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Was Coronabonus und Tarifvertrag miteinander zu tun haben – Dr. Uwe Axel Richter fordert mehr als demonstrativen Beistand

(c) shutterstock.com/Wirestock Creators

Was haben Katzen und populistische politische Ideen gemeinsam? Katzen sollen sprichwörtlich über sieben Leben verfügen, was auch für unsinnige politische Ideen gilt.

Aktuell erfährt die steuerfinanzierte Coronaprämie eine weitere Steigerung auf der nach oben offenen Skala politischer Unsensibilität. Denn nun soll es diesen neben den Krankenschwestern und Pflegenden auch für die durch Corona besonders belastete Berufsgruppe der Beamten geben. Nein, nicht nur für Gesundheitsämter oder Polizei, sondern für alle Beamtinnen und Beamte. Für die Mitarbeiterinnen in der ambulanten Medizin und Zahnmedizin bleibt trotz der vielen Proteste nur der Katzentisch. Wenn überhaupt.

Negative Folgen für die Berufe ZFA und MFA

Folgenlos wird diese unsägliche Situation nicht bleiben – weder für die derzeitig in den Praxen Angestellten, den potenziellen beruflichen Nachwuchs noch die Niedergelassenen. Denn Werbung für den Beruf der Medizinischen (MFA) und zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) ist dieser politische Hickhack weiß Gott nicht, vielmehr das genaue Gegenteil. Tenor: ZFA und MFA haben einen hohen und in Krisenzeiten extrem hohen Arbeitsdruck, die Bezahlung ist schlecht und sie werden in ihren Leistungen nicht ernst genommen. Also eher Sprechstundenhilfe als qualifizierte ZFA beziehungsweise MFA.

Bewusstsein für die Problemsicht der eigenen Mitarbeiter schärfen

Die Briefe respektive Auszüge aus den Briefen, die den Verband medizinischer Fachberufe (VmF) zu diesem Thema von den medizinischen und zahnmedizinischen Angestellten erreichen und auf der Homepage veröffentlicht werden, sprechen nicht nur Bände, sondern sollten auch als Fingerzeig dafür verstanden werden, das Bewusstsein für die Problemsicht „der eigenen“ Mitarbeiterinnen zu schärfen. Jedem, ob Praxisinhaber oder standes- und berufspolitischem Funktionsträger, sei die Lektüre nahegelegt. Und insbesondere auch denen, die zukünftig in ihrer Praxis gegen Corona impfen wollen.

Deshalb sind die klaren und in ihrer Wortwahl deutlichen Stellungnahmen seitens Berufs- und Standespolitik enorm wichtig, haben diese doch eine Außen- und eben auch eine Innenwirkung. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) spricht von „voller Solidarität mit zahnmedizinischen und medizinischen Angestellten“ und unterstützt die Aktionen und Protestkampagne des Verbands medizinischer Fachberufe „MFA am Limit“ und „ZFA im Nebel“. Auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) äußert sich gemeinsam mit der Bundesärztekammer (BÄK) mit klaren Worten und fordert angesichts des Dauerstresses, den Aggressionen und des Mehraufwands Achtung und staatliche Anerkennung für alle Fachangestellten in den Praxen.

Verunsicherung der Menschen „landet“ in den Praxen

Apropos Aggressionen und Mehraufwand durch Corona: Politik wie auch Medien haben Ihren Anteil an einer nachhaltigen Verunsicherung und erheblichen Coronaängsten in der Bevölkerung – auch wenn diese dazu dienen sollte, der Impfkampagne „Flügel zu verleihen“. Die damit verbundenen Aufwände und emotionalen Unwuchten müssen jedoch von den Mitarbeitern in den Praxen bewältigt werden, ebenso die Folgen des Impfstoffmangels etc.  BZÄK, BÄK, KZBV fordern daher gemeinsam mit dem VMF, die Praxisangestellten selbstverständlich ebenfalls mit einem staatlichen Bonus zu unterstützen.

Ausbleibender Bonus verlangt Handeln von den Chefs

So weit so richtig. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass die Politik in naher Zukunft in dieser verfahrenen Causa mit Bedacht und rational agieren wird? Unterstellt, die Regierungskoalition bleibt trotz der guten Argumente auf diesem Ohr taub, dann stehen die Mitarbeiterinnen nach wie vor mit dem ungelösten Problem in der Praxis. Oder genauer, sitzen vor dem Schreibtisch ihrer Chefin oder ihres Chefs und erwarten eine wertschätzende Ansage respektive Lösung. Und die sitzen dann in der Zwickmühle: Entweder sie zahlen aus ihrem Praxisgewinn den Bonus, den andere Branchenteilnehmer steuerfrei „geschenkt“ bekommen, oder haben ein mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaftes Problem mit ihren Arbeitnehmern, die ja die Zusatzarbeit real geleistet haben.

Kein Arbeitgeber kann es sich angesichts des Fachkräftemangels und der bereits seit Jahren bestehenden erheblichen Probleme in der Rekrutierung von Auszubildendennachwuchs leisten, die „Mobilität seiner Mitarbeiter zu boostern“. An einer wie auch immer gestalteten beziehungsweise bemessenen Prämie wird eine Praxis daher kaum vorbeikommen.

Kammern müssen bei Tarifpartnerschaft Farbe bekennen

Für die BZÄK beziehungsweise die Zahnärztekammern wirft die in dieser verfahrenen politischen Situation erklärte Solidarität mit dem VmF – die nach meiner Überzeugung im besten Sinne alternativlos ist – eine seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, durch weitestgehende Absenz beantwortetet Frage auf: Wie halten sie es mit der Tarifpartnerschaft? Derzeit sind nur vier von 17 Kammern in der AAZ, der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen für Zahnmedizinische Fachangestellte, zusammengeschlossen: Hamburg, Hessen, Westfalen-Lippe und Saarland. Organisatorisch ist die AAZ bei der Kammer Westfalen-Lippe angesiedelt.

Ein flächendeckender Tarifvertrag existiert daher nicht. Die jeweils gültigen Manteltarif- und Vergütungstarifverträge können als Richtschnur für die Gehälter in der Praxis dienen, sind aber freiwillig. Daran ändert auch die Mitgliedschaft der eigenen Kammer in der AAZ nichts.

Hervorragende Mitarbeiter gibt es nicht zum Mindestlohn

Lassen wir es daher an dieser Stelle dahingestellt sein, wie stark so ein Signal aussieht. Fakt ist, dass die Arbeitswelt massiv im Umbruch und der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern kein Märchen ist. Zudem ist für die Berufswahl das Image eines Berufes eine wesentliche Größe. Auch ein starker Berufsstand wie die Zahnärzteschaft braucht gute, besser noch hervorragende Mitarbeiter. Dass man diese nicht für den Mindestlohn bekommen kann, bedarf eigentlich keiner Erwähnung mehr.

Eigentlich! Abschließend ein aktuelles Zitat aus den erwähnten Briefen von ZFAs und MFAs an den VmF:

„Gehalt und Anerkennung. Das ist wohl der wichtigste Punkt. Leider verdienen die Helferinnen sehr wenig. Ich war trotz Vollzeit-Stelle immer kurz über dem Mindestlohn. Das kann nicht sein. Wir müssen am Telefon herausfinden, wie schlimm der ‚Notfall‘ tatsächlich ist, müssen ‚Seelsorge‘ leisten. Wir impfen, nehmen Blut ab, machen alle notwendigen Voruntersuchungen, legen Verbände an, bereiten Rezepte, Überweisung vor. Sind zur Stelle, wenn es echte Notfälle gibt usw. Unser Aufgabengebiet ist so groß wie wahrscheinlich in fast keinem anderen Beruf. Und trotzdem kann man sich als Vollzeit-Helferin kaum eine eigene Wohnung leisten.

Wir sind echte Organisationstalente, müssen immer kurzfristig auf die neuesten Infos reagieren.

Wir stehen (noch vor den Krankenschwestern, die meinen vollsten Respekt haben) an vorderster Front. Bei uns stehen erst einmal die Patienten, auch mit Corona, in der Türe. Bevor sie ins Krankenhaus geschickt werden, werden sie erst einmal bei uns behandelt. Wir bekommen das alles ab, sind es aber nicht einmal wert, einen Bonus zu bekommen …

Wir sind die Stütze im Gesundheitswesen. Wenn wir ausfallen, bricht das System zusammen. Also gebt uns mehr Anerkennung, mehr Geld (nicht nur einmalig oder kurzfristig), dann möchten vielleicht auch wieder mehr den Beruf ergreifen, der eigentlich (für mich) der schönste Beruf ist.

Bitte helft uns, damit nicht noch mehr Arzthelferinnen ausfallen und den Beruf wechseln. Wir sind am Ende, wir haben keine Kraft mehr.“

Alte GOZ und angemessene Bezahlung passen nicht zusammen

Und deshalb ist es auch überfällig, dass in die Gebührenordnung für Zahnärzte GOZ endlich Bewegung kommt – vor allem von Seiten des Staates respektive seiner Beihilfestellen. Denn eine über 30 Jahre im Kern und Punktwert unveränderte Gebührenordnung und angemessene, was eben auch zeitgemäße Gehälter bedeutet, passen nicht zusammen. Und an dieser Stelle liegt der Skandal im Skandal …

Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf


Foto: Verena Galias
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.

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