Patienten, die sich einer Parodontaltherapie unterziehen, haben oft einen recht beschwerlichen Weg vor sich: Die verlangten Verhaltensänderungen hinsichtlich der Mundhygiene und eventuell des Rauchkonsums, mehrfache Sitzungen für professionelle Zahnreinigungen und die subgingivale Reinigung sind per se schon kein Vergnügen. Und als ob die Strapazen der unmittelbaren Parodontaltherapie und der damit verbundenen Temperatursensibilität sowie die ästhetischen Einbußen nicht schon genug wären, bringt ein deutlich erhöhtes Kariesrisiko Patienten – und manchmal auch das Behandlerteam – an den Rand der Verzweiflung.
So besteht eine Hauptursache für Zahnverlust während der langen Jahre der Erhaltungstherapie in der kariösen Zerstörung der Zahnhartsubstanz, welche häufig von exponierten Wurzelarealen ausgeht. Wie die erhöhte Kariesinzidenz gerade nach erfolgreich durchgeführter Parodontaltherapie zu erklären ist und ob – und gegebenenfalls auf welche Weise – der drohenden kariösen Zerstörung Einhalt geboten werden kann, wird im folgenden Beitrag aus der Quintessenz Zahnmedizin 3/20 anhand der aktuellen Literatur und in der Praxis bewährter Konzepte dargelegt.
Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.
Ausgangsproblem: Rezessionsbildung und Exposition von Wurzelarealen
Parodontitis ist definitionsgemäß eine in erster Linie chronische Entzündung der Gewebe des Parodontiums. Die häufig generalisierten Entzündungen der marginalen Gingiva manifestieren sich in einer erhöhten Blutungsneigung, die oft dem Patienten selbst auffällt, und gehen mit einer nur selten schmerzhaften Schwellung des Zahnfleischs einher. Durch diese Schwellung einerseits und durch die vom Taschenfundus ausgehende progrediente Zerstörung des Parodontiums andererseits liegt bei ausgeprägter generalisierter Parodontitis eine Gesamtentzündungsfläche vor, die in unterschiedlichen Studien auf 15 bis 75 Quadratzentimeter geschätzt wurde und damit weit größer als beispielsweise die Handfläche des Patienten werden kann26.
Neben dem lokalen und allgemeinmedizinischen Problem der sich in diesem Gebiet abspielenden Entzündung stellt die Gesamtoberfläche der betroffenen Wurzeln gleichzeitig auch ein Areal dar, das sich aufgrund der weichgewebigen Abdeckung der täglichen, durch den Patienten vorgenommenen Mundhygiene selbst bei der allerbesten Compliance entzieht26. Dies erklärt auch, warum es eines der Hauptziele der systematischen Parodontalbehandlung ist, den wichtigsten Surrogatparameter, die parodontale Sondierungstiefe, maximal abzusenken. Dass diese Taschentiefenreduzierung in erster Linie auf eine Schrumpfung des geschwollenen Zahnfleisches zurückzuführen ist und nur in einem kleineren Maße auf neu gewonnenes, klinisch messbares Attachment, haben spätesten seit den 1980er-Jahren die einprägsamen Schaubilder in den Arbeiten von Anita Badersten gezeigt1,2 (Abb. 1).
Es treten also – zusammen mit dem Erfolg der Parodontaltherapie – Rezessionen auf, und vormals abgedeckte Wurzelareale sind fortan dem Milieu der Mundhöhle direkt ausgesetzt (Abb. 2 und 3). Diese Flächen weisen bedingt durch eine Kombination aus drei ganz unterschiedlichen Gründen ein hohes Kariesrisiko auf:
- Oberflächenmorphologie des parodontal vorgeschädigten Gebisses,
- histologische Zusammensetzung der Zahnhartsubstanzen im Wurzelbereich und
- geringe Fluoridierung dieser Oberflächen, die lange Zeit im subgingivalen Bereich für die topische Fluoridapplikation durch tägliches Zahnputzen mit handelsüblichen Zahnpasten unzugänglich waren.
Erschwerter Zugang für die orale Hygiene
Das parodontal vorgeschädigte Gebiss zeichnet sich in Bereichen, die vormals durch Papillen im Interdentalraum gefüllt waren und in denen der Gingivalsaum mit der Schmelz-Zement-Grenze ein weitgehendes Kontinuum bildete, morphologisch durch tiefe Einziehungen und einen oft prominenten Margo gingivae aus. Hierbei handelt es sich um Regionen, die für die Pflege mit konventionellen Zahnbürsten kaum zugänglich sind. Problematisch ist bei den üblicherweise verwendeten Zahnbürsten das nahezu plane Borstenrelief. Insbesondere zervikale Bereiche, in denen das Borstenfeld gleichzeitig mit den Glattflächen des Zahnes auf dem erhabenen Gingivalsaum aufsitzt, und eingezogene Areale im posttherapeutisch verbreiterten Interdentalraum können durch klassische Bürsttechniken nur insuffizient gereinigt werden (vgl. Abb. 3a bis c).
Wirklich kritisch sind darüber hinaus Furkationsbereiche mit stark konkaven Einziehungen, welche sich optisch und haptisch dem Zugang des ja auch nicht immer hoch motivierten Patienten entziehen24,33. Dennoch kann man davon ausgehen, dass diese Bereiche sich allemal besser reinigen lassen als vor der Parodontaltherapie, als sie noch von – wenn auch losem – Zahnfleisch abgedeckt waren.
Allerdings ist der Pflegebedarf durch die Exposition ein ganz anderer geworden: Wo zuvor im subgingivalen Milieu durch die nahezu ungestörte Reifung des Biofilms und die Entzündungssekrete ein vorwiegend anaerob geprägter Biofilm5 mit deutlich proteolytischem39 Keimspektrum und basischem Milieu13 vorherrschte, entwickelt sich jetzt ein Biofilm mit vorwiegend aerober Komposition11, welcher wie sonst bei Schmelz oder exponiertem Kronendentin Kohlenhydrate zu Säuren verstoffwechseln kann17. Letztere können in der Folge zu einer Demineralisation und, sofern diese die Remineralisation überwiegt, im Weiteren zu einer sich relativ rasch entwickelnden Karies führen18.
Spezifische Zusammensetzung von Zement und Dentin
Es gibt noch ein weiteres Problem: Die Zahnhartsubstanzen der Wurzelbereiche, Zement und Dentin, zeichnen sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung durch wesentlich höhere organische Anteile (Kollagen) aus, was dem Beginn und der Progredienz von Karies Vorschub leistet42. Dazu kommen beim Dentin Tubuli,
in denen kariogene Bakterien in Richtung Pulpa proliferieren können und zu einer raschen pulpalen Beteiligung führen20. Der kritische pH-Wert, unter dem eine Demineralisation von Wurzelzement oder Dentin auftreten kann, liegt entsprechend ungefähr eine pH- Wert-Stufe höher als bei Schmelz23. Dieser Aspekt ist von besonderer klinischer Bedeutung, da somit im Dentin bereits eine Kariesbildung durch die Metabolisierung von Stärke erfolgt30, während die hierbei gebildeten Säuren im Schmelz nicht in der Lage sind, eine Demineralisation zu verursachen34.
Aus präventiver Sicht ist es wichtig, dass aus diesen Gründen bei Dentinoberflächen fünf- bis zehnmal höhere Fluoridkonzentrationen im Vergleich zu Schmelz nötig sind, um eine kariöse Demineralisation zu verhindern42. Wurzelkaries zeichnet sich zudem durch eine seitliche Ausbreitung der Bakterien in das Intertubulardentin aus. Dies führt dazu, dass an der Oberfläche kariesfreie Dentinareale zum Teil massiv unterminiert sein können36.
Schwacher Fluoridierungsgrad der Zahnhartsubstanz
Leider haben genau diese Zement- oder Dentinoberflächen im Gegensatz zu Schmelz keine posteruptive Reifung durchgemacht, welche normalerweise zu einer abgeschwächten Demineralisation unter kariösen Bedingungen führt29. Zu Beginn der Parodontaltherapie sind die Oberflächen im subgingivalen Milieu versteckt9 und für eine kontinuierliche Fluoridapplikation, die durch die meisten Zahnpasten erfolgt und von der die supragingivalen Anteile hinsichtlich der Kariesprävention stark profitieren, weitestgehend unzugänglich35. Infolgedessen bleiben diese Strukturen bis zur Rezessionsbildung sehr schwach fluoridiert und sind daher entsprechend kariesanfällig16. Hinzu kommt ein nicht zu unterschätzender Substanzverlust durch die Bearbeitung der Wurzeloberfläche: Stark ausgeprägt findet sie während der Initialtherapie statt, aber gerade hinsichtlich der erst später einsetzenden wirksamen Fluoridierung der exponierten Oberflächen muss ein weiterer Abtrag im Laufe der lebenslangen Erhaltungsphase besonders berücksichtigt werden7,8.
