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„Die Konzepte der investorengesteuerten Z-MVZ sind erschreckend eindimensional!“ – Reinhard Bröker mit einem nüchternen Blick auf einen Hype

Vor gut einem Jahr schlugen die Wellen hoch: Die Heuschrecken sind im Dentalbereich angekommen! Investoren bedrohen die Zukunft der freien Zahnärzteschaft und das Wohl der Patienten, hieß es. Ein kritischer Blick auf die eher ernüchternde Realität.

Die Thesen und Positionen, die die zahnärztliche Standespolitik in dieser Zeit aufgebracht hat und zum Teil bis heute vertritt, marginalisierten die sinnvollen Aspekte von Kettenbildungen (Zukunftsmodelle angesichts der steigenden Zahl von Frauen im Beruf , Kostenlast der Privatpraxis, Nachfrage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, Standardisierungsvorteile von Verbünden/Ketten etc.); das Feindbild, das gegenüber den Private-Equity-Gesellschaften aufgebaut wurde, lief zeitweise auf das unsinnige Dogma hinaus, dass Geld verdienen in der Praxis unethisch sei.

Die über Nacht gestrickte Novellierung des TSVG führte nur dazu, dass die Investoren nun weniger Möglichkeiten in der unstrittig ausblutenden ländlichen Versorgung wahrnehmen können und sich darum umso mehr auf die Ballungszentren konzentrieren müssen, obwohl genau das von den Standesvertretern moniert worden war.

Von verhärteten Positionen zum „Keep cool“

Jenseits der in ihren Positionen verhärteten Diskussion über die Vor- und Nachteile von Z-MVZ und sogenannten I-MVZ, die nur von Dr. Wieland Schinnenburg – Zahnarzt, Rechtsanwalt, Bundestagsabgeordneter der FDP und Mitglied des Gesundheitsausschusses – sachlich und unvoreingenommen auch öffentlich geführt wird, würde ein Blick auf die Hintergründe des Investoren-Engagements ausreichen, um aus der Hysterie einen Keep-Cool-Ansatz zu machen. Alles halb so wild – die Heuschrecken werden sich vermutlich selbst fressen, aber vorher einigen Zahnärzten kurz vor Erreichen der Altersgrenze noch mal einen Schwung Geld auf das Konto überweisen. Vor allem junge Heuschrecken neigen nämlich dazu, ihre Artgenossen zu verspeisen. Und jung sind sie alle, die Heuschrecken im Zahnarztmarkt. Und gefräßig sind sie besonders, wenn sie noch nicht fliegen können. Und so, wie es aussieht, werden sie das Fliegen auch nicht lernen.

Ein Blick auf die erschreckend eindimensionalen Konzepte, die die meisten Investoren im deutschen Zahnarztpraxismarkt umsetzen, zeigt, wie wenig Flugpotenzial vorhanden ist. Aber der Reihe nach.

1. Investoren kennen den Dentalmarkt nicht

Private-Equity-Firmen haben zwar gesehen, dass der deutsche Praxismarkt stark fragmentiert ist (also aus ganz vielen, relativ kleinen Einheiten ohne Verbundbestrebungen besteht), aber ansonsten wissen sie nur sehr wenig von seinen Eigenheiten. Sie wissen nicht, ob und warum die Fragmentierung das Ergebnis eines Einzelkämpferbewusstseins ist, noch, mit welchen dieser Marktteilnehmer ein nicht-fragmentiertes Konzept durchführbar wäre. Sie glauben, dass Praxen letztlich wie kleine Industriefirmen (oder Elektroläden oder Lebensmittelmärkte) funktionieren und durch Standardisierung und Strukturierung egalisiert werden können.

Erfolgskonzepte unterschiedlicher zahnmedizinischer Konzepte kennen sie nur oberflächlich: Implantologie sei rentabel, Kinderzahnheilkunde sei unrentabel, Abrechnungsoptimierung sei gut, Teamzufriedenheit nebensächlich. „Weiche“ Konzepte, Motivationsförderung, Kommunikationsschulung, Ganzheitlichkeits-Ansätze sind ihnen eher suspekt und stehen auf ihrer Agenda (wenn überhaupt) ganz weit unten.

Sie wissen nicht (oder es wird als irrelevant angesehen), dass das einzige, vielleicht vergleichbare Dentalunternehmen, die Laborgruppe Flemming-Dental GmbH, seit Jahrzehnten unterm Strich immer noch kein Geld verdient hat, seinen Gesellschaftern 55 Millionen Euro schuldet und einen Bilanzverlust von mehr als 25 Millionen Euro vor sich herschiebt. Nach zahlreichen Investoren-Aus- und Einstiegen hält sich Flemming-Dental zwar am Markt, konnte aber gegenüber den gewerblichen, ebenfalls stark fragmentierten Dentallaboren nur einen verschwindend kleinen Marktanteil erobern. Nordic Capital, die letztlich Eigentümer von Flemming-Dental sind, scheint das nicht als exemplarisch für den Dentalmarkt zu verstehen, sondern kaufte die im Kölner Raum ansässige Zahnstation-Praxisgruppe mit ursprünglich sechs Standorten, von denen allerdings schon vier (Frechen, Merkenich, Ohligs und Wuppertal) im Laufe des vergangenen Jahres geschlossen werden mussten; allein Solingen und Köln (unter dem smart-teeth-Label) blieben bestehen. Die Praxislabore wurden durch Flemming-Dental-Labore ersetzt.

Mit wenigen Ausnahmen sind die Entscheider bei den Investoren-Ketten keine „Dentaler“. Es sind Menschen aus der Zeitarbeitsbranche, Menschen aus großen Beratungsunternehmen und Kanzleien, selten genug aus der Dentalindustrie, gelegentlich aus dem Depotbereich – aber nach Zahnärzten im operativen Bereich, die echte Entscheidungskompetenz für die Kette haben, sucht man meist vergeblich.

2. Investoren können Excel, aber kein Word

Investoren sind Controller-gesteuerte Einrichtungen, die mit Excel-Sheets arbeiten, in denen sie Umsatzhoffnungen als Prognosen verkaufen. Die Geschäftspläne, mit denen sie arbeiten, sind denkbar einfach gestrickt: Umsatz im Jahr des Kaufes („X“) plus 5 Prozent (oder was auch immer). Und im nächsten Jahr „(X plus 5 Prozent) plus 5 Prozent“. Das wird als Vorgabe kommuniziert und „vereinbart“. Damit das kontrolliert werden kann, müssen Reporting-Strukturen etabliert werden, die eine Abrechnungsassistentin in den Wahnsinn treiben können. Im besten Fall ist das alte Abrechnungssystem noch das von der Zentrale obligatorisch verlangte System, auf das ein SAP- oder Oracle-Modul aufsetzt, das für die Controller die Zahlen „ausliest“, zusammenfasst und visualisiert.

Im schlechtesten Fall muss komplett umgestellt werden – und die Abrechnungsassistentin muss sich eben auf etwas Neues einlassen. Entscheidend ist, dass fünf Tage nach Monatsende eine Auswertung über die Umsätze vorliegt. Wenn nicht: ganz schlecht. E-Mail, Anruf, Druck im Drei-Tage-Rhythmus. Der schnellste Weg, das gesamte Praxisteam gegen sich aufzubringen, besteht darin, Reporting-Strukturen an die Zentrale durchzusetzen.

Wenn man sich die Stellenangebote der von Investoren geführten Z-MVGs in den vergangenen Monaten angeschaut hat, dann suchen Investoren a) Juristen, b) Controller, c) Mergers & Acquisitions-Spezialisten, d) Abrechnungsassistenten. Sie suchen keine Moderatoren, sie suchen keine Teambilder, sie suchen keine Fachleute für Konsensbildung und Motivation. Und weil die Gespräche mit den Zahnärzten und ihren Teams so schwierig und unangenehm sind, suchen sie Regionalmanager, die mit den Praxen „auf Augenhöhe“ die Geschäftspläne „besprechen“.

Wie man mit Zahnärzten spricht, wie man Teams motiviert, wie man die Abrechnungsassistentin befähigt, (zunächst einmal) Quartalsreports zu erstellen, wie man mit dem „Word“ umgeht – davon verstehen Investoren ganz wenig. Sie verstehen etwas von der Auswertung von BWAs und leisten problemlos Analysen, dass der Personalkostenanteil bei der Praxis A viel höher ist als bei der Praxis B. Da sei doch Potenzial für Einsparungen! Dass Praxis A im Ballungszentrum niedergelassen ist und höhere Personalkosten hat als Praxis B im Saarland, wird schon gesehen, aber, aber …. Oder dass Praxis A keine Fluktuation hat, weil gute Leute gutes Geld verdienen wollen, während Praxis B ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitern ist, ja klar, aber, aber …

3. Investoren arbeiten auf halbwichtigen Baustellen

Nichts gegen Compliance und QM-Handbücher, aber für den Erfolg einer Praxis ist das im ersten Schritt nebensächlich. Nur weil die Investoren im Health-Bereich (Pharma, Biotech und Medizintechnik) die Wichtigkeit dieser Elemente gelernt haben, heißt das noch lange nicht, dass daran im Zahnarztbereich der Erfolg hängt. Der Energieverlust in der Praxis, ein neues – anstelle des schon mit hohem Kraftaufwand installierten und funktionierenden Down-to-earth-QM-Systems –, durch die Zentrale vorgegebenes QM-/Compliance-System zu etablieren, ist gewaltig und stößt nachvollziehbar auf Widerstände.

4. Investoren haben keine Ahnung von Einzelunternehmern

Investoren bezweifeln den Erfolg der selbstständigen Unternehmerpersönlichkeit und nehmen kurioserweise an, dass ehemals selbstständige Zahnärzte auch als Angestellte genauso fleißig sein würden, wie vor dem Kauf. Wer ernsthaft glaubt, dass ein zum Beispiel 60-jähriger Zahnarzt, dem man mit viel Geld seine gut laufende Praxis abgekauft hat, genauso weiter arbeitet wie vorher, hat wenig von menschlicher Psychologie verstanden und noch weniger von der Motivation des Zahnarztes, seine Praxis zu verkaufen.

Dieser will eben nicht mehr so viel arbeiten wie früher – und er braucht es ja auch nicht mehr, weil er die Praxis schon versilbert, ja vergoldet hat. Auch wenn die Anteile des Gesamtkaufpreises gestaffelt ausbezahlt werden (Großteil bei Vertragsunterzeichnung, Teil nach X Jahren, letzter Teil bei Praxisaustritt) – die Produktivität des ehemaligen Praxisinhabers wird nachlassen. Dann eben ohne Bonus, dann eben nur Teil des Teils.

Verstärkend kommt hinzu, dass Investoren in der Praxislandschaft jene Praxen gesucht und gefunden haben, deren Inhaber – übertrieben gesprochen – so etwas wie Diven waren und sind. Besondere Praxen, schillernde Zahnärzte, A-Typen, die vor zwei Jahrzehnten viel bewegt haben, aber nun müde geworden sind. Aber so, wie auf der Opernbühne zwei Diven nebeneinander keine leichte Inszenierung ergeben, ist es unendlich schwer, solche Praxen in Praxisverbünde zu integrieren. Die Alt-Stimme wird sich nicht auf den Sopranpart einsingen, und in der Nebenrolle gefällt es ihr schon mal gar nicht. Und letztlich hat sie durch die ärztliche Therapiefreiheit alle Mittel in der Hand, genau die Partitur zu singen, die ihr gefällt.

5. Die Investoren-Versprechen werden nicht wahr gemacht

Das Konzept der Investoren verspricht, dass der ehemals selbstständige Zahnarzt einen Großteil der unattraktiven Verwaltungsaufgaben nun an die Zentrale abgeben und sich voll auf seine Kernkompetenz am Stuhl konzentrieren kann. Das wird schön gerechnet: Wenn die Verwaltung 30 Prozent der Gesamtarbeitszeit ausmacht, diese Arbeitszeit aber zukünftig am Stuhl eingesetzt werden kann, dann springt quasi automatisch der Behandlerumsatz in die Höhe. Bei beispielsweise 180 Arbeitsstunden im Monat also 60 frei werdende Stunden mal 250 Euro Stundenumsatz = 15.000 Euro im Monat, mal elf Monate also 165.000 Euro im Jahr – oben drauf! Toll!

Abgesehen davon, dass dafür auch ein ganzer Schwung mehr Patienten zur Verfügung stehen müsste (und mehr Personal …), ist die Grundannahme falsch: Mit den Investoren in der Praxis nimmt die nicht-zahnärztliche Arbeitszeit nicht ab, sondern zu! Denn für die Umsetzung der Vorgaben der Zentrale ist der Behandler natürlich selbst verantwortlich, Reportings, Besprechungen, Integrationsabsprachen, Kettentreffen, Durchsetzung gegenüber dem Team etc. Und diese Übergangszeit scheint nicht nur ein kurzfristiger Mehraufwand zu sein, den der ehemaligen Inhaber noch zu leisten bereit wäre. Es scheint, dass die ehemaligen Praxiseigentümer unter einem ständigen Rechtfertigungs- und Umsetzungsaufwand zu leiden haben, der leicht mit dem früheren Verwaltungsaufwand mithalten kann.

„Kein Personalabrechnungsaufwand mehr, zentrales Marketing, zentraler Einkauf, zentrales Abrechnungswesen“ – so geht das Versprechen auf den Webseiten und in den Powerpoint-Präsentationen der Investoren. Aber dass das alles im Feintuning nach wie vor vom nun Geschäftsführer/zahnärztlichen Leiter MVZ-Zahnarzt erledigt werden muss, wurde nicht thematisiert. Hinzu kommt, dass die Praxis auf einmal mit Zulieferern und Arbeitsmaterialien arbeiten soll, die sie und das er gar nicht kennt – und gar nicht kennen will, weil er doch ganz gut mit seinen früheren Zulieferern und Materialien gearbeitet hat!

6. Investoren sind zu teuer für die Zahnarztpraxis

Investoren beschäftigen Menschen, die beeindruckende Lebensläufe haben. Tolle Universitäten, Auslandsjahre, ehemalige Mitarbeiter bei den großen Unternehmensberatungen, fließend dreisprachige und promovierte 35-Jährige, hervorragend in der Präsentation und der Analyse betriebs- und volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. Leute mit sechsstelligem Jahresgehalt, selbstbewusst, aber ohne detaillierte Branchenkenntnis, durchsetzungsstark und ergebnisorientiert, perfekte Projektmanager mit IT-Tools, von denen wir noch nie gehört haben.

Diese Mitarbeiter der Private-Equity-Gesellschaften arbeiten nicht mit der kleinen Steuerberaterkanzlei zusammen, die die Praxis zu ihrer vollsten Zufriedenheit schon seit Jahren mit den Jahresabschlüssen betreut hat und mit der man beim Mittagessen den Bilanzentwurf kostenfrei besprechen konnte. Sie arbeiten mit den Großen der Branche zusammen, mit Leuten, die so ähnlich sind, wie sie selbst, und die vergleichbar exorbitante Stundensätze haben. Das mag für profitable Firmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern oder für Großbehörden in Ordnung sein, aber für ein kleines Unternehmen wie eine Zahnarztpraxis (auch mit mehreren Behandlern) ist das ein Problem. Diese Aufwände werden von den Investoren nämlich auf die Einzelpraxis umgelegt und abgewälzt. Ehemalige Praxisinhaber wundern sich darum, dass in ihren BWAs Positionen auftauchen, die ihnen in dieser Höhe den Atem verschlagen.

Das Nachrichtenportal businessinsider.de veröffentlichte im September 2019 eine geleakte Übersicht über die größten Auftraggeber der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) im öffentlichen Sektor. Dort stand die KonfiDents GmbH (Bocholt/Bensheim) mit einem Nettohonorarumsatz von vier Millionen Euro im Geschäftsjahr 2018/2019 gleich hinter dem Verteidigungs- und Verkehrsministerium und noch vor dem Niedersächsischen Finanzministerium! Umgelegt auf die damals gut zehn zahnärztlichen und kieferorthopädischen Standorte bedeutet das einen Beratungsaufwand von fast 400.000 Euro pro Praxis! Das (und die zahlreichen sonstigen Aufwände der Zentrale) muss erst mal von der Einzelpraxis erwirtschaftet werden, bevor der in Aussicht gestellte Bonus für den ehemaligen Inhaber fällig wird.

Während auf dieser Seite Kosten keine Rolle zu spielen scheinen, werden auf der anderen Seite Positionen bemängelt, die vor dem Verkauf natürlich niemand hinterfragt hat. Ein Praxisausflug für die gesamte Mannschaft ins Varieté mit vorherigem Pasta-Essen: „Muss das denn sein?“

7. Investoren unterschätzen die Wichtigkeit des Praxisteams

Patienten merken sehr schnell, ob ein Team gut und gerne zusammenarbeitet und welche Stimmung in der Praxis herrscht; sie haben einen starken Sensor für den in der Praxis herrschenden Teamgeist.

Da die Übernahme einer Praxis durch Investoren keine im Hintergrund laufende Nebensächlichkeit ist, sondern durch die Integrationsvorgaben der Zentrale letztlich doch alle Teammitglieder (wenngleich unterschiedlich stark) betrifft, wird das sensible Zusammenspiel zwischen Behandlern und MitarbeiterInnen empfindlich gestört. Unzufriedenheit, innere Kündigung, Abwanderung der guten Mitarbeiter in andere Praxen sind die Folgen. Offener und unterschwelliger Widerstand gerade der Teammitglieder, die sich seit langer Zeit loyal und engagiert für die Praxis eingebracht hatten, zersetzen die frühere Produktivität und Motivation.

Warum soll man sich noch für die Praxis einsetzen, wenn der Chef einen vergoldeten Ausstieg gewählt hat, die Zentrale neue Strukturen durchdrücken will und man selbst ein kleineres Rädchen im Betrieb geworden ist, das noch dazu undurchsichtige Vorgaben erfüllen soll? Teammitglieder sind nicht austauschbar wie Verkäuferinnen (und auch die sind es nicht), und die Bezahlung wird sich in nächster Zeit voraussichtlich auch nicht verbessern. Da wird die kleine, nette Praxis von nebenan, die neue Mitarbeiterinnen sucht, doch gleich viel attraktiver …

Quadriga Capital, Eigentümer der Zahnärztlichen Tagesklinik Dr. Eichenseer mit ehemals 19, zurzeit 16 Standorten in Süddeutschland, zeigt die Unterbewertung des Teams in krasser Zuspitzung. Gab es noch bis Ende 2018 zu den einzelnen Standorten wenigstens eigene Seiten, die mit namenlosen ZahnärztInnen und Teammitgliedern bebildert waren, ist im aktuellen Internetauftritt der Gruppe weder Bild noch Name von irgendeinem Praxismitglied zu finden. Die Praxis ist nur noch ein geschriebener Standort mit Adresse, Telefon und E-Mail, eine komplett gesichtslose Funktionsangabe. „Von Mensch zu Mensch“, wie es die Internetseite der Gruppe verspricht, geht eigentlich anders. Empfehlungsmarketing auch. Die Internetbewertungen der Eichenseer-Gruppe im Internet fallen dann oft auch entsprechend aus.

8. Investoren unterschätzen die Integrität der Zahnärzte

Viele Abrechnungen einer „normalen“ Zahnarztpraxis sind „optimierbar“, ganz abgesehen von der mitunter unvollständigen Dokumentation und damit auch Abrechnung oder in die Jahre gekommenen Berechnungen der notwendigen GOZ-Steigerungssätze. Kann man nicht da und dort bessere Analogpositionen ansetzen, ist der Hebesatz nicht da und dort nach oben zu „korrigieren“? Könnte man nicht öfter den Gesichtsbogen anwenden und abrechnen? Ist nicht beim ZE mehr machbar? Können nicht ästhetische Verlangensleistungen stärker in der Praxis umgesetzt werden? Alles natürlich im gesetzlichen Rahmen, natürlich keine Übertherapie, natürlich keine Falschabrechnung. Aber den Patienten doch umfassend auch zu den höherwertigen Lösungen beraten.

Investoren sind daran interessiert, bei „kippeligen“ Befunden die Variante vorzuziehen, die für die Praxis wirtschaftlich von Vorteil ist. Investoren und „wirtschaftlich arbeitende Zahnärzte“ arbeiten sich tendenziell lieber in die ZE-Abrechnung ein, als in die langfristigen Vorteile prophylaktischer Maßnahmen.

Dabei unterschätzen Investoren die Integrität der Zahnärzte, die solche Tricksereien grundsätzlich und aus medizinischer Verantwortung ablehnen. Und die Investoren überschätzen die Möglichkeiten, durch Abrechnungsfeinheiten einen dauerhaften und skalierbaren wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen (der von den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und den Kostenträgern viel entschiedener bekämpft werden müsste). Wer im Graubereich der optimierten Abrechnung einen deutlichen Mehrertrag zu erwirtschaften trachtet, übersieht, dass es viele zahnmedizinische Konzepte gibt, die nicht nur ethisch, medizinisch und rechtlich einwandfrei sind, sondern ein viel größeres wirtschaftliches Potenzial bergen, als Fummeleien mit der Gebührenordnung.

Nicht alle gleich, aber vieles ähnlich

Natürlich sind nicht alle Private-Equitiy-Gesellschaften, die sich in die Dentalbranche eingekauft haben, identisch. Die hier beschriebenen Punkte treffen nicht in gleichem Maße auf alle Z-MVZs zu, die Kettenbildung anstreben und im Markt Praxen aufkaufen.

Colosseum dental in Münster macht es anders als Konfidents in Bocholt/Bensheim, DentConnect in München nicht so wie Zahneins in Hamburg, Acura (Frankfurt), die recht schnell über 20 Praxen gekauft haben, anders als dentabene (Freiburg), „Deutschland‘s [sic!] führender Zahnpraxisgruppe [sic!]“ , die mit einem Schweizer Implantathersteller irgendwie heimlich am Markt unterwegs zu sein scheinen. Quadriga (Frankfurt) versucht die guten Bilanzzahlen von Dr. Eichenseer zu verlängern und hat erst kürzlich eine branchenfremde Geschäftsführerin neu installiert, Castik (München) macht erste Erfahrungen mit Alldent und Gimv schaut noch, was geht.

Die einen kaufen, was halbwegs sinnvoll zu kaufen ist, ohne es in ein Gesamtkonzept zu integrieren, die anderen kaufen hauptsächlich Leuchtturmpraxen, wiederum andere interessieren sich besonders für mittelgroße Allerweltspraxen. Dort spielt die Praxislabor-Spur eine Rolle, bei anderen ist sie vollkommen nebensächlich. Manche Investoren haben keine Probleme, die hinzugekauften Standorte zu veröffentlichen, andere halten das für ein zu hütendes Geheimnis.

Der Verband der Investoren, der sich den dick aufgetragenen Namen „Bundesverband für nachhaltige Zahnheilkunde e.V.“ gegeben hat, war zwar vor der TSVG-Novelle als Interessensverband relativ aktiv, hat aber seit mehr als zwölf Monaten auch nichts weiter verlauten lassen und noch nicht mal ein Jahresabschlussprotokoll 2018 zustande gebracht und an alle Mitglieder verschickt.

So einfach ist der deutsche Markt nicht

Aber es scheint sich herauszukristallisieren, dass der deutsche Markt so einfach nicht für eine Kette von Zahnarztpraxen bereit zu sein scheint. Nicht so sehr wegen der Welle, die die Standespolitik gemacht hat (und noch macht), sondern weil es an Konzepten fehlt, die von den Investoren akzeptiert und die von Gestaltern begleitet werden, die die Dentalbranche kennen. Allein die potenzielle Nutzung von Synergieeffekten und zentral abgewickelte Verwaltungsaufgaben sind jedenfalls nicht erkennbar zum Vorteil der Einzelpraxen verwirklicht worden.

Die etwa zehn „Player“ im Investoren-Markt werden sich vermutlich in den nächsten Jahren verringern und sich gegenseitig fressen, bis einige wenige oder gar nur eine Private-Equitiy-Heuschrecke(n) (wie im „Flixbus“-Markt) übrig bleibt/bleiben. Denn die Rentabilität ist angesichts der hohen Kaufpreise und der zurückgehenden Umsätze und Erträge der zugekauften Standorte mehr als unbefriedigend für die Investoren. Sie werden eher früher als später ihr Dentalengagement bedauern und nach Ausstiegsoptionen Ausschau halten. Ein (aus ihrer Perspektive) unterentwickelter Markt versprach zwar eine relativ einfache Penetration, stellt sich aber zunehmend als Kostenfalle und Investitionsrisiko heraus.

Summit-Partners hat sich bei Zahneins (Hamburg) schon aus dem Dentalmarkt verabschiedet und noch mitgenommen, was es mitnehmen konnte. Andere werden in naher Zukunft folgen und hoffen, dass neue Investoren in ihrer Blauäugigkeit bereit sind, trotz roter Zahlen und waghalsiger Prognosen noch gute Kaufpreise für eine Klein-Kette anzubieten. Die Neuen versprechen sich bessere Umsatz- und Marktanteile und glauben, dass sie das sinkende Bötchen schon wieder flottbekommen werden, weil sie stärker von ihren eigenen Excel-Tabellen, Reporting-Abläufen und Kapitalumschichtungskompetenzen überzeugt sind.

Es bleibt abzuwarten, ob die von Investoren gesteuerten Ketten Konzepte entwickeln, die tatsächlich einen Mehrwert im Markt der Zahnmedizin darstellen. Das nur könnte die großen Vorbehalte neutralisieren und den Branchenteilnehmern signalisieren, dass eine Kette nicht ausschließlich wirtschaftliche Zwecke verfolgt, sondern auch Praxiskonzepte entwickelt, die Patienten, Zahnärzten, KZVen, Kammern und Kostenträgern als wertvoll und sinnhaft erscheinen.

Reinhard Bröker, Freising

Reinhard Bröker unterstützt mit seiner Beratungs- und Marketingfirma Unique-Dental (Freising) seit fast 20 Jahren Zahnarztpraxen, Dentallabore und Dentalindustrie in Deutschland. Er ist vielen noch bekannt durch seine Analyse zu Werner Brandenbuschs „McZahn“-Kette, in der er vor mehr als zehn Jahren die Machenschaften des suspekten, inzwischen durch Suizid verstorbenen Gründers aufdeckte. Kontakt zum Autor: r.broeker@unique-dental.de.


Foto: (Foto: Unique-dental)


Titelbild: Freedomz/Shutterstock.com
Reference: Quintessence News Politik Praxisführung Wirtschaft Studium & Praxisstart

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