. Die Empfehlung: Mit Langzeitprovisorien arbeiten, um die langfristige Stabilität der Parodontaltherapie und die Akzeptanz und Hygienefähigkeit der Prothetik vor der endgültigen prothetischen Versorgung sicherzustellen. Auch chirurgische Kronenverlängerungen zur Reduktion von Resttaschen sind für eine erfolgreiche Therapie eine Option, wie Dr. Raphael Borchard mit vielen wertvollen Erläuterungen zur geeigneten Prothetik vorstellte.
Stimmen von Teilnehmenden
Programm und Angebot haben gepasst, bestätigten auch die positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden an das Veranstaltungsteam des Verlags.
„Vielen Dank, echt gute, kurzweilige Vorträge. Sehr informativ.“
„Danke für diese hervorragende Organisation des ZÄ-Tages. Diese Online-Version gefällt mir sehr, besonders die Möglichkeit der Nacharbeit in den folgenden Tagen.“
„Vielen Dank für die hervorragende Vorbereitung und Begleitung des Kongresses. Das Format und der Kongress selber sind absolut überzeugend.“
„Ich freue mich jetzt schon auf den Kongress im nächsten Jahr und würde mir wünschen, dass das Hybridformat bestehen bleibt, da es mehr Möglichkeiten bietet.“
„Vielen Dank für die gute Organisation und den schönen Kongress.“
Wer seine Teilnahme frühzeitig gebucht hatte, wurde vom Kongressteam des Verlags mit einem kleinen Überraschungspaket auf den Kongress eingestimmt – eine Geste, die ebenfalls sehr gut ankam, wie die positiven Reaktionen dazu zeigten.
Kombinierte PAR-KFO-Therapie
Zahnwanderungen sind mehr als ein ästhetisches Problem – Funktion, Hygiene- und Erhaltungsfähigkeit werden davon beeinflusst. Mit einem abgestimmten Therapiekonzept von Parodontologie und Kieferorthopädie lasse sich eine regenerative PAR-KFO-Therapie bei pathologischer Zahnwanderung (Stadium IV) erfolgreich durchführen, berichtete PD Dr. Karin Jepsen und stützte dies nicht nur mit sehr interessanten klinischen Fällen, sondern auch mit den wissenschaftlichen Ergebnissen der Bonner Studiengruppen.
Der Patient ist Teil des Teams
PD Dr. Christoph Ramseier widmete sich im letzten Vortrag des Programms der Zukunftsperspektive der Parodontalbehandlungen und den vielen Faktoren, die auf die Prognose Einfluss nehmen. Dabei stellte er auch praktische Tools vor. Wie alle Referentinnen und Referenten zuvor betonte er die wichtige Rolle des Patienten, der Teil des Teams seien müsse, wenn eine Parodontitistherapie langfristig erfolgreich sein solle. Die individuellen Voraussetzungen des Patienten, auch seine Wünsche, Fähigkeiten und Erwartungen, müssten unbedingt einbezogen werden, so das allgemeine Credo.
Letzte Session am Samstag war die Diskussion im Vorfeld eingereichter, zum Teil sehr komplexer und interessanter Fälle durch die wissenschaftlichen Leiter und Experten. Intensive Diskussionen mit den Referierenden rundeten das Programm ab.
Der Kongress wurde wie in den Vorjahren gemeinsam von der Zahnärztekammer Berlin und dem Quintessenz-Verlag veranstaltet. Christian Haase, Geschäftsführer der Quintessenz Verlags-GmbH, erklärte: „Natürlich wäre es uns allen lieber gewesen, uns wie gewohnt im Estrel Congress Center zu sehen. Wir sind aber froh, dass es nun diese digitale Alternative gibt und diese auch so gut angenommen wurde“.
2022 hoffentlich live in Berlin und als Hybridformat
Die Wissenschaftlichen Leiter und Kammerpräsident Heegewaldt waren im frisch renovierten Studio im Verlagsgebäude am Ifenpfad in Berlin – „natürlich negativ getestet“ – anwesend, die Referierenden wurden entsprechend zugeschaltet. Für technische Probleme der Teilnehmenden mit der digitalen Plattform stand an beiden Tagen eine Hotline zur Verfügung. Die hohe Zahl der zu Kongressende noch eingeloggten Teilnehmenden und die intensiven Diskussionen bestätigten, dass Programm und Konzept stimmig waren, so Haase. Er hoffe darauf, am 11. und 12. März 2022 hoffentlich alle wieder im Estrel live zum 36. Berliner Zahnärztetag begrüßen zu können. Der Kongress soll dann auch als Hybridformat angeboten werden, um möglichst vielen Interessierten die Teilnahme am Berliner Zahnärztetag zu ermöglichen.
Für die angemeldeten Teilnehmenden stehen die Vorträge im Nachgang noch bis Ende April 2021 als Aufzeichnungen zum Abruf zur Verfügung.