Prävalenz von Wurzelkaries
Angaben zur Prävalenz von Wurzelkaries schwanken sehr stark. Dies liegt vor allem an den zum Teil deutlichen Altersunterschieden der untersuchten Personen, hängt aber natürlich auch von der Frage ab, ob eine Parodontitis vorgelegen hat und eine entsprechende Therapie mit einhergehender Rezessionsbildung erfolgt ist. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass die Wurzelkariesprävalenz mit zunehmenden Lebensalter ansteigt. Des Weiteren lassen sich die großen Unterschiede in den Prävalenzdaten auf Besonderheiten im Patientenkollektiv, wie sozioökonomische und geografische Unterschiede oder den Aufenthalt in Betreuungseinrichtungen zurückführen.
Eine aktuelle internationale Übersichtsarbeit zur Frage der Wurzelkariesprävalenz zeigt eine entsprechend breite Spanne22. Die dort präsentierten Prävalenzdaten reichen von knapp 20 Prozent10 für Patienten im Alter von 45 bis 97 Jahren bis zu 97 Prozent25 für Patienten über 60 Jahre. Auch die mittlere Anzahl an von Wurzelkaries betroffenen Oberflächen beziehungweise Wurzeloberflächen mit Füllungen je Patient schwankt sehr stark zwischen 2,631 und 10,32.
In der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) aus dem Jahr 2016 konnten bei jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige), jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) und älteren Senioren (75- bis 100- Jährige) Prävalenzen an Wurzelkaries von 11,8 Prozent, 28,0 Prozent respektive 26,0 Prozent beobachtet werden27. In dieser Studie wurde für die gleichen Altersgruppen auch der Wurzelkariesindex („root caries index“ [RCI] = Verhältnis von erkrankten oder sanierten Wurzelflächen zur Anzahl freiliegender Zahnflächen als Prozentwert28) bestimmt. Er betrug bei den jüngeren Erwachsenen 10 Prozent, bei den jüngeren Senioren 13,6 Prozent und bei den älteren Senioren 16,4 Prozent27. Somit zeigt sich auch für Deutschland eine mit steigendem Alter zunehmende Wurzelkariesprävalenz, wobei die kariösen Läsionen entweder schon saniert worden sind oder noch saniert werden müssen.
Diagnostik
Auch hinsichtlich der Diagnostik stellt die Wurzelkaries (Abb. 4 bis 6) große Herausforderungen an den Behandler: Zum einen ist die Lokalisation im Bereich der Infrawölbung der Zahnkrone beziehungsweise im Wurzelareal per se klinisch schwer einsehbar43. Ganz besonders gilt das für die klassischen Kariesprädilektionsstellen in der Region des Approximalraumes und eventuell betroffener Furkationsbereiche. Zum anderen zeigen kariöse Läsionen im Dentin häufig keine für Karies charakteristische Färbung, die sie von den umliegenden Zahnhartsubstanzen unterscheidet und das Augenmerk auf den Defekt lenkt32. Aufgrund der schwächeren Röntgenopazität des Dentins sind initiale kariöse Läsionen in Regionen, in denen in der konventionellen Radiographie häufig Artefakte auftreten (zum Beispiel Aufhärtungsartefakte im Bereich der Schmelz-Dentin-Grenze), radiologisch äußerst unauffällig und können bei der Befundung der Röntgenunterlagen leicht übersehen werden. Auch taktil fällt die Unterscheidung zwischen kariös aufgeweichten Substanzen und der – im Vergleich zu Schmelz – weniger harten gesunden Dentinoberfläche schwerer, als man es von Karies im Kronenbereich gewohnt ist3.
Prävention von Wurzelkaries
Mechanische Maßnahmen
Wie bei der Prävention der Kronenkaries steht auch bei der Vorbeugung von Wurzelkaries die mechanische Entfernung des bakteriellen Biofilms im Vordergrund. Obwohl epidemiologische Studien19,38,44 keinen Zusammenhang zwischen der vom Patienten selbst berichteten Häufigkeit des Zähneputzens und der Wurzelkariesprävalenz zeigen, ist allein aufgrund der Ätiologie der Karies (Bakterien verstoffwechseln Kohlenhydrate zu Säuren, die in der Folge die Zahnhartsubstanzen demineralisieren) eine entsprechende Biofilmentfernung unerlässlich.
Aus parodontologischen Überlegungen scheint die Verwendung von Zahnbürsten mit weichen Borsten vorteilhaft zu sein, da diese weniger Weichgewebsverletzungen als harte Borsten verursachen, wie eine Untersuchung von Zimmer et al.47 ergab. Allerdings gilt es zu bedenken, dass dieselbe Studie beim Einsatz von Zahnbürsten mit mittelharten beziehungsweise harten Borsten eine signifikant bessere Plaqueentfernung im Vergleich zu Zahnbürsten mit weichen Borsten nachweisen konnte. Des Weiteren wurde gezeigt, dass insbesondere bei Dentin, das zuvor einem erosiven Angriff ausgesetzt war, die Verwendung von Zahnbürsten mit weichen Borsten zu einem verstärkten Dentinabtrag führt6. Dies wird damit begründet, dass die weichen Borsten den sogenannten Zahnpastenslurry (Gemisch aus Zahnpaste und Speichel) länger mit den Zahnhartsubstanzen in Kontakt halten. Daher scheint es sinnvoll zu sein, keine Zahnbürsten mit weichen Borsten zu empfehlen.
Der Zugang für die spezifisch schwierigen Bereiche der freiliegenden Wurzelareale erfordert den Einsatz von geeigneten Formen der Borstenträger: Während Okklusions- und Glattflächen sich mit herkömmlichen Bürstenköpfen durchaus suffizient von Biofilm befreien lassen, machen Plaquerevelatoren deutlich die Regionen sichtbar, die von diesen herkömmlichen Hilfsmitteln kaum erreicht werden (Abb. 7). Dabei sind vor allem die charakteristisch vergrößerten Interdentalbereiche unterhalb des Kontaktpunkts („schwarze Dreiecke“) und das unmittelbar an den Margo gingivae angrenzende Gebiet problematisch. Hinzu kommen gegebenenfalls eingezogene oder durchgängige Furkationsbereiche in der Region mehrwurzeliger Zähne. Prinzipiell sind hier alle Gerätschaften hilfreich, die effizient, das heißt innerhalb eines zeitlich angemessenen Rahmens reinigen, ohne die Oberflächen zu beschädigen. Dabei gilt: Weniger ist oft mehr, denn ein bis zwei ausgesuchte, effiziente Putzwerkzeuge stellen die Compliance auf eine weniger harte Probe als ein umfangreiches und vielteiliges Instrumentarium, das den höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt.
Für die beschriebenen, schwierig zu erreichenden Areale hat sich in der Klinik eine Kombination aus zwei Hilfsmitteln bewährt, die zusätzlich zur gewohnten Zahnbürste verwendet werden:
Ein kleines, spitz zulaufendes Nylonbürstchen fügt sich von der Form her gut in die interdentalen Trichter ein (vgl. Abb. 5a bis c). Bei geschickten und sehr motivierten Patienten kann die einfache Handversion („single-brush“) zwar durchaus suffizient sein, aber auf Dauer und bei Personen, die es gern einfacher haben, bietet die schallbetriebene Version Vorteile. Die für die Stillman-Technik typischen feinen Rüttelbewegungen werden von der Maschine erledigt, so dass sich der Patient auf das etwas grobmotorischere Führen des Borstenkopfs entlang des Gingivalsaums sowie eine kreiselförmige Bewegung in allen interdentalen Trichtern von vestibulär und oral konzentrieren kann (Abb. 8a und b).
Die Bereiche zwischen Approximalkontakt und Zahnfleischrand lassen sich mit klassischen Interdentalbürstchen in der korrekten Größe suffizient putzen. Hierbei ist die Dicke korrekt gewählt, wenn das Bürstchen straff gegen einen gewissen Widerstand durch den Isthmus geführt werden kann, aber der innen liegende Draht nicht an der Zahnhartsubstanz „sägt“ und der Patient dabei keine Schmerzen hat. Diese Regel gilt genauso für den Bereich durchgängiger Furkationen. Hier kann ein Vorbiegen der Bürsten die Passage unter breiten Molarenkronen enorm vereinfachen. Hinsichtlich der Auswahl des Produktes sollte das Augenmerk eher darauf liegen, welcher Bürstentyp dem Patienten gut in der Hand liegt (langstielige Versionen erschweren das sichere Einführen der Bürstenspitze in die Interdental- oder Furkationsbereiche), als sich blind auf die derzeit noch nicht sehr aussagekräftigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu verlassen, welche marginale Unterschiede in der Putzleistung an Labormodellen4,45 zeigen.
Diese beiden Spezialinstrumente muss der Patient zwar nur ein einziges Mal pro Tag, dafür dann aber mit größter Gewissenhaftigkeit einsetzen. Hiermit kommt man seiner Compliance maximal entgegen, ohne aus wissenschaftlicher Sicht zu nachlässig zu sein: Da Biofilm deutlich länger als 24 Stunden braucht, um aus parodontologischer oder kariologischer Sicht pathogen zu werden, stellt diese Maßgabe einen validen Kompromiss dar.
Bei den verwendeten Zahnpasten sollten eher solche mit einem niedrigen RDA-Wert (RDA = „relative dentine abrasion“) empfohlen werden41, da sie per definitionem eine geringere Dentinabrasivität aufweisen. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Abrasivität von Zahnpasten mit Handzahnbürsten21 bestimmt wird und beim Einsatz elektrischer Zahnbürsten wegen deren zusätzlicher Bewegung (rotierend oder oszillierend) deutlich ansteigen kann. Aus diesem Grund ist es ratsam, bei der Verwendung von elektrischen Zahnbürsten ganz besonders auf einen niedrigen RDA-Wert der Zahnpaste zu achten.
Chemische Maßnahmen
Zur Prävention und „Therapie“ (Arretierung) von Wurzelkaries sollte einer hoch konzentrierten Fluoridzahnpaste (5.000 ppm F-) der Vorzug vor einem normal konzentrierten Präparat gegeben werden. Die Verwendung einer solchen Fluoridzahnpaste zeigte in diversen Studien im Vergleich zu konventionellen Zahnpasten mit maximal 1.450 ppm F- einen signifikant besseren Effekt hinsichtlich der Arretierung von Wurzelkaries, der Verringerung der Anzahl an aktiven Wurzelkariesläsionen beziehungsweise der Erhärtung von Wurzelkaries (Arretierung)14,37,46.
Für den professionellen Einsatz in der Zahnarztpraxis stehen Präparate wie Fluoridlacke, Silberdiaminfluorid und Chlorhexidinlacke zur Verfügung. Eine Studie aus dem Jahr 2010 hat ergeben, dass die Applikation von Natriumfluoridlack (5.000 ppm F-) oder einprozentigem Chlorhexidinlack alle drei Monate die Entstehung neuer Wurzelkaries bei Patienten in Altenheimen über einen Zeitraum von drei Jahren genauso gut verhinderte wie die einmal jährliche Anwendung von 38-prozentigem Silberdiaminfluorid40. Letzteres hat jedoch den nachteiligen Effekt, dass es zu einer Oxidation der Präzipitate auf der Zahnoberfläche und damit zu dunklen Verfärbungen kommt. Allerdings sind Verfärbungen der Zähne und Geschmacksirritationen auch als Folgen des Einsatzes von Chlorhexidinpräparaten bekannt.
Schlussfolgerungen
Die im Zuge der Parodontaltherapie freigelegten Wurzeloberflächen sind schwach fluoridiert und bereits bei einem moderaten Abfall des pH-Wertes kariesanfällig. Gleichzeitig werden die Oberflächen bedingt durch die Rezessionen von kariogenem Biofilm besiedelt, während die veränderte Morphologie schwerer für die Pflege zugänglich ist. Die Kombination aus dem Einsatz spitzer, schallgetriebener Bürstenköpfe und der Anwendung von Zahnpasten mit hohem Fluoridanteil stellt einen pragmatischen Ansatz dar, um in der parodontalen Unterstützungsphase die Kariesinzidenz gering zu halten.
Ein Beitrag von PD Dr. Philipp Sahrmann und PD Dr. Florian Wegehaupt, beide Zürich, Schweiz
Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de