Das Bundesgesundheitsministerium bleibt beim vorgegebenen Zeitplan: Bis Ende dieses Jahres sollen die 100.000 Arztpraxen und die laut Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung rund 45.000 Zahnarztpraxen in Deutschland an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein. Das erklärte eine Sprecherin des Ministeriums am 30. Mai 2018 auf Nachfrage des „Deutschen Ärzteblatts“ (DÄ).
Anlass war ein Bericht des ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ am 30. Mai, in dem über die TI-Anbindung und das Projekt „elektronische Gesundheitskarte“ berichtet wurde. Bislang seien mehr als 1,8 Milliarden Euro in das Projekt geflossen, hieß es dort unter Bezug auf den GKV-Spitzenverband.
Anbindung bis Jahresende fraglich
Im Beitrag wurde angesichts der Probleme bei der TI-Anbindung – nach wie vor gibt es nur einen Anbieter mit einem zertifizierten und lieferbaren Konnektor – und der bislang erreichten Anbindungsquote bezweifelt, dass eine vollständige Anbindung der Praxen in der gesetzten Frist möglich sei. Laut KZBV waren Ende April 2018 erst 4.100 der rund 45.000 Zahnarztpraxen an die TI angebunden. Zudem seien mehr als 14.000 elektronische Praxisausweise ausgegeben worden.
Bei den Arztpraxen waren es, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf Nachfrage des DÄ, Anfang Mai erst 15.000 von 100.000, der Fernsehbericht sprach von 20.000 Praxen. Sowohl Ärzte- und Zahnärztevertreter als auch die Krankenkassen sehen hier die Anbieter in der Pflicht. Ob es gelinge, alle Praxen wie vorgesehen zum Jahrsende anzubinden, liege allein in der Verantwortung der Industrie, zitiert das DÄ eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbands.
Initiative für Fristverlängerung
Sowohl KBV als auch KZBV forderten bereits mehrfach, die Frist für die Anbindung an die TI mindestens bis Juli 2019, besser aber noch bis Ende 2019 zu verlängern. Zuletzt hatten die Vertreterversammlung der KBV und der Deutsche Ärztetag Anfang Mai entsprechende Beschlüsse gefasst. „Wir hoffen sehr darauf, dass Bundesgesundheitsminister Spahn in diesem Punkt zu einem konstruktiven Dialog bereit ist und die nötige Flexibilität zeigt. Denn solche Strafmaßnahmen sind für eine Beschleunigung des Projekts der falsche Weg. Sie befördern Misstrauen an Stellen, an denen Vertrauen dringend benötigt wird“, heißt es dazu aktuell von der KZBV, und so hatte sich auch der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer auf dem Frühjahrsfest von KZBV und Bundeszahnärztekammer Mitte Mai gegenüber Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geäußert.
Finanzierungsvereinbarung nachverhandeln
Gleichzeitig geht es sowohl KBV als KZBV um Nachverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband wegen der Staffelung der Kostenerstattung für die Praxen. Diese Erstattung sinkt laut Vereinbarung von Quartal zu Quartal, allerdings konnte aufgrund der Lieferprobleme der Industrie erst verspätet mit dem Rollout gestartet werden, sodass Ärzte und Zahnärzte jetzt auf Defiziten sitzen bleiben könnten.
Verstimmung zwischen KBV und KZBV
Die KBV hat ihre Verhandlungen nun bereits für gescheitert erklärt und das Schiedsamt angerufen – was für Verstimmung bei der KZBV sorgt: „Wir bedauern das leider gänzlich unabgestimmte Vorgehen der KBV hinsichtlich der Anrufung des Schiedsamtes bezüglich der Finanzierung ausdrücklich – insbesondere da am Rande anderer Gespräche der GKV-Spitzenverband uns gegenüber zunächst durchaus Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatte. Des Weiteren wird ein Schiedsspruch im ärztlichen Bereich, der voraussichtlich Ende Juni erfolgt, sicher auch wiederum Auswirkung auf den zahnärztlichen Bereich entfalten. Grundsätzlich verhandlungsbereit zeigte sich der GKV-Spitzenverband jedoch bei anderen Punkten, etwa bei einer Ausweitung der Finanzierung von mobilen Kartenterminals“, so die KZBV dazu auf Nachfrage.
Sinnhaftigkeit der eGK infrage gestellt
Der ARD-Beitrag stellte auch erneut die Sinnhaftigkeit der eGK infrage. Im Alltag kämen noch viele Patienten mit alten Karten, die nicht mehr eingelesen werden könnten, so eine Ärztin aus dem Saarland. Auch der Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem kritisierte das Konzept als veraltet, als Beispiel für ein funktionierendes System mit elektronischer Patientenakte wurde Dänemark vorgestellt. Die für die Sendung befragten Passanten zeigten sich allerdings nicht alle von der Speicherung ihrer Gesundheitsdaten begeistert.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Anfang Mai die eGK ebenfalls kritisiert, dann aber in einem Schreiben an die Spitzenverbände mitgeteilt, dass weder die TI-Anbindung noch die eGK derzeit zur Disposition stünden.
Gematik schreibt neues Kommunikationstool aus
Die für die Gesundheitstelematik zuständige Betreibergesellschaft Gematik hat aktuell „KOM-LE“ ausgeschrieben, eine Fachanwendung, mit der „Leistungserbringer“ sicher, schnell, zuverlässig und ohne Medienbrüche künftig medizinische Dokumente austauschen sollen. Die Anwendung soll in die Praxis- und Klinikverwaltungssysteme integriert werden. Bei KOM-LE werden Daten Ende-zu-Ende-verschlüsselt übertragen. Auch stellen elektronische Signaturen sicher, dass die Inhalte unverfälscht sind und die Absenderinformation authentisch ist. Unbefugte können die Daten nicht einsehen.
Noch allerdings ist das Zukunftsmusik, denn nun ist es wieder einmal an der Industrie, diese Anwendung zu entwickeln: „Die Gematik hat das dafür erforderliche Dokumentenpaket, die Zulassungsunterlagen und das dazugehörige Feldtestkonzept veröffentlicht. Damit hat die Gematik alle Voraussetzungen geschaffen, damit die Industrie ihre Produkte entwickeln kann“, heißt es in der Meldung dazu. Die Anwendung ist dann Teil der Telematikinfrastruktur, muss von der Gematik zugelassen werden und der Zugang ist nur nach Registrierung und mit den elektronischen Heilberufeausweisen möglich.