Die besondere Location – das Naturkundemuseum an der Invalidenstraße in Berlin – lockte erneut viele Gäste aus Politik, Krankenkassen, Verbänden, Fachgesellschaften und Körperschaften zum Neujahrsempfang der Zahnärzteschaft am 28. Januar 2025. Und auch in diesem Jahr war es die Ärztin und stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, MdB, die für die Politik das Grußwort sprach.
Doch im Vergleich zu früheren Jahren spielte angesichts der am 23. Februar 2025 stattfindenden Bundestagswahl die aktuelle Tagespolitik kaum eine Rolle. Vielmehr ging es um Forderungen und Positionen für eine künftige Gesundheitspolitik einer neuen Bundesregierung – und um den Erhalt der liberalen Demokratie.
Prävention statt Reparaturmedizin
Für die Bundeszahnärztekammer, die traditionell den Neujahrsempfang ausrichtet, begrüßte ihr Präsident Prof. Dr. Christoph Benz die Gäste und hob auf drei Kernthemen ab: Prävention statt Reparaturmedizin – hier sei die Zahnärzteschaft vorbildlich –, ein höherer Stellenwert der ambulanten Versorgung und die Frage der Finanzierung der Gesundheitsversorgung („Wo steht der Dukatenesel?“). Dank erfolgreicher Prävention habe die Zahnärzteschaft ihren Anteil an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung deutlich senken können, und auch der Anteil der „Reparaturleistungen“ habe sich halbiert. Die zahnärztliche Prävention sei Goldstandard. Erfreulich sei, dass die Politik nach jahrelanger Orientierung auf das Modell angestellte Ärzte nun die ambulanten Strukturen mit niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten wieder stärken wolle. Der Berufsnachwuchs habe „Bock auf die Praxis, auch auf dem Land“, so Benz. Um das zu fördern, müsse endlich mit dem Bürokratieabbau ernst gemacht werden.
Drei Jahre „Highspeed-Flickschusterei“
Die Zahnärzteschaft habe in der Vergangenheit konstruktive Vorschläge zur gezielten Verbesserung von Prävention und Versorgung gemacht und sei weiterhin jederzeit gesprächsbereit. Die Herausforderungen auch die Demografie und die Babyboomer seien alle bekannt. Er hoffe, dass eine neue Bundesregierung „nach drei Jahren Highspeed-Flickschusterei unter Lauterbach“ den Mut für echte Reformen im Gesundheitswesen finde.
Lob für Orientierung auf vulnerable Gruppen
Die Grünen-Politikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther hob die elektronische Patientenakte als wegweisende Verbesserung hervor. Die Politik erkenne die Leistungen der Zahnärzte für die Prävention an und wisse um die Bedeutung einer guten Mundgesundheit als Basis der Gesundheit. Kappert-Gonther lobte zudem die Orientierung der Zahnärzteschaft auf die besonders vulnerablen Gruppen, dies sei nicht selbstverständlich.
Parteien im demokratischen Spektrum sehen Leistung der Zahnärzte
„Alle Parteien im demokratischen Spektrum sehen die Leistung, die die Zahnärzte für die Gesundheit und Mundgesundheit bringen“, erklärte sie. Und riss damit das Thema an, dass sie im Vorfeld der Wahlen besonders umtreibt: Es sei wichtig, „dass wir in der demokratischen Mitte bleiben“, so die Politikerin mit Blick auf die Bundestagswahl. Ein Zeichen dafür sei, dass man sich auch mitten im Wahlkampf auf ein gemeinsames Gesetz – das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – habe einigen können.
„Falsche Befundung, falsche Diagnose, falsche Therapie“
Den Abschluss der Grußworte übernahm ebenfalls traditionell der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Martin Hendges zog vor der Wahl eine kurze Bilanz der Politik unter Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, die für die Zahnärzte in den Praxen und die Patienten nichts gebracht habe. Er habe mit der Budgetierung im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vielmehr der Versorgung und der Prävention geschadet. Würde man mit dem ärztlichen Maßstab an Lauterbachs Gesundheitspolitik herangehen, so müsse man konstatieren: „falsche Befundung, falsche Diagnose, falsche Therapie“, so Hendges.
Ausgestaltung wieder in die Hand der Selbstverwaltung legen
Es sei dringend ein Kurswechsel in der Gesundheitspolitik notwendig, forderte Hendges unter Beifall. Man hoffe, dass zukünftig wieder eine vertrauensvolle und stabile Zusammenarbeit von Politik und Selbstverwaltung praktiziert werden könne. Es müsse endlich wieder so sein, dass die Politik die Rahmenbedingungen setze, aber die Umsetzung in die Hand der Selbstverwaltung lege. Nur so könnten Konzepte, die aus der Versorgung heraus gedacht werden, auch in der Versorgung umgesetzt werden.
Zahnärzteschaft wieder frühzeitig einbeziehen
Man erwarte auch, dass die Politik den Weg der präventionsorientierten ZahnMedizin weitergehen und die Rahmenbedingungen schaffen werde, mit denen eine wohnortnahe ärztliche und zahnärztliche Versorgung gefördert werde. Die Zahnärzteschaft sollte künftig von der Politik wieder vor der eigentlichen Gesetzgebung in die Überlegungen einbezogen werden, forderte er unter Beifall. „Wir Zahnärzte stehen dafür zur Verfügung.“
Volles Programm für Politiker
Viele Politikerinnen und Politiker verweilten nur kurz, da am Abend noch Treffen in den Fraktionen anstanden wegen der umfangreichen Tagesordnung in dieser Woche und nicht zuletzt zu den Anträgen der Unionsfraktion zu Fragen der Migration. Auch der Gesundheitsausschuss hatte in dieser Sitzungswoche noch ein dickes Programm für den Mittwoch, unter anderem mit dem abgespeckten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, das die Entbudgetierun für die Hausarztpraxen bringen soll – die Abstimmung im Bundestag ist in der Tagesordnung für Donnerstag, 30. Januar 2025, um 00.30 Uhr (am 31. Januar 2025) vorgesehen.
Dr. Marion Marschall, Berlin