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72 Prozent wollen früher aufhören – KZBV sieht in Umfrage drohende Gefahr für flächendeckende und wohnortnahe zahnärztliche Versorgung bestätigt

Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges stellte erste Zahlen aus der Umfrage auf der KZBV-Vertreterversammlung am 6. Juni 2024 in Frankfurt (Main) vor.

(c) Quintessence News

Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (58 Prozent) an einer aktuellen Umfrage unter niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte würden sich heute nicht mehr niederlassen. Ein noch höherer Anteil (72 Prozent) überlegt, vorzeitig aus der Versorgung auszuscheiden. Dabei erachten nahezu 100 Prozent ihre Arbeit als sinnvoll und nützlich.

Die Niederlassung in der eigenen Zahnarztpraxis hat offenbar stark an Attraktivität verloren. Das geht aus einer repräsentativen Online-Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in Zusammenarbeit mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) hervor. In Auszügen vorgestellt wurde die Umfrage vom KZBV-Vorstandsvorsitzenden Martin Hendges schon auf der Vertreterversammlung der KZBV am 5. und 6. Juni 2024 in Frankfurt (Main) und auf der Mitgliederversammlung des Deutsche Zahnärzte Verbands am 12. Juni 2024 in Köln.

Viel Bürokratie und schlechte Digitalisierung, weniger Zeit für Patienten

Grund für die hohe Unzufriedenheit innerhalb der Zahnärzteschaft sind vor allem die aktuellen Rahmenbedingungen: Knapp 97 Prozent der befragten Zahnärztinnen und Zahnärzte fühlen sich durch die Vielzahl an bürokratischen Aufgaben überlastet, rund 81 Prozent sehen ihren Praxisablauf infolge einer praxisfernen Digitalisierung beeinträchtigt. Beide Faktoren führen zusammen mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel dazu, dass fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Zeit für ihre Kernaufgabe – die Patientenversorgung – eingeschränkt sehen.

Gekürzte Mittel verschärfen die wirtschaftliche Lage

Die Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) und der damit verbundenen Budgetierung verschärfen die Situation in den Praxen weiter. Drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, von den Honorarkürzungen bereits betroffen zu sein. Zwangsläufig müssen die Praxen ihre Abläufe daher anpassen, was bei 87 Prozent bereits sogar zu Einschränkungen in der Patientenversorgung führt. Längere Wartezeiten auf einen Termin sind die Folge. Mit einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage noch in diesem Jahr rechnen fast 90 Prozent.

 

 

Forderungen der Zahnärzteschaft spiegeln reale Probleme wider

„Diese Befragung zeigt eindrucksvoll, dass unsere Forderungen nach weniger Bürokratie, nach einer tragfähigen Finanzierung, nach einer praxistauglichen Digitalisierung und nach Abschaffung der Mittelbegrenzung keine haltlosen Lobbyisten-Klagen sind, wie es Bundesgesundheitsminister Lauterbach wiederholt behauptet“, erklärt der KZVBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges. „Diese Ergebnisse spiegeln die ganz realen Probleme und Sorgen der Praxen wider. Wir haben Minister Lauterbach bereits frühzeitig Lösungsvorschläge unterbreitet. Seine Vorstellung der Problemlösung, nämlich ein Wechsel hin zu einem staatlich gelenkten Gesundheitssystem, wird keine Abhilfe schaffen. Im Gegenteil!“

Fast drei Viertel fühlen sich ausgebrannt

Fast drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlen sich bereits jetzt „ausgebrannt“, zumal sie immer mehr Patientinnen und Patienten von Praxen übernehmen müssen, die aufgeben bzw. ihre Arbeitszeit reduzieren. Zudem sehen 97 Prozent keine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Politik.

Kein Anreiz zur Niederlassung – 90 Prozent befürchten, keinen Nachfolger zu finden

„Mein Blick geht sorgenvoll in die Zukunft“, so Hendges weiter. „Wenn sich so viele Kolleginnen und Kollegen am Limit sehen und mit dem Gedanken spielen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen, ist das ein eindeutiger Beweis für schlechte Rahmenbedingungen und damit auch nicht der dringend notwendige Anreiz für den zahnärztlichen Nachwuchs sich niederzulassen.“ 90 Prozent befürchten daher auch laut Stimmungsbarometer, keine geeignete Nachfolge für die Praxis zu finden.

Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen

„Gerade aber die selbstständig und freiberuflich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte bilden das Fundament einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen zahnärztlichen Versorgung. Mit einer durch staatszentrierte Großstrukturen organisierten Versorgung wird es nicht funktionieren, das bewährte Versorgungsniveau aufrechtzuerhalten. Die Unabhängigkeit von Weisungen und Interessen Dritter sowie die fachliche Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Berufsausübung machen den Kern der Freiberuflichkeit aus“, betont Hendges und fordert daher von der Politik gute und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen. Daran führe kein Weg vorbei. In einigen Regionen zeige sich bereits heute exemplarisch, wie schlecht es um die wohnortnahe zahnärztliche Versorgung bestellt ist. Aber selbst dort, wo auf dem Papier aktuell noch eine gute Versorgungslage vorherrsche, dürfte es künftig eng werden – wenn die Politik nicht umgehend gegensteuert.

Wie der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, auf der KZBV-Vertreterversammlung am 6.Juni 2024 berichtete, decken sich diese Ergebnisse weitgehend mit den Zahlen, die das Zi regelmäßig bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten erhebt. Auch hier zeige sich eine hohe Belastung der Praxen, werde eine fehlende Wertschätzung beklagt, fehle es an Nachfolgern und werde von rund 70 Prozent angegeben, dass sie ein früheres Ausscheiden aus der Praxis erwägen.

Hintergrund zur Online-Befragung

Eine Einladung zur Teilnahme an der Online-Befragung erhielten alle zugelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren auf Basis der bundesweiten Daten, von denen sich 12,2 Prozent beteiligt haben. Die Befragung lief vom 18. April 2024 bis zum 20. Mai 2024; das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lag bei 53,8 Jahren. 82 Prozent von ihnen sind in einer Einzelpraxis tätig, 16 Prozent in einer Berufsausübungsgemeinschaft und die übrigen in einem Medizinischen Versorgungszentrum.

 

Reference: Politik Praxis Studium & Praxisstart Nachrichten

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