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Prävalenz, klinische Parameter und Valenz für prothetische Restaurationen


Prof. Dr. med. dent. habil. Olaf Bernhardt, Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie, Greifswald

Die okklusalen Führungsmuster wurden in den vergangenen 20 Jahren hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Funktion des Kauorgans mit unterschiedlichsten Ansätzen erforscht und müssen sicherlich gegenüber älteren Dogmen neu bewertet werden.

So zeigt die front-eckzahngeführte Okklusion nicht die höchste Prävalenz unter laterotrusiven Zahnführungsmustern und kann somit auch nicht als vorherrschendes Okklusionsmuster angesehen werden. Jedoch scheint bei Vorhandensein dieses Okklusionsmusters gegenüber anderen wie der Gruppenführung die Ausprägung nichtkariöser Zahnhalsdefekte geringer zu sein. Das Fehlen einer front-eckzahngeführten Okklusion ist nicht mit dem Auftreten von kraniomandibulären Dysfunktionen assoziiert. Somit ist die okklusale Rehabilitation mit Erstellung dieses Führungsmusters auch keine Variante der CMD-Therapie oder dient deren Prävention. Bei notwendigen prothetischen Versorgungen sollten primär die vorhandenen individuellen okklusalen Führungsmuster der Patienten berücksichtig werden. Zum Schutz posteriorer Restaurationen sind front-eckzahngeführte Okklusionsmuster bei komplexen prothetischen Versorgungen dennoch empfehlenswert.

Dieser Beitrag stammt aus der „Zeitschrift für Kraniomandibuläre Funktion“ der Quintessenz Verlags-GmbH. Die Zeitschrift berichtet bilingual in Deutsch und Englisch über neue Entwicklungen in Klinik und Forschung. Sie nimmt aktuelle Original- und Übersichtsarbeiten, klinische Fallberichte, interessante Studienergebnisse, Tipps für die Praxis, Tagungsberichte sowie Berichte aus der praktischen Arbeit aus der gesamten Funktionsdiagnostik und -therapie auf. Vierteljährlich informiert sie über Neuigkeiten aus den Fachgesellschaften und bringt aktuelle Kongressinformationen und Buchbesprechungen. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.


Prävalenz der front-eckzahngeführten dynamischen Okklusion

Vor notwendigen prothetischen Versorgungen, insbesondere nach vorangegangener Funktionstherapie, aber auch vor kieferorthopädischen Maßnahmen stellt sich immer die Frage nach den Gestaltungsmöglichkeiten der dynamischen Okklusion1. Nicht immer lässt sich allerdings eine reine Front-Eckzahnführung prothetisch realisieren und in vielen Fällen ist zu vermuten, dass diese schon vorher nicht vorgelegen hat. Also könnte man dann auf eine Gruppenführung zurückgreifen? Und was geschieht mit den noch eventuell vorhandenen Balancekontakten im Molarenbereich: einschleifen, in die prothetische Versorgung einbeziehen oder einfach belassen?

Das Ziel einer polnischen Arbeitsgruppe um Panek et al.2 war es herauszufinden, welches Okklusionsschema in der natürlichen permanenten Dentition vorherrscht. Für diese klinische Studie wurden 834 Personen (325 Frauen und 509 Männer) im Alter von 20 bis 63 Jahren mit natürlichen Zähnen ohne prothetische Versorgungen ausgewählt. Die Probanden entstammten einer randomisierten Gruppe von 1.500 Breslauer Arbeitern, bei denen prophylaktische medizinische Untersuchungen erfolgten. Die dynamische Okklusion wurde mittels Okklusionsfolie während exkursiver zahngeführter Unterkieferbewegungen ermittelt. Folgende fünf Okklusionsschemata wurden erfasst: O1: bilaterale Eckzahnführung, O2: unilaterale Eckzahnführung, O3: Gruppenführung, O4: balancierte Okklusion, O5: andere Okklusionstypen.

Unterschiede zwischen den Gruppen sowie den Geschlechtern wurden mittels Chi-Quadrat-Tests ermittelt. Es zeigte sich, dass die Gruppenführung mit einer Prävalenz von 41 Prozent den häufigsten Okklusionstyp darstellte. Die reine bilaterale Eckzahnführung trat in 26 Prozent (Abb. 1), die unilaterale Eckzahnführung in 18 Prozent, die balancierte Okklusion in 9 Prozent und andere Okklusionsformen in 6 Prozent der Fälle auf. Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren nicht signifikant. Die Bilaterale und die unilaterale Eckzahnführung nahmen mit dem Alter ab, während die Gruppenführung mit dem Alter anstieg (Abb. 2). Basierend auf diesen Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass die Eckzahn- und die Gruppenführung häufiger bei jüngeren Patienten anzutreffen sind, während die reine Gruppenführung bei älteren Patienten dominiert2.

Demgegenüber wurde in einer japanischen Studie an jungen Erwachsenen nur bei 9,3 Prozent der Probanden eine Eckzahnführung festgestellt, während 45,3 Prozent eine Gruppenführung und 41,9 Prozent eine balancierte Okklusion aufwiesen3. In einer anderen populationsbasierten Studie wurde bei einem Viertel der untersuchten Probanden eine reine Front-Eckzahnführung gefunden, was eher den Ergebnissen von Panek et al. entspricht4. Interessant scheint auch der Aspekt zu sein, dass die sichere Diagnostik der Laterotrusion von der Positionierung des jeweiligen Probanden abhängt. Hiermit lassen sich auch die Unterschiede in den Prävalenzen der Führungsmuster erklären.

Eine interessante Studie zum Einfluss der Körperposition auf die Zahnkontakte in der Dynamik wurde dazu von einer holländischen Arbeitsgruppe durchgeführt5. Ihr Ziel war es, den Einfluss der Körperhaltung auf Zahnführungsmuster im Front- und Seitenzahnbereich zu ermitteln. Hierfür bestimmte ein trainierter Untersucher bei 52 Probanden mittels Shimstock-Folie die Zahnkontakte bei Laterotrusionsbewegungen in aufrecht sitzender, zurückgelehnter (45 Grad) und flach liegender Körperposition. Zahnführungsmuster wurden in Eckzahn-, anteriore und Gruppenführung sowie andere Okklusionstypen eingeteilt. Außerdem erfolgte eine Einteilung in Arbeitsseiten- und Nichtarbeitsseitenkontakte. In aufrechter Position traten eine Eckzahnführung in 44 Prozent und eine Gruppenführung in 40 % der Fälle auf. Lageänderungen führten nicht zu einer spezifischen Änderung des Okklusionstyps. Die Zahl der veränderten Zahnkontakte variierte von 0 bis 22. Nur zwei Probanden zeigten keine Kontaktveränderungen. Fast 83 Prozent der Probanden hatten sieben oder mehr Änderungen bei Arbeitsseitenkontakten, während 48 Prozent sieben oder mehr Änderungen bei Nichtarbeitsseitenkontakten aufwiesen. Veränderungen in den Führungsmustern traten also bei fast allen Probanden nach Positionsänderungen auf. Bei größeren okklusalen Rehabilitationen ist daher auf alle Fälle die Registrierung von statischer und dynamischer Okklusion in mehr als nur einer Körperposition zu empfehlen5.

Die front-eckzahngeführte dynamische Okklusion und nicht kariöse Zahnhalsdefekte

Defekte im Bereich der Zahnhälse werden in der täglichen Praxis häufig beobachtet. Diese in der Regel nicht kariösen Substanzverluste können zu starken ästhetischen Einschränkungen und Hypersensibilitäten, in extremen Fällen auch zu Zahnfrakturen führen6.

Die Entstehung dieser oft keilförmigen Defekte wird bis heute sehr kontrovers diskutiert. Drei Theorien werden zur Erklärung der Entstehung von Zahnhalsdefekten herangezogen: Neben der Abrasion von Zahnhartsubstanz beim Zähneputzen und der chemischen Erosion durch exogene und endogene Säuren kann auch eine überhöhte okklusale Belastung von Zähnen durch Dysfunktion des Kauorgans, Zahnfehlstellungen und Bruxismus zur Ausbildung zervikaler Defekte führen, indem die Zähne elastisch deformiert werden und sich der Prismenverband am Ort des geringsten Widerstandes (Zahnhalsregion) auflöst7,8.

In den funktionsanalytischen und rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen von Meyer et al.9 konnten an analysierten Defekten vertikale Grenzflächen- und horizontale Schubspannungsbrüche im Schmelz-Dentinbereich als mögliche Folge von exzentrisch zur Zahnachse einwirkenden Fehlbelastungen nachgewiesen werden. Ergebnisse der Untersuchungen von Leja et al.10 zeigen, dass nicht kariöse, zervikale Defekte in 89 Prozent der Fälle mit Mediotrusionskontakten in Kombination mit einer Gruppenführung einhergehen. Für die Biegebelastungstheorie durch veränderte okklusale Kräfte gibt es auch Hinweise in Form von experimentellen Studien11,12.

Pintado et al.13 konnten ebenfalls auf eine Korrelation zwischen der okklusalen Abnutzung der Zähne und der Entstehung zervikaler Defekte hinweisen (Abb. 2). Sie untersuchten über einen Zeitraum von 14 Jahren drei zervikale Defekte einer Person im Abstand von 8, 11 und 14 Jahren und konnten am Ende einen okklusalen Substanzverlust von 1 mm und einen Substanzverlust von 1,5 mm im zervikalen Bereich verzeichnen. Der Pa­tient hatte anfänglich eine einseitige Eckzahnführung und zuletzt eine bilaterale Gruppenführung, sodass durch die Gruppenführung, welche größere exkursive Kontakte der Okklusalflächen aufweist, die Ausbildung zervikaler Defekte zunahm.

In einer japanischen Studie wurde der Frage nachgegangen, ob es einen Zusammenhang zwischen okklusalen Zahnkontakten und nicht kariösen Zahnhalsdefekten (NZHD) gibt14. Hierfür wurden 386 männliche Angestellte im Alter von 30 bis 59 Jahren ohne Zeichen und Symptome einer CMD, ohne posterioren Stützzonenverlust und mit mehr als 20 Zähnen in die Studie einbezogen. Alle nicht kariösen vestibulären Zahnhalsdefekte und Füllungen in diesem Bereich wurden registriert und Zahnputzgewohnheiten mit einem Fragebogen erfasst. Die Ermittlung dynamischer Okklusionsparameter erfolgte mittels Inspektion während zahngeführter Exkursivbewegungen. Die Okklusionsmuster wurden nach Mediotrusionskontakten (kein Kontakt, unilateraler Kontakt, bilateraler Kontakt) und Laterotrusionskontakten (kein Kontakt, Front-Eckzahnführung, Front-Eckzahn-Prämolarenführung und Front-Eckzahn-Prämolaren-Molarenführung) eingeteilt.

58 Prozent der Probanden wiesen mindestens einen NZHD auf. Obere erste Prämolaren waren zu 27 Prozent rechts bzw. 23 Prozent links betroffen, gefolgt von den unteren ersten Prämolaren mit rechts 21 Prozent und links 20 Prozent. Die Zahl der NZHD nahm mit dem Alter signifikant zu. Bivariate Analysen ergaben, dass NZHD mit dem Vorhandensein von Mediotrusionskontakten (p = 0,03), aber nicht von Laterotrusionskontakten (p = 0,07) assoziiert waren. Auch die Häufigkeit des Zähneputzens zeigte keine signifikante Assoziation zum Auftreten von NZHD14.

In der logistischen Regressionsanalyse mit Alters­adjustierung ergab sich, dass Probanden mit bilateralen Mediotrusionskontakten im Vergleich zu solchen ohne diese Kontaktsituation ein 2,2-fach höheres Risiko haben, NZHD zu entwickeln. Bei Probanden mit Laterotrusionskontakten im Front-Eckzahn-Prämolarenbereich ist das Risiko, NZHD zu entwickeln, 2,3-fach höher als bei Probanden mit einer reinen Front-Eckzahnführung. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten eindeutig einen Zusammenhang zwischen bestimmten dynamischen Okklusionstypen (bilaterale Mediotrusionskontakte und Latero­trusionskontakte im Front-Eckzahn-Prämolarenbereich) und dem Vorhandensein von NZHD. So scheint eine Front-Eckzahnführung ein günstiges Okklusionskonzept für die Vermeidung von NZHD zu sein.

Gegenwärtig wird die Entstehung von NZHD als multifaktoriell bedingt angesehen, indem mehrere der oben genannten Prozesse auch gleichzeitig die Defekte verursachen können7,15,16.

Die front-eckzahngeführte dynamische Okklusion und CMD

Der Terminus CMD stellt einen Sammelbegriff für eine Reihe von funktionellen Störungen im Kopf- und Halsbereich dar. Leitsymptome einer CMD sind Schmerzen in der Kaumuskulatur und/oder den Kiefergelenken sowie deren eingeschränkte Funktion. Die Ätiologie einer CMD wird heutzutage schon aufgrund der Heterogenität dieser Erkrankung als multifaktoriell eingeschätzt. Die Wertung der Okklusion als ätiopathogenetischer Faktor für die Entstehung von Funktionsstörungen wird allerdings schon seit Längerem als gering angesehen17.

Korrelationen mit okklusalen Störungen zeigten sich nur bei Vorliegen eines Kreuzbisses, Mediotrusionsvorkontakten, unilateralen Kontakten und lateralem Abgleiten zwischen Zentrik und maximaler Interkuspidation18. Des Weiteren scheint eine Nonokklusion der Molaren das Risiko für die Entwicklung myofaszialer Schmerzen erhöhen zu können19. Hierzu untersuchten auch Mundt et al.20 im Rahmen der Study of Health in Pomerania (SHIP)21 2.963 Probanden im Alter zwischen 35 bis 74 Jahren. Bei männlichen Studienteilnehmern ergaben sich signifikante Assoziationen zwischen dem Verlust okklusaler Stützzonen entsprechend der Eichner-Klassifikation und Druckdolenzen in Kaumuskulatur und Kiefergelenk.

Von den okklusalen Parametern waren bisher die statische Okklusion, das heißt, das Auftreten von Vorkontakten oder Infraokklusionen, sowie der Einfluss dentaler Führungsmuster auf Zeichen und Symptome einer CMD in epidemiologischen Studien noch nicht umfassend untersucht worden19,20. In einer Substichprobe von SHIP, in der diese Kontaktmuster bestimmt worden waren, wurden daher mögliche Assoziationen zwischen dynamischen sowie statischen Kontaktmustern im Molarenbereich mit Zeichen und Symptomen einer CMD überprüft4.

Bei 558 Personen im Alter von 20 bis 49 Jahren mit mindestens 20 Zähnen (assoziiertes Projekt zur Study of Health in Pomerania, SHIP 0), wurden die Kontaktsituation der Zähne des Ober- und Unterkiefers bei statischer und dynamischer Okklusion sowie Zahnstellungsanomalien erfasst. Weiterhin wurden die Probanden mittels klinischer Funktionsanalyse untersucht. Die Auswertung erfolgte bivariat mithilfe von Chi-Quadrat-Tests, Korrelationsanalysen sowie multivariaten Modellen.

Parameter in statischer und dynamischer Okklusion wurden mithilfe von Okklusions- und Shimstock-Folie erfasst. Registriert wurden Kontakte in Interkuspidation und während protrusiver und laterotrusiver Bewegungsabläufe. Die Protrusionsbewegung erfolgte bis auf Schneidekantenkontakt, aber maximal bis 5 mm nach anterior mehrfach. Auch die Laterotrusion wurde dreimal wiederholt und dabei die Zahnkontakte sowohl auf der Arbeits- als auch auf der Balanceseite erfasst. Hieraus konnten der Führungstyp und das etwaige Auftreten von Hyperbalancen berechnet werden. Das Maximum der Lateralbewegung war auf 3 mm beschränkt, da außerhalb dieses Bereiches mit einer parafunktionellen Kontaktposition gerechnet werden musste.

Statische Kontakte wurden in beidseitige posteriore Kontakte, einseitige posteriore Kontakte und fehlende posteriore Kontakte unterteilt. Hinsichtlich der dynamischen Okklusion wurden die Probanden nach reiner Front-Eckzahnführung, Gruppenführung, balancierter Führung, gemischter Führung und Hyperbalancen unterteilt. 25,7 Prozent der Probanden wiesen eine reine Front-Eckzahnführung, 14,0 Prozent eine Gruppenführung, 20,3 Prozent eine balancierte Führung auf, während 35,8 Prozent gemischte Führungsmuster hatten. Bei 4,2 Prozent der Probanden wurden Hyperbalancen im Molarenbereich festgestellt. Dynamische Führungsmuster sowie weitere statische okklusale Parameter waren in dieser epidemiologischen Studie nicht mit CMD-Symptomen (Selbstangabe von Schmerzen) assoziiert4.

Dass der okklusale Faktor trotzdem nicht zu vernachlässigen ist, zeigen Arbeiten wie die von Chiappe et al.22. Die Autoren untersuchten den klinischen Wert von 12 okklusalen Faktoren beziehungsweise Malokklusionen für die Vorhersage einer Diskusdislokation mit Reposition (DDmR) an 165 CMD-Patienten mit DDmR im Vergleich zu 145 gesunden Probanden. Klinisch relevant mit einer DDmR assoziiert waren das Fehlen einer Eckzahnführung beidseits (Odds Ratio 2,8), Mediotrusionsvorkontakte (Odds Ratio 2,1) und das Gleiten in die RKP ≥ 2 mm (Odds Ratio 1,7). Andere okklusale Faktoren waren nicht signifikant mit einer DDmR assoziiert. Die Autoren fanden einmal mehr, dass sich zwar Zusammenhänge zwischen bestimmten okklusalen Faktoren und arthrogenen Formen der CMD finden lassen, diese aber nicht sehr ausgeprägt sind. Das statistische Modell erreichte eine Sensitