Der Europäische Rat hat am 7. März 2023 eine Verordnung angenommen, mit der die Frist für die Zertifizierung von Medizinprodukten nach der seit Mai 2021 geltenden neuen Medical Device Regulation (MDR) verlängert wird. Damit will er gewährleisten, dass Medizinprodukte, die nicht bis zum ursprünglichen Stichtag zertifiziert werden können, Patientinnen und Patienten in Europa weiter zur Verfügung stehen.
Zuvor hatte schon die EU-Kommission eine Verlängerung vorgeschlagen, da es bei der Zertifizierung von Neu- und Altprodukten nach der MDR wegen der sehr aufwendigen Prozesse und der immer noch zu geringen Zahl zertifizierter Benannter Stellen als Prüfeinrichtungen zu langen Verzögerungen kommt. So bestand die Gefahr, dass bis zum Ende der Übergangszeit Ende Mai 2024 viele Produkte noch nicht rezertifiziert werden können und dann vom Markt genommen werden müssen. Auch die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer und weitere Vertreterinnen der Ärzte- und Zahnärzteschaft und natürlich der Medizinprodukte- und Dentalindustrie hatten auf diese Probleme für die Patientenversorgung hingewiesen und eine Verlängerung der Fristen gefordert.
Acko Ankarberg Johansson, schwedische Ministerin für das Gesundheitswesen, erklärte nach dem Beschluss des EU-Rats: „Heute haben wir Maßnahmen vereinbart, mit denen wir der Industrie die Möglichkeit geben, wichtige Medizinprodukte weiterhin auf den Markt zu bringen, um zu gewährleisten, dass Patientinnen und Patienten einen gesicherten Zugang zu Medizinprodukten haben.“
Gestaffelte und an bestimmte Bedingungen geknüpfte Verlängerung
Hersteller von Medizinprodukten haben nun mehr Zeit, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen: bis zum 31. Dezember 2027 bei Produkten mit höherem Risiko und bis zum 31. Dezember 2028 bei Produkten mit mittlerem und geringerem Risiko. Die Verlängerung des Übergangszeitraums ist laut Pressemitteilung des Rats allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft. So soll gewährleistet werden, dass nur solche Produkte davon profitieren, die sicher sind und für die das Zertifizierungsverfahren bereits angelaufen ist.
„Abverkaufszeitpunkt“ wird gestrichen
Mit der neuen Verordnung wird das Risiko von Engpässen bei Medizinprodukten auch dadurch verringert, dass die Vorschrift über den „Abverkaufszeitpunkt“ gestrichen wird. Damit ist das Datum gemeint, bis zu dem Produkte, die bereits auf dem Markt, aber noch nicht beim Endverbraucher angekommen sind, zurückgezogen werden sollten. Die neue Regelung gilt nur für Produkte, die die Anforderungen für Medizinprodukte vorher geltender EU-Rechtsvorschriften erfüllen. Indem der „Abverkaufszeitpunkt“ gestrichen wird, können sichere Medizinprodukte länger auf dem Markt bleiben.
Hintergrund und Inkrafttreten
Im April 2017 hatten der Rat und das Europäische Parlament zwei Verordnungen verabschiedet, um Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika sicherer zu machen. Dabei geht es um eine breite Palette von Produkten: von Hörgeräten und Rollstühlen bis zu Kathetern und orthopädischen Implantaten. Mit der Verordnung von 2017 wurde ein strikteres Konformitätsbewertungssystem für Medizinprodukte eingeführt. Daran ändert sich auch durch die heute angenommene Verordnung nichts, das heißt, die Anforderungen von 2017 bleiben bestehen, so der EU-Rat.
Diese neue Medical Device Regulation sollte ursprünglich bereits im Mai 2020 in Kraft treten, der Termin wurde dann wegen der Corona-Pandemie auf Mai 2021 verlängert. Es gab aber bereits von Anfang an große Bedenken und Probleme wegen der neuen, auch für Altprodukte geforderten umfangreichen Risikobewertungen, klinischen Studien und Zertifizierungsanforderungen. Zumal auch eine erneute Zertifizierung der für die Prüfungen und Genehmigungen zuständigen Benannten Stellen mit der MDR verbunden ist – das führte zu Engpässen bei diesen Benannten Stellen.
Sobald der vorgesehene Übergangszeitraum abgelaufen ist, das heißt ab dem 26. Mai 2024, sollten alle Medizinprodukte den neuen Regeln entsprechen. Fehlende Kapazitäten der Konformitätsbewertungsstellen bei der (erneuten) Zertifizierung alter und neuer Medizinprodukte seien jedoch einer der Gründe, warum befürchtet wird, dass zahlreiche Produkte bei Ablauf des Übergangszeitraums nicht mehr zur Verfügung stehen könnten, heißt es in der Presseinformation des Rats.
Der Beschluss über die Verlängerung des Umsetzungszeitraums tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.