Das 2018 novellierte Mutterschutzgesetz behindert das Vorankommen von Medizinstudentinnen und die Karriere von Ärztinnen. Das untermauert die erste bundesweite Online-Umfrage, die der Deutsche Ärztinnenbund e.V. (DÄB) Ende Februar vorgelegt hat.
An der Erhebung haben sich 790 Medizinstudentinnen und Ärztinnen beteiligt, die nach dem Inkrafttreten des überarbeiteten Gesetzes, aber vor der Corona-Pandemie ein Kind erwarteten. Demnach konnten zwei Drittel der Befragten nur noch maximal 50 Prozent ihrer bisherigen Tätigkeit ausüben, sobald sie dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft meldeten. Bei den Medizinstudentinnen waren es sogar 72 Prozent. Fast jede zweite Betroffene fand die Einschränkungen nicht sinnvoll.
Endlich praxistaugliche Lösungen erarbeiten
„Das Thema ist brisant“, erläutert PD Dr. Barbara Puhahn-Schmeiser, Vizepräsidentin des DÄB und Initiatorin der Umfrage. „Angesichts des Mangels an ärztlichem Nachwuchs kann es sich die Gesellschaft nicht leisten, dass Frauen in diesem Beruf langsamer vorankommen.“ Der DÄB appelliert an den Ausschuss Mutterschutz des Bundes, endlich praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten.
Oft sofort raus aus dem Patientenkontakt
Die Umfrage-Teilnehmerinnen gaben mehrheitlich an, dass ihnen während der Schwangerschaft vor allem folgende Tätigkeiten verwehrt wurden: Direkter Patientenkontakt sowie Operieren und invasive Tätigkeiten wie beispielsweise Endoskopien. Stattdessen hat man ihnen verstärkt präoperative Aufklärungen, das Schreiben von Arztbriefen, die Übernahme der Sprechstunde und Lehrtätigkeiten zugewiesen. Schwangere Studentinnen durften oft Kurse nicht mehr besuchen oder nicht mehr im Operationssaal zuschauen.
Späte Meldung der Schwangerschaft aus Angst vor Verzögerungen
Die Aussicht auf berufliche Verzögerungen machte den Frauen zu schaffen: 43,2 Prozent hatten Bedenken, ihre Schwangerschaft anzuzeigen, unter den Medizinstudentinnen sogar 53,3 Prozent. Das führte zu vergleichsweise späten Meldungen: bei Studentinnen durchschnittlich in der Schwangerschaftswoche 19, bei Ärztinnen in Woche 12. Das Problem dabei: Solange die Schwangerschaft nicht bekannt ist, greift der Arbeitsschutz nicht. „Dieser ist sinnvoll“, sagt Puhahn-Schmeiser. „Was die Ärztinnen und angehenden Ärztinnen stört, sind undifferenzierte, generelle Verbote – etwa für Operationen, obwohl alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden könnten.“
Aus Angst vor Schadenersatz häufig de facto Beschäftigungsverbot
Das neue Mutterschutzgesetz enthält juristisch weit gefasste Formulierungen, die eine Nullrisikostrategie vorsehen. Um Fehler und Schadensersatzansprüche zu vermeiden, ergehen darum häufig Anordnungen, die einem Beschäftigungsverbot gleichkommen. „Der DÄB hat von Anfang an auf diesen kontraproduktiven Umstand hingewiesen“, erläutert Puhahn-Schmeiser. „Nun offenbart unsere Umfrage die ganze Dringlichkeit.“
Gefährdungsbeurteilung regional völlig unterschiedlich
Die beaufsichtigenden Behörden, die in den verschiedenen Kreisen oder Bundesländern derzeit Gefährdungsbeurteilungen völlig unterschiedlich bewerten, brauchen einen bundeseinheitlichen, vernünftigen Konsens, um eine Ungleichbehandlung von schwangeren Ärztinnen zu verhindern. DÄB-Vizepräsidentin Puhahn-Schmeiser kennt auch Positivbeispiele: „Insbesondere im Raum Hamburg gibt es Kliniken, die hocheffektiv mit den lokalen Behörden zusammenarbeiten und es Ärztinnen unter Sicherheitsauflagen ermöglichen, weiter zu arbeiten und zu operieren.“