Zusammenbringen, was zusammengehört – in der European Association of Dental Technology (EADT) e.V. vereinen sich Zahnärzte, Zahntechniker, Dentaltechnologen und Wissenschaftler. Ihr Ziel ist der gewinnbringende Austausch und der praxisorientierte Wissenstransfer. Auf dieser Intention basiert auch die Idee des Team-Day, der am 7. Juli 2018 zum ersten Mal veranstaltet wurde. Das populäre Fokusthema „Zirkonoxid“ lockte mehr als 70 Teilnehmer nach München. Nomen est omen – seinem Namen wurde der Team-Day nicht nur durch die gemischte Zuhörerschaft aus Praxis, Labor und Wissenschaft gerecht. Auch die Referenten-Teams setzten sich aus den unterschiedlichen Professionen zusammen und beleuchteten das Material Zirkonoxid in all seinen Facetten.
Zirkoniumdioxid: Praxis, Labor, Dentaltechnologie
Den Anfang machte der Präsident des EADT e.V., ZTM Andreas Kunz (Berlin), mit Dr. Insa Herklotz (Charité Berlin). Die beiden gingen auf das Zusammenspiel Praxis und Labor ein und stellten mithilfe der wissenschaftlichen klinischen Datenlage und eigener Patientenfälle ihr Vorgehen im Umgang mit Zirkoniumdioxid vor. Insbesondere in der Implantatprothetik gilt für das Referententeam Zirkoniumdioxid als Material der Wahl. Gewebeverträglichkeit, mechanische und lichtoptische Eigenschaften – die verschiedenen Anforderungen an Zirkoniumdioxid wurden von den Referenten beleuchtet und ein Fazit gezogen. Als ästhetischen Vorteil erachten beide insbesondere, dass im Bereich der Gingiva zahnfarbenes Material (abhängig vom Grad der Transparenz) Vorzüge hat. Hinsichtlich der Gewebeverträglichkeit erachten sie Zirkoniumdioxid als gleichwertig mit dem Goldstandard Titan. Technische Komplikationen werden durch eine materialgerechte Verarbeitung verhindert. Grundsätzlich plädieren sie dafür, die Materialwahl in das patientenabhängige Behandlungskonzept einzubeziehen, welches gemeinsam diskutiert wird.
Rohlinge mit Niveau: Zirkoniumdioxid-Blanks
Wieviel Know-how wirklich in dem kleinen weißen Blank steckt, zeigte der Dentaltechnologe und Leiter der Entwicklung Falko Noack (Koblach). Er ging auf die Herstellung von Zirkoniumdioxid-Rohlingen ein und führte eine Vielzahl von Qualitätsmaßstäben auf, die es von Seiten der Hersteller zu berücksichtigen gilt. Zirkoniumdioxid definiere sich nicht nur über Festigkeit und Biokompatibilität; das seien normative Werte. Relevanter für den Anwender seien anwendungsbezogene Eigenschaften (zum Beispiel Fräsbarkeit, Kantenstabilität, Einfärbbarkeit, Verblendbarkeit) und das Wissen um das Material.
Daten und Internet
„You are wanted“ - so der Titel des Vortrags von Tom Weinert (München), der mit seinen amüsanten Ausführungen zum Nachdenken anregte. Der Polizeiinspektor und Experte für Internetkriminalität ging auf die digitale Identität im Internet ein. Im Fokus seiner Ausführungen standen das Darknet, soziale Netzwerke, Datensicherheit, Internetkriminalität und viele alltägliche Dinge aus unser aller digitalen Lebenswelten. Er sensibilisierte eindringlich für den sorgsamen und überlegten Umgang mit persönlichen Daten im Internet.
Zirkoniumdioxid: Zahnfarbe, Wissenschaft und die Generationen
Einen besonderen Vortrag hielten Nina Lümkemann (LMU München) und ZTM Bastian Wagner (München). Die Werkstoffwissenschaftlerin und der Zahntechniker gaben sich einen kleinen Schlagabtausch und argumentierten, warum der Zahntechniker sich mit Wissenschaft beschäftigen sollte und warum Wissenschaft den Zahntechniker brauche. Eindrucksvoll visualisierten sie anhand eines Patientenfalls das Thema Zahnfarbe und hier insbesondere den Helligkeitswert. Was beeinflusst zum Beispiel die Wirkung des Lichts im Zirkoniumdioxid? Referentin Lümkemann erläuterte das Prinzip der Streuung sowie der Korngröße und deren Einfluss auf die Transluzenz. Zahntechniker Wagner zeigte sein Vorgehen beim Verblenden eines Frontzahns. Er arbeitet nach den Farbwerten innerhalb des Lab-Wertes und mischt seine Dentinmassen orientierend am jeweiligen Helligkeitswert selbst an. Beide plädierten dafür, dass die Interpretation der patientenindividuellen Zahnfarbe anhand spezifischer Werte in die Materialwahl einfließen muss.
Ein Heimspiel hatten auch PD Dr. Bogna Stawarczyk und Dr. Anja Liebermann (beide LMU München). Ihre Aufgabe war es, Zirkoniumdioxid aus Sicht der in-vitro und in-vivo-Wissenschaft zu beleuchten. Zunächst erläuterte Stawarczyk die Unterschiede zwischen den verschieden hergestellten Zirkoniumdioxid-Rohlingen, zum Beispiel in Bezug auf die Festigkeit, Weibull-Modul und Korngröße. Referentin Liebermann gab einen ausführlichen Überblick in die wissenschaftlichen klinischen Studien. Sie schlussfolgerte, dass kaum Gerüstfrakturen auftreten, sondern Chipping innerhalb der Verblendung das Problem sei. Sie zitierte eine aktuelle Studie mit 10-Jahres-Daten, deren kumulative Überlebensraten bei Zirkoniumdioxid-Brücken bei 91,3 Prozent lagen. Die Komplikationen führte sie auf das zum damaligen Zeitpunkt sehr junge Material und die geringen Anwender-Erfahrungen zurück. Bogna Stawarczyk erklärte, was Chipping ist und wie Chipping entstehen kann. Korrekte Konstruktion, Einhalten der Brennparameter, wenig Nacharbeit am gesinterten Gerüst und eine keramikgerechte Nacharbeit nach dem Einschleifen an Kontaktflächen können das Risiko dieser Frakturen minimieren! Oder man verzichtet auf die Verblendung. Es wurden die verschiedenen monolithischen Zirkonoxid-Generationen von 1 - 4 Link vorgestellt und darauf verwiesen, dass die wissenschaftliche Datenlage, insbesondere bei den neuen Materialien (3. und 4. Generation), noch spärlich sei. Liebermann fügte hinzu, dass erste klinische Untersuchungen zur 2. Generation von Zirkoniumdioxid für monolithische Restaurationen gute Prognosen zeigen. Klinische Studien zur 3. oder 4. Generation sind zum heutigen Zeitpunkt unbekannt.
Zirkoniumdioxid: Implantatprothetik und Befestigung
Das Referenten-Team Dr. Peter Gehrke (Ludwigshafen) und ZT Carsten Fischer (Frankfurt) lebt seit Jahren vor, wie bereichernd Teamwork sein kann. Die beiden beschäftigten sich in ihrem Vortrag mit Zirkoniumdioxid in der Implantatprothetik und gingen speziell auf zweiteilige keramische CAD/CAM-Abutments ein. Unter anderem die „Attraktivität“ von Zirkoniumdioxid für das Weichgewebe lege nahe, das Material auch im Bereich des temporären Implantatzahnersatzes einzusetzen. Sie sensibilisierten dafür, dass das biokompatible Zirkoniumdioxid jedoch nur seine Vorzüge voll ausspielen kann, wenn alle Parameter innerhalb des gesamten Herstellungsprozesses stimmen. Dazu gehöre unter anderem die Abutmenthygiene (Reinigungsprotokoll) und die adäquate Oberflächentopografie (0,2 bis 0,5 µm) im basalen Bereich. Ihre Botschaft: Wir brauchen eine präzise Definition, die den jeweiligen Herstellungsprozess beschreibt und differenziert. Denn, so Peter Gehrke, CAD/CAM-Abutments zeigen system- und herstellungsbedingte Qualitätsunterschiede.
Aktuelle Datenlage
Die Befestigung von Zirkoniumdioxid-Restaurationen im Mund ist ein brisantes Thema und untrennbar mit der Werkstoffkunde verbunden. Prof. Dr. Matthias Kern (Universität Kiel) stellte die aktuelle wissenschaftliche Datenlage vor und konstatierte, dass die Zementierung von Zirkonoxid-Restaurationen (Kronen, Brücken) State of the Art sei. Voraussetzung für eine langzeitstabile Befestigung mit Zementen sei eine ausreichende Retentions- und Widerstandsform des Pfeilerzahns, betonte Kern mehrfach. Zum adhäsiven Verbund rät er immer dann, wenn die Befestigung im Schmelz erfolgt. Am Beispiel der Adhäsivbrücke stellte er sein Vorgehen beim Kleben dar. Der Referent betonte, dass ein vorsichtiges Korundstrahlen des Gerüstes vor dem Einsetzen in der Praxis erfolgen sollte, um die Gefahr von Kontaminationen zu verhindern. Zum Befestigen sollten immer ein Adhäsivsystem oder Befestigungskomposit mit Phosphatmonomer (hohe Reaktivität) verwendet werden.
Fazit
Die gute Nachricht: Zirkoniumdioxid ist eines der vielfältigsten dentalen Materialien! Die schlechte Nachricht: Eines für alles gibt es nicht! Es muss für jede Indikation das passende Material gewählt und nicht das Material an die Indikation angepasst werden. Wichtig für den Anwender sind fundiertes Wissen um Materialwahl, Verarbeitung (Praxis, Labor) und Studienlage. Sharing is caring – das war das Motto des Team-Day und es ist den Referenten wunderbar gelungen, den Zusammenschluss der Professionen vorzuleben. Nicht zuletzt den aufmerksamen Fragen des Moderators ZTM Siegbert Witkowski (Universität Freiburg) geschuldet, waren auch die Diskussionsrunden nach jedem Vortragsblock eine Bereicherung und verliehen dem Team-Day ein charismatisches Format. Der nächste Team-Day ist bereits in Planung (18. Mai 2019, LMU München).
Annett Kieschnick, München