Die Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie (MKG) am Universitätsklinikum Bonn (UKB) hat ein neues Format für eine möglichst realitätsnahe Leistungsüberprüfung der Studierenden der Universität Bonn konzipiert. Dieses ergänzt die theoretische Ausbildung durch praktische Wissensabfrage und soll die Prüflinge besser auf ihren späteren klinischen Arbeitsalltag vorbereiten. Während die sogenannten „OSCE“-Prüfungen bereits in der Humanmedizin Verbreitung gefunden haben, ist es für die Bonner Zahnmedizin das erste Mal.
Praktische Übungen an Phantommodellen und Schauspielpatienten
Das Studium der Zahnmedizin befindet sich bundesweit in einer Phase der Neuentwicklung und soll laut neuer Approbationsordnung in vielen Bereichen praxisorientierter werden. Eine neu konzipierte Lehrveranstaltung ist das „Praktikum der zahnärztlich-chirurgischen Propädeutik und Notfallmedizin“. Es wird den Studierenden in Bonn in jedem Sommer- und Wintersemester von der MKG-Chirurgie gemeinsam mit ihrer oralchirurgischen Sektion angeboten. Inhaltlich wurde die Lehrveranstaltung neu entwickelt und didaktisch überarbeitet und mit zahlreichen praktischen Übungen unter anderem an Phantommodellen und Schauspielpatienten ergänzt. Ziel der Lehrveranstaltung ist es, die Studierenden möglichst praxisnah auf die spätere Patientenbehandlung vorzubereiten. „Im Mittelpunkt stehen besonders die praktischen Übungen zum Erlernen der chirurgischen Injektions- und Extraktionstechniken“, berichtet Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Kramer, Direktor der Klinik für MKG-Chirurgie am UKB.
Ziel: gefestigtes „Handlungswissen“
„Viele neue praktische Übungen beispielsweise am Phantommodell gewährleisten, dass die Studierenden über ein gefestigtes ,Handlungswissen‘ verfügen, bevor es an die eigentliche Patientenbehandlung geht“, führt Kramer aus. Die Vermittlung dieser praktisch-invasiven Fertigkeiten wird durch begleitende Übungen zum strukturierten Anamnesegespräch mit geschulten Schauspielpatienten und der Simulation von einfachen und komplexen Notfallsimulationen ergänzt.
„Unser Ziel ist es, die Studierenden umfassend und möglichst praxisnah auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten“, sagt Kramer. „Die Studierenden erhalten somit bereits im Studium erste Erfahrungen in der Identifikation von medizinisch vorerkrankten Patienten und der Prävention beziehungsweise dem Management von Notfallsituationen. Wir wollen so potenzielle Berührungsängste abbauen.“
OSCE – eine Prüfungsform für praktische Lerninhalte
Das moderne, kompetenzorientierte Prüfungsverfahren OSCE (objective structured clinical examination) wurde jetzt mit Unterstützung durch das Studiendekanat der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn spezifisch für die Bonner Zahnmedizin konzipiert und erstmals am UKB durchgeführt. Es besteht aus sieben unterschiedlichen Prüfungssituationen, die sich an den Lehrinhalten im neu konzipierten Kurs orientierten. „Der praktische Kompetenzerwerb im Kurs lässt sich mit mündlichen Testaten und schriftlichen Klausuren nur begrenzt und oft nur wenig belastbar überprüfen“, sagt Dr. Katharina Elanzew, Referentin für Studiengangsmanagement und Studiengangsentwicklung Zahnmedizin im Studiendekanat der Medizinischen Fakultät. So werden in Form eines Prüfungsparcours das strukturierte Führen eines Anamnesegesprächs, die chirurgische Händedesinfektion, die Applikation einer Leitungsanästhesie, die Durchführung einer Zahnextraktion und eine chirurgische Nahtübung geprüft. Highlight sind zwei nachgestellte Notfallszenarien. Insgesamt dauert die OSCE-Prüfung für die Studierenden nach einer kurzen Einweisung jeweils 48 Minuten inklusive Wechselzeiten zwischen den einzelnen Stationen. Möglich gemacht wird der Prüfungs-Parcours unter anderem durch geeignete Phantommodelle, genau instruierte Schauspielpatienten sowie einem gezielt geschulten Prüfer-Team aus der MKG-Klinik.
OSCE-Prüfungen sind noch in der Entwicklungsphase
Die Synthese von theoretischem Wissen mit praktischen und kommunikativen Fertigkeiten lassen sich mittels OSCE mit hoher Zuverlässigkeit und Gültigkeit abfragen. „Nachteilig ist der hohe Personal- und Zeitaufwand in der Vor- und Nachbereitung des Prüfungsparcours. Auch müssen wir von einem erheblichen Aufwand in der Qualitätskontrolle und zukünftigen Weiterentwicklung der Prüfungsstationen ausgehen. Allerdings ist das OSCE-Konzept eine vielversprechende Option zur praxisnahen Ausbildung und Prüfung der Studierenden, besonders im Fach Zahnmedizin“, reflektiert Kramer. Bei den Prüflingen fiel das Echo der ersten Bonner OSCE ebenfalls recht positiv aus. Zwar wurden die OSCE-Prüfung von allen Teilnehmenden als stressig und anspruchsvoll empfunden. Dennoch gaben viele Studierende an, dass sie durchaus Spaß an der neuen, praxisnahen Prüfungsform hatten.