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Beispiel für eine orientierende Basisdiagnostik in der täglichen Praxis


Priv.-Doz. Dr. med. dent. M. Oliver Ahlers, Spezialist für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT), CMD-Centrum Hamburg-Eppendorf (Foto: Ahlers)

Kraniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) gehören zu den häufigeren Erkrankungen in der Zahnheilkunde. Daher ist es wünschenswert, dass sie im Rahmen zahnärztlicher Untersuchungen erfasst und identifiziert werden, denn dies ermöglicht ihre stufenweise Dia­gnostik und bei Bedarf auch ihre Behandlung. Das Vorliegen von CMD zu erkennen stellt zudem sicher, dass bestehende Dysfunktionen den Verlauf restaurativer und/oder kieferorthopädischer Behandlungen nicht überraschend ungünstig beeinflussen.

Allein durch die zahnärztliche „eingehende Untersuchung“ wird eine CMD jedoch nicht vorhersehbar erkannt. In der Praxis erforderlich ist deshalb als orientierende Basisdiagnostik ein leicht durchführbarer und auszuwertender Screeningtest26,28. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenzahnärztliche Bundes­vereinigung (KZBV) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) haben daher 2006 in ihrer gemeinsamen „Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahnheilkunde“ vorgesehen, dass in Ergänzung zu den Basisuntersuchungen der Zahnhartsubstanzen und der Parodontien auch eine Basisuntersuchung hinsichtlich des Vorliegens von Anzeichen für Funktionsstörungen erfolgen soll13. Bei positivem Ergebnis der Basisdiagnostik – oder anderweitig begründetem Verdacht für das Vorliegen einer CMD – wäre demnach eine eingehende Untersuchung indiziert. Hierfür steht die klinische Funktionsanalyse als Grundlage der weiteren Diagnostik-Kaskade zur Verfügung6.

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In der Erfassung von Parodontitiden ist diese stufenweise Diagnostik ebenfalls vorgesehen und bereits routinehaft etabliert. Als Basisdiagnostik fungiert hier der Parodontale Screening-Index (PSI), mit dem nach Anzeichen für das Vorliegen einer Parodontitis gesucht wird; bei „positivem“ Ergebnis erfolgt als erweiterte parodontale Untersuchung die Erhebung des voll­ständigen Parodontalstatus, ggf. ergänzt durch weitere Tests. In der Diagnostik von Funktionsstörungen des kraniomandibulären Systems hat insofern die klinische Funktionsanalyse eine ähnliche Stellung wie in der Parodontaldiagnostik der Parodontalstatus: Sie ist die grundlegende Untersuchung, auf deren Basis differenzierte funktionstherapeutische Behandlungen durchge­führt werden.

Wünschenswert wäre es jedoch, unterhalb dieser Stufe gemäß dem o. g. Konzept13 eine Basisdiagnostik in Form eines CMD-Screenings anbieten zu können, um mit hinlänglicher Sicherheit CMD-Patienten zu erkennen. Einen derartigen Test, den CMD-Kurzbefund, haben die Autoren dieses Beitrags auf der Basis von früheren Arbeiten Krogh-Poulsens entwickelt5,6,10,29,30. Nachfolgend werden die wissenschaftlichen Grund­lagen, die Einzelbefunde sowie das Vorgehen in der Praxis einschließlich der Auswertung und Dokumentation geschildert.

Wissenschaftliche Grundlagen

Prinzipiell ist es wünschenswert, dass diagnostische Verfahren durch wissenschaftliche Untersuchungen abgesichert sind. Bei Screeningtests erfolgt die Ab­siche­rung typischerweise im Vergleich zu einem Goldstandard. Als solcher wird jeweils ein Untersuchungsverfahren ausgewählt, welches mit größtmöglicher Sicherheit die tatsächlich festzustellende Erkrankung bzw. Situation identifiziert. Bei der Frage, ob eine CMD vorliegt oder nicht, ist der Goldstandard bisher die klinische Funktionsanalyse. Ein geeigneter CMD-Screeningtest müsste daher anzeigen, ob im Rahmen einer klinischen Funk­tionsanalyse absehbar eine Diagnose im Sinne einer Erkrankung gestellt würde.

Die Autoren dieses Beitrags haben dafür in der Zeit ihrer gemeinsamen Tätigkeit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zusammen mit dem Doktoranden Mehran Maghsudi eine klinische, kontrollierte, randomisierte, verblindete und nicht gesponserte Studie durchgeführt29,30. Für die eine Gruppe wurden Patienten rekrutiert, die von anderen Zahnärzten zur Diagnose und Behandlung einer von ihnen vermuteten CMD an die Universitätszahnklinik überwiesen worden waren. Die Teilnehmer der in etwa gleich großen Probandengruppe hingegen hatten weder Beschwerden noch in letzter Zeit eine zahnärztlich-restaurative Versorgung erhalten. Den inhaltlichen Aus­gangspunkt bildete ein früherer Vorschlag von Krogh-Poulsen, der zur Identifikation von Funktionsstörungen die Erfassung von acht klinischen Merkmalen vorgesehen hatte22. Diese sogenannte kleine Funktionsanalyse umfasst Untersuchungen der Kiefergelenke, der Musku­latur im Kauorgan und der Kontaktverhältnisse zwischen den Okklusionsreliefs24,25. In der Hamburger Studie wurden nun bei jedem Patienten bzw. Probanden diese acht Merkmale untersucht, und zum Vergleich wurde eine vollständige klinische Funktionsanalyse als „Goldstandard“ durchgeführt und ausgewertet. Konnte darin eine therapieführende Initialdiagnose gestellt wer­den, galt der Patient als „krank“. Die Auswertung der Merkmale Krogh-Poulsons hätte das anzeigen müssen, wollte man allein auf dieser Grundlage das Vorliegen der CMD korrekt erkennen.

Im Rahmen der Untersuchungen kamen dann allerdings zwei der acht Merkmale gar nicht vor („Zentrik schmerzhaft“ und „Interokklusalabstand unzureichend“), so dass sie in der weiteren Auswertung nicht mehr berücksichtigt wurden. Bei der Auswertung der anderen sechs Merkmale zeigte sich, dass diese in deutlich unterschiedlicher Häufigkeit auftraten: Die Werte für die Sensitivitäten der Einzeltests lagen zwischen 8,9 und 69,7 %, womit sie nicht die von Levitt et al.27 für ein Screeningverfahren zur Ermittlung von CMD geforderte Sensitivität und Spezifität von jeweils mindestens 70 % erreichten. Keines der Merkmale allein kam mithin in der Patientengruppe häufig genug vor, um die bei der klinischen Funktionsanalyse als krank Identifizierten sicher zu erfassen.

Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchungen ergab sich allerdings, dass die additive Auswertung „positiver“ Merkmale die diagnostische Aussagekraft im Vergleich zu den Einzelbefunden deutlich verbesserte. Im Ergebnis konnten auf diesem Wege Patienten, bei denen in der klinischen Funktionsanalyse die Diagnose einer CMD gestellt wurde, von unauffälligen Probanden unterschieden werden (Abb. 1). Aus der Auswertung der biometrischen Messungen er­gab sich dabei für den Grenzwert von zwei oder mehr („≥ 2“) positiven Befunden eine Sensitivität von 92 % (neun von zehn Erkrankten werden identifiziert) bei einer Spezifität von 79 % (zwei von zehn Erkrankten werden absehbar fälschlich als „krank“ eingestuft). Legte man den Grenzwert auf drei und mehr („≥ 3“) positive Befunde, stieg die Spezifität auf 100 % an, dafür sank aber die Sensitivität auf 63 %. Das Ziel eines Screeningtests muss jedoch eine Balance von Sensitivität und Spezifität sein, bei der im Zweifel einer hohen Sensitivität der Vorzug zu geben ist. Bei einem Grenzwert von zwei und mehr („≥ 2“) positiven Merkmalen ist damit für das nachfolgend dargestellte Untersuchungsverfah­ren belegt, dass es mit einer akzeptablen diagnostischen Sicherheit Patienten erfasst, die unter CMD leiden (Abb. 2).

Als Konsequenz lässt sich festhalten, dass die Auswahl der überhaupt vorkommenden positiven Be­funde in Kombination mit der additiven Auswertung aus der „kleinen Funktionsanalyse“ ein Verfahren zur Identifikation von Patienten mit begründetem Verdacht auf das Vorliegen einer CMD macht6. Ein „positiver“ CMD-Kurzbefund deutet demnach darauf hin, dass im Rahmen einer vollständigen klinischen Funktions­analyse die Diagnose einer CMD gestellt würde. Erst in Abhängigkeit vom Ergebnis der klinischen Funk­tionsanalyse sollte daher eine Entscheidung für eine funk­tionstherapeutische Behandlung bzw. zunächst weitere funktionsdiagnostische Schritte erfolgen7,8,11.

Befunderhebung und -bewertung

Der CMD-Kurzbefund ist ohne spezielle Instrumente bzw. technische Hilfsmittel durchführbar und basiert auf insgesamt sechs Befunden, deren Ausprägung jeweils als „Ja/Nein-Antwort“ formuliert wird. Alle diese Befunde werden je nach Ergebnis mit einer Ja/Nein-Antwort bewertet und entsprechend dokumentiert. Nach Erfassung aller sechs Befunde erfolgt eine Addition der entsprechenden Befunde. Liegt der Summenwert bei zwei oder darüber, ist das Vorliegen einer CMD wahrscheinlich; eine klinische Funktionsanalyse ermöglicht in diesem Fall eine genauere Differenzierung.

Nach­folgend werden die sechs Befunde geschildert, deren Kombination in Verbindung mit der additiven Auswertung den CMD-Kurzbefund bzw. CMDcheck ausmacht.

Mundöffnung asymmetrisch

Als erster Test erfolgt eine Überprüfung, ob der Verlauf der Mundöffnungsbewegung „gerade“ oder „ungerade“ bzw. „asymmetrisch“ ist. Da der CMD-Kurzbefund nach Anzeichen für das Vorliegen einer Dysfunktion sucht, stellt ein asymmetrischer Verlauf der Mundöffnung einen „positiven“ Befund und insofern einen Hinweis für das Vorliegen einer Dysfunktion dar. Der Verlauf der Mund­öffnung ist dann „asymmetrisch“, wenn der Unterkiefer im Bewegungsverlauf > 2 mm zu einer oder nach­einander zu beiden Seiten abweicht (Abb. 3). Dieser Schwellenwert leitet sich aus einem internationalen Untersuchungsverfahren zur Erfassung von Kaufunk­tions­störungen ab (Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders, RDC/TMD)14.

Mundöffnung eingeschränkt

Mundöffnungseinschränkungen sind ein typisches Anzeichen für CMD. Bei einer physiologischen Sagittalen erreicht die Schneidekanten­distanz (SKD) bei der „normalen“ Mundöffnung Weiten von ca. 38 bis 40 mm. Einige Studien geben sogar leicht höhere Zahlen an. Werte deutlich unter einer SKD von 38 mm sind insofern Anzeichen für eine Funktionsstörung und somit ein „positiver“ Befund. Hierbei wird ein normaler Frontzahnüberbiss (Overbite) zugrunde gelegt; erheblich ab­weichende Frontzahnüberbisse erfordern eine Korrektur. Die Messung kann unter Verwendung eines Lineals (Abb. 4) oder unter Zuhilfenahme eines Standardmaßes erfolgen (z. B. mit dem zuvor in seiner Breite vermessenen Finger des Untersuchers, siehe Abbildung 5). Alternativ lässt sich auch ein Messinstrument wie das von den Autoren ent­wickelte CMDmeter (dentaConcept Verlag, Hamburg) einsetzen.

Gelenkgeräusche

Die Kiefergelenke weisen normalerweise keine Knack- oder Reibegeräusche auf. Insofern sind solche Geräusche ein Hinweis für das Vorliegen einer CMD. Dies bedeutet allerdings nicht, dass alle Patienten, die allein unter einem Kiefergelenkgeräusch leiden, einer funk­tionstherapeutischen Behandlung bedürfen. Dessen un­geachtet sind hörbare Kiefergelenkgeräusche (Knacken oder Reiben) ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer funktionellen Störung im Gelenk und daher ein „positiver“ Befund. Ein Problem kann die Lautstärke der Geräusche sein, denn laute Gelenksgeräusche sind zwar für den Zahnarzt gut hörbar, aber leise Gelenksgeräusche können nur von den Patienten wahrgenommen werden. Deshalb hat es sich bewährt, zusätzlich den late­ralen Kondylenpol digital zu palpieren und dabei nach Vibrationen sowie Asymmetrien im Bewegungsverhalten zu fahnden (Abb. 6).

Okklusale Geräusche

Normalerweise stellen sich die Zähne im Rahmen des Zahndurchbruchs und danach so ein, dass beim Kiefer­schluss alle Zähne gleichmäßig und insbesondere zeit­gleich Kontakt erreichen. Ein vorzeitiges Auftreffen der Unterkieferzähne auf einzelne Oberkieferzähne, gefolgt von einem Abrutschen und einer anschließenden Abstützung durch andere Zähne, erzeugt daher ein mehrzeitiges Kontaktgeräusch. Derartige Geräusche sind Anhaltspunkte dafür, dass die Zähne beim Zusammen­biss ungleichmäßig abgestützt werden, und das kann ein Faktor sein, der zur Entstehung von Kaufunktionsstörungen beiträgt. Deshalb wird das Kontaktgeräusch beim Kieferschluss untersucht und ein mehrzeitiges Kon­taktgeräusch als „positiver“ Befund gewertet (Abb. 7).

Muskelpalpation schmerzhaft

Die Untersuchung der Kaumuskulatur ist ein wesentlicher Bestandteil der klinischen Funktionsanalyse, wobei eine ganze Reihe von Muskeln systematisch Berücksich­tigung findet. Im Rahmen des CMD-Screenings wird hiervon eine kleine Auswahl untersucht, die verschiede­ne Muskelfunktionen im kraniomandibulären System repräsentiert:

Der M. masseter pars superficialis ist ein Mundschließer und im Bereich der Wange gut tastbar. Die Tastuntersuchung erfolgt bei lockerer, möglichst nicht angespannter Kieferhaltung (Abb. 8).

Beim M. temporalis anterior handelt es sich ebenfalls um einen Mundschließer, der allerdings einen etwas anderen Verlauf hat. Der Muskel wird im Bereich der vorderen Schläfen bzw. unter dem Haar­ansatz (je nachdem, wo dieser liegt) getastet und ist – wie der M. masseter – beim Zusammenbiss unter der äußeren Haut sichtbar. Im Zweifelsfall sollte man die Fingerspitzen in den Bereich legen und den Patienten bitten, einmal nach hinten oben zuzubeißen. Die entsprechenden Strukturen werden dann sofort tastbar (Abb. 9).

Der M. digastricus venter posterior stellt den hinteren Teil eines Muskels dar, der vorn am Unterrand des Kinns beginnt, auf dem Weg durch eine Umlenk­schlaufe im Zungenbein am Kieferwinkel vorbeiläuft und schließlich am Warzenfortsatz (Processus mastoideus) endet. Der Muskel ist bei beidseitiger Innervation an der Rückwärtsbewegung des Unterkiefers beteiligt und zieht bei einseitiger Innervation den Unterkiefer mit zur Seite. Im Zusammenspiel mit anderen Muskeln wirkt er zudem an der Kieferöffnung mit. Getastet wird der Muskel am Unterrand des Kieferwinkels, wobei er sich allerdings nicht in seiner vollständigen Kontur abgrenzen lässt (Abb. 10).

Die Auswertung dieser drei Muskelbefunde erfolgt im Rahmen des CMD-Kurzbefundes in der Form, dass jede Missempfindung oder jeder Schmerz bzw. jede tastbare Verhärtung als „positives“ Merkmal gewertet wird.

Attritionen/Abrasionen

Ein übermäßiger Substanzverlust ist prägend und typisch für das Vorliegen einer CMD und/oder für Erosionen. Er stellt zugleich für den betreffenden Zahn ein Trauma dar und kommt – abgesehen von Biokorrosion – typischerweise durch Knirschen des Unterkiefers aus der Ruhelage in die Exzentrik zustande. Ebenfalls erfasst und in dem Befund subsummiert werden nicht alterstypische Gleithindernisse, insbesondere deutliche Störkontakte in der Seitwärtsbewegung im hinteren Seitenzahnbereich – daher die Bezeichnung „Exzentrik traumatisch“ (Abb. 11 und 12).

Auswertung und Dokumentation


Abb. 13 Auswertung des CMD-Kurzbefundes nach Ahlers und Jakstat auf einem passenden Aufkleber (dentaConcept Verlag, Hamburg)

Die Auswertung ist angesichts der reinen Addition positiver Merkmale einfach und auch im Zeitalter des Taschen­rechners im Kopf zu leisten. Dies kann aber dazu verführen, die Information dort zu belassen. Wie für alle (zahn-)ärztlichen Untersuchungen besteht aller­dings auch für den CMD-Kurzbefund Dokumentationspflicht. Die Zahnarztpraxis kann dieser auf verschiedenen Wegen nachkommen:

So ist es in papier- und EDV-gestützten Karteisystemen möglich, die Befunde und das Ergebnis der Auswertung in Textform zu erfassen. Hierbei entfällt zwar jegliche Vorbereitung, aber dafür ist der Aufwand zur Erfassung der Befunde und des Ergebnisses hoch.

Als Alternative steht für papiergestützte Karteien ein entsprechender Aufkleber zur Verfügung (Abb. 13).

Da die Anzahl der Praxen mit elektronischer Karteiführung stetig zunimmt, haben die Autoren außerdem eine entsprechende Software namens CMDcheck entwickelt3.

CMDcheck ist seit 2001 in verschiedenen Versionen ver­fügbar und als Freeware gratis aus dem Internet herunterzuladen2,4. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrags (Dezember 2015) kam die völlig neu entwickelte Version (CMDcheck 4) heraus, die erstmals unter Windows 7, 8 und 10 sowie unter Mac OS X lief. Die Software an sich bleibt weiterhin im Internet als Freeware zum Download erhältlich (www.dentaconcept.de/Software/CMDcheck.shtml). Eine optionale VDDS-Schnittstelle erhöht den Komfort, da hiermit die Stammdaten aus der Praxis­verwal­tungs­software direkt in CMDcheck übertragen werden.

Die Erfassung des CMD-Kurzbefundes erfolgt auf einer gesonderten Programmseite, und die Auswertung geschieht per Knopfdruck (Abb. 14). Notizen können in einem Zusatzfenster erfasst werden, das  vom rechten Bildschirmrand ein- und ausgeblendet wird (Abb. 15). Beim späteren Export der Ergebnisse in die Praxisverwaltungssoftware oder auf den neuen Befundbogen „CMD-Screening“ werden diese Notizen mitgeführt. Eine multimediale Anleitung zur Durchführung der Untersuchung kann ebenfalls vom rechten Bildschirmrand ein- und wieder ausgeblendet werden (Abb. 16).

Um zu vermeiden, dass bei elektronischer Karteiführung die Einzelinformationen verstreut vorliegen, lassen sich die erhobenen Einzelbefunde, die Auswertung und gegebenenfalls festgehaltene zusätzliche Notizen aus CMDcheck 4 in die Praxisverwaltungssoftware zurück­exportieren und liegen so in der Behandlungshistorie integriert vor (Abb. 17). Sofern der Befund von Patienten oder anderen Stellen angefordert wird, besteht alternativ die Möglichkeit, die gleichen Informationen in einen neuen Befundbogen „CMD-Screening“ auf Papier oder als PDF-Datei auszugeben (Abb. 18).

Diskussion

Der hier vorgestellte CMD-Kurzbefund basiert auf einer Auswahl von Einzelbefunden, die auf den Vorschlag ei­ner „kleinen Funktionsanalyse“ von Krogh-Poulsen24,25 zurückgingen. Die Autoren haben diesen Vorschlag als Grundlage verwendet, weil er in der zahnärztlichen Lite­ratur als Screening für CMD weite Akzeptanz gefunden hatte1,12,15,20,21,32,34. Neu am CMD-Kurzbefund war bei seiner Vorstellung7,8 die Idee der Autoren, die Einzelbefunde mathematisch miteinander zu verknüpfen und zu einem entsprechenden Test zusammenzufügen. Wie die vorstehend zitierte wissenschaftliche Studie zeigte, konnte die diagnostische Aussagekraft des Tests durch dieses Auswertungsverfahren deutlich verbessert werden. Bisher liegen allerdings keine Untersuchungen zum Einsatz und zur diagnostischen Sicherheit des CMD-Kurzbefundes bei Kindern vor. Wünschenswert wäre, dass derartige Untersuchungen in der Zukunft erfolgen.

Der CMD-Kurzbefund ist nicht der erste und nicht der einzige Vorschlag für eine CMD-Basisdiagnostik bzw. ein CMD-Screening. Schon in der Vergangenheit haben andere Autoren19,26,31 aufbauend auf der „kleinen Funktionsanalyse“ Krogh-Poulsens verschiedene Kurztests vorgestellt oder eine Weiterentwicklung gefordert23. Hupfauf19 beschränkte sich im Wesentlichen auf drei klinisch zu erfassende Punkte; je nach Ergebnis war danach das Suchverfahren zu erweitern. Auch der von Nelson31 1989 vorgestellte Screeningtest für die Praxis beruhte auf nur drei Merkmalen (Palpation der Kiefergelenke und Überprüfung nach Gelenkgeräuschen sowie Untersuchung des M. masseter mit Hilfe eines Provokationstests). Lague26 erfasste 1988 in seinem Screening („P.L.A.R.“) vier Kriterien (P = Palpation des Kiefergelenks und des M. pterygoideus medialis, L = „Loading“, also Belastungsprüfung der Kiefergelenke, A = Auskultation der Kiefergelenke, R = „Range of motion“ des Unterkiefers). Keiner der genannten Tests konnte sich in der Praxis durchsetzen.

Weite Verbreitung fand hingegen der 1974 von Helki­mo17,18 beschriebene Dysfunktionsindex. Dieses Un­tersuchungskonzept zur Klassifizierung von CMD taucht wegen seines hohen Bekanntheitsgrades immer wieder als Screeningtest in der zahnärztlichen Literatur auf16,21,33. Der Hauptvorteil des Dysfunktionsindex liegt denn auch in seiner großen Verbreitung33, wohingegen seine geringe Reliabilität, Reproduzierbar­keit und Objektivität als nachteilig anzusehen sind16,21,33. Im Vergleich zum Dysfunktionsindex haftet dem CMD-Kurzbefund nicht der Nachteil an, dass Bewertungs­faktoren relativ willkürlich vergeben wurden, da jedes Merkmal mit nur einem Punkt in die Bewertung eingeht. Die eingangs geschilderte Untersuchung gibt zudem der Abgrenzung zwischen den beiden Gruppen eine gute Grundlage. Wie in allen medizinischen Tests gilt es im Einzelfall dennoch zu prüfen, ob individuelle Faktoren vorliegen, die eine andere Bewertung der Situa­tion erfordern. Hierin ist der Vorteil einer Be­wertung durch Menschen zu sehen. So kann es angebracht sein, bei glaubhaftem Vorbringen eines morgendlichen Gelenkknackens mit Blockade der Mundöffnung, welches sich beim Untersuchungstermin am Nachmittag nicht mehr zeigt, den Befund als solchen zu registrieren. Im Rahmen der händischen Dokumentation würde dieser dann positiv erfasst und ein Hinweis hinzugefügt. Bei der softwaregestützten Auswertung in CMDcheck bestimmt zwar der Auswertungsalgorithmus das Ergebnis. Umso wichtiger waren den Autoren aber die Notizen-Funktion und das automatisierte Mitführen jener Notizen im Be­fundexport sowie im Ausdruck auf dem neuen Befundbogen.

Denkbar wäre auch, dass in Zukunft andere CMD-Screening­tests entwickelt werden. Voraussetzung ist auf jeden Fall eine wissenschaftliche Untersuchung, die überprüft, ob das Ergebnis der entsprechenden Tests mit dem Resultat einer klinischen Funktionsanalyse als Goldstandard korreliert (biometrisch ausgewertet mit der Angabe von Sensitivität und Spezifität)7. Für den CMD-Kurzbefund liegen diese Daten vor.

Ein Beitrag von Priv.-Doz. Dr. med. dent. M. Oliver Ahlers, Hamburg, und Prof. Dr. med. dent. Holger A. Jakstat, Leipzig

Literatur


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Quelle: Die Quintessenz, Ausgabe 12/15 Funktionsdiagnostik & -therapie Zahnmedizin

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