Das Dilemma der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer am 17. und 18. November 2023 ist an dem greifbar, was in den Reden zu Beginn festgestellt und gefordert wurde – und was dann tatsächlich am intensivsten von den Delegierten diskutiert wurde.
Die Befundaufnahme und die Diagnosen wurden in den Reden und Statements vor allem von Dr. Wolfgang Eßer, Martin Hendges, Dr. Peter Engel, Dr. Romy Ermler, Konstantin von Laffert und auch Prof. Dr. Christoph Benz klar dargestellt und aufbereitet. Kammerpräsidenten wie Dr. Carsten Hünecke aus Sachsen-Anhalt zeigten die Situation deutlich auf. Doch es folgten in den Anträgen und Beschlüssen keine echten Therapiemaßnahmen.
Die Aufforderung, sich nicht im Kleinklein zu verlieren und immer wieder die gleichen Anträge zu stellen, sondern sich mit den großen Herausforderungen zu befassen, kam immer wieder. Aber es blieb dann doch vielfach beim gewohnten Kleinklein. Bei GOZ und Punktwertdiskussion, bei der Ablehnung von Tarifverträgen und dem Widerstand gegen diverse Digitalisierungsvorhaben.
Limitierte Möglichkeiten
Nun ist es leider schon in der Konstruktion der Bundesversammlung angelegt, dass sie in ihrer politischen Diskussion und Außenwirkung limitiert ist. Die Delegierten, die von den Delegiertenversammlungen ihrer Landeskammern in die BV entsandt werden, sind nicht alle in die laufende politische Arbeit ihrer Kammern eingebunden. Das Hintergrundwissen zu vielen Themen ist nicht so umfassend wie bei den Kammervorständen oder gar KZV-Vertretern. Eine kontinuierliche Diskussion und Arbeit ist bei einer Sitzung im Jahr schwer möglich, die spielt sich eher im Gesamtvorstand mit allen Kammerpräsidenten ab.
Unsichtbare Frauen und zu wenig junge Delegierte
Zwar gibt es inzwischen mehr Frauen unter den 168 Delegierten, und es sitzen eine BZÄK-Vizepräsidentin, drei Kammerpräsidentinnen und eine stellvertretende BV-Vorsitzende auf dem Podium, aber die Frauen im Plenum blieben diesmal in den Diskussionen eher unsichtbar. Die BV leidet weiter unter einer Überalterung, die Diskussionen werden vielfach von Männern geführt, die seit Jahrzehnten in der Standespolitik aktiv sind, und nicht wenige Delegierte haben die Zeit ihrer eigenen aktiven Berufsausübung bereits hinter sich. Aber sie wollen und sollen Ansätze, Impulse und kreative Wege entwickeln und diskutieren, mit denen die Kammern mehr junge Kolleginnen und Kollegen zur Niederlassung ermutigen können, ihnen helfen sollen, mit Belastungen aus Bürokratie und Digitalisierung besser umzugehen und dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Gute Wege beschritten
Dabei haben die Kammern und die BZÄK bereits viele gute Ideen entwickelt und umgesetzt. Der nun zwei Jahre im Amt agierende geschäftsführende Vorstand der BZÄK hat hier in einer besseren Zusammenarbeit der Kammern auch gute Wege beschritten. Ein Beispiel dafür ist die von der Kammer Nordrhein entwickelte Werbekampagne für den Beruf der ZFA, die Anfang 2024 von allen Kammern aufgegriffen werden soll. Die Parodontitis-Kampagne greift und wurde auf die neue Situation mit der Budgetierung angepasst, und auch die Initiative proDente sorgt dafür, dass zahnmedizinische Themen ihren Weg in die Öffentlichkeit und zu den Patienten finden.
Probleme an der Spitze
Dass die BZÄK in der aktuell für die Zahnärzteschaft so entscheidenden Zeit der Weichenstellungen in der Politik und im Berufsstand dennoch selbst nicht die Präsenz und Durchschlagskraft nach innen, auf die Straße und an die politischen Entscheider bringt, dürfte aber auch an ihrer allerobersten Führung, dem Präsidenten liegen. Eine frischere Ansprache und mehr zumindest sprachliche Nähe zur Basis im eigenen Berufsstand sind ja kein Fehler. Aber in der Positionierung in der politischen Öffentlichkeit braucht es gerade in diesen Zeiten mehr Ernsthaftigkeit und Tiefe, um als politisches Gewicht ernstgenommen zu werden.
Noch Luft nach oben
Man möchte sowohl dem KZBV-Vorstand als auch dem BZÄK-Präsidium herzlich ein politisches Umfeld wünschen, in dem es für die Zahnärzteschaft mehr positiv zu gestalten und zu berichten gibt. Aber die Zeiten, sie sind nicht so. Sie verlangen einen geraden Rücken, klare Kante, fundierte, klare Ansagen und Geschlossenheit. Und da ist noch Luft nach oben.
Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News, Berlin
Lesen Sie dazu auch den Bericht über die Bundesversammlung: „Seien Sie Influencer für die Niederlassung“.