Nachdem die Aligner-Therapie zum festen Bestandteil einer KfO-Praxis wurde, wird sie zunehmend auch von den zahnmedizinischen Generalisten angewandt. Nicht zuletzt deshalb, weil die „unsichtbare Zahnkorrektur“ von Patienten bei ihrer Zahnärztin oder ihrem Zahnarzt immer öfter eingefordert wird.
Bereits in Teil 1 zur korrekten Berechnung der Aligner-Therapie wurde darauf hingewiesen, dass sie auch bei den Versicherten der GKV privat liquidiert werden muss, weil sie nicht als sogenannte Mehr- und Zusatzleistung (Grafik 1) in der Anlage B des BMV-Z abgebildet ist.
In einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie e.V. (DGKFO) heißt es außerdem: „Aufgrund der umfangreichen kieferorthopädischen Planungs- und Kontrollaufgaben zur Definition des virtuellen Behandlungszieles und aufgrund der zum Teil komplizierten Herstellung der Aligner sind diese Behandlungssysteme mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden und im Allgemeinen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht zu erbringen.“ (Quelle: www.dgkfo-vorstand.de, Stand Jan. 2010)
Es gibt verschiedene Aligner-Systeme die sich beim Tragekonzept, Herstellungsverfahren, Serviceangebot und Kostenfaktor unterscheiden, was natürlich bei der Erstellung eines Heil- und Kostenplans und der Honorarermittlung besonders berücksichtigt werden muss.
Nicht vergessen: Notwendige CMD-Diagnostik vor einer Aligner-Therapie
Einige Rechtsprechungen (unter anderem OLG Hamm, Az. 26 U 131/13) haben verdeutlicht, dass bei allen Patienten vor prothetischer Versorgung und vor einer kieferorthopädischen Behandlung ein Screeningtest durchzuführen ist, um Abweichungen, Einschränkungen oder Schmerzen im Kausystem zu diagnostizieren oder auszuschließen. Gemäß Analogliste der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) kann der CMD-Screeningtest (Funktions-Schnelltest) gemäß Paragraf 6 Absatz 1 GOZ analog berechnet werden. Wird ein Funktionsstatus erhoben, kann dieser nach der GOZ-Nr. 8000 berechnet werden.
Achtung: Ein CMD-Screeningtest kann im Rahmen einer „Kassenbehandlung“ nicht als Privatleistung gemäß Paragraf 8 Absatz 7 BMV-Z vereinbart werden. Nur weitere funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen (GOZ-Nr. 8000 ff.) gehören gemäß Paragraf 28 Absatz 2 SGB V nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung und können mit dem Patienten privat vereinbart werden.
Digitale Behandlungsplanung (ClinCheck)
Mithilfe von ClinCheck erfolgt die virtuelle 3-D-Planung und die Ausarbeitung eines Behandlungsplans. Mit der Software werden die geplanten Zahnbewegungen während der Therapie veranschaulicht und das gewünschte Behandlungsergebnis dargestellt.
Ablauf einer digitalen Behandlungsplanung:
- Angabe des Behandlungsplans und der angestrebten Zahnposition
- Modifizieren der individuellen Zahnposition über eine 3-D-Steuerung
- gegebenenfalls Planung von Attachments und Precision Cuts (Ausschnitte beziehungsweise Aussparungen im Aligner)
- Hinzufügen oder entfernen der approximalen Schmelzreduktion (ASR)
- Analyse der Okklusionskontakte
- Modifizieren der definitiven Okklusion
Die digitale Behandlungsplanung ist im Leistungsverzeichnis der GOZ beziehungsweise GOÄ nicht abgebildet und kann gemäß Paragraf 6 Absatz 1 GOZ analog berechnet werden.
Berechnung der Aligner-Therapie
Orientiert an einem geringen, mittleren oder hohen Umfang beziehungsweise nach der abgeschlossenen Wachstumsphase erfolgt die Berechnung einer Aligner-Behandlung nach den GOZ-Nrn. 6030 bis 6090 (Grafik 2).
Mit diesen GOZ-Nummern sind folgende Leistungen abgegolten:
- Vorbereitende Maßnahmen wie zum Beispiel Abformungen
- Eingliederung der Aligner-Schienen
- Aligner-Wechsel (Case refinement [CR]) – Herstellung einer weiteren Serie von Alignern, wenn das Behandlungsziel mit der vorherigen Serie nicht vollständig erreicht wurde.
- Verlaufskontrollen
- Maßnahmen zur Retention (zum Beispiel Eingliederung von Retentionsschienen) für einen Zeitraum bis vier Jahre nach Beginn der KfO-Behandlung
Folgende Leistungen sind nicht neben einer Aligner-Behandlung berechnungsfähig:
Übersicht von weiteren zuzüglich berechnungsfähigen Leistungen, welche nicht Leistungsinhalt der GOZ-Nrn. 6030 bis 6090 sind
Diagnostikleistungen
Weitere kieferorthopädische Leistungen
*Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des BVerwG (Az. 5 C 7.19), 26.02.2021 (Beihilfe), empfiehlt die BZÄK jedoch den Mehraufwand bei der Bemessung des Steigerungsfaktors gemäß Paragraf 5 Absatz 2 GOZ bei den GOZ-Nrn. 6030 ff. zu berücksichtigen, da erwartet wird, dass das Urteil auch auf weitere, auch zivilgerichtliche Rechtsprechungen Einfluss haben könnte."
Zur Klarstellung und Absicherung ist auch im Rahmen einer Aligner-Therapie eine Honorarvereinbarung (gemäß Paragraf 2 Absatz 1 und 2 GOZ) mit dem Versicherten sehr zu empfehlen.
Nachbearbeitung von Aligner-Schienen
Gemäß Urteil des LG Wiesbaden (Az. 1 S 86/20) vom 25. Mai 2023 ist die zusätzliche Berechnung nachträglicher Anpassungen und Nachbearbeitungen von Invisalign-Schienen nicht zulässig.
Fazit
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Aligner-Systeme und den unterschiedlichen Behandlungs-Schwierigkeitsgraden sollten vorab immer Heil- und Kostenpläne erstellt und Honorarvereinbarungen getroffen werden. Dabei müssen die betriebswirtschaftlichen Aspekte bei Honorarfindung ganz besonders bedacht werden.
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Abrechnungstipp März 2024: Tamponieren ohne vorherige chirurgische Intervention
Abrechnungstipp April 2024: DVT, Zuschlag und Höchstwertregelung – easy, oder?
Abrechnungstipp Mai 2024: Praktikable und sichere Lösungen für die Praxis – Behandlungsablauf mit Aligner Attachments (1)
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Sylvia Wuttig, B.A., Bachelor of Arts (Management von Gesundheitseinrichtungen), schreibt als Gründerin, Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin der Daisy Akademie + Verlag GmbH seit 1976 Erfolgsgeschichte.
Dentale-Abrechnungs-Informations-Systeme (DAISY) haben Sylvia Wuttig bundesweites Renommee gebracht. Mehr als 100.000 Zahnärzte und Praxismitarbeiter wurden von ihr im Laufe von mehr als 45 Jahren in allen Bereichen der Abrechnung geschult.
Beratende Tätigkeiten, Vorträge und Seminare unter anderem für Zahnärztekammern, Kassenzahnärztliche Vereinigungen, Initiative unabhängige Zahnmedizin (IUZ), Schulen, Rechenzentren, Krankenkassen, Industrieunternehmen, zahntechnische Labors und Software-Firmen gehören ebenfalls zu ihren Aktivitäten.
Seit mehr als 20 Jahren ist sie aktives Mitglied der Prüfungskommission der Landeszahnärztekammer Sachsen für die Prüfung zur/zum Zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin/Verwaltungsassistenten (ZMV).
Im Rahmen eines offiziellen Lehrauftrags an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat sie mehr als zehn Jahre alle Studierenden der Zahnheilkunde im Bereich „Honorierungssysteme“ unterrichtet.
An der Europäischen Fachhochschule (vormals PraxisHochschule) in Köln ist sie seit 2013 als Dozentin und später als Gutachterin für Bachelor-Arbeiten tätig. Sie unterrichtet unter anderem Studierende (Bachelor of Science) im Bereich „Zahnärztliches Abrechnungsmanagement“. Für Quintessence News bereiten sie und ihr Team seit März 2024 exklusiv jeden Monat einen exklusiven Abrechnungstipp auf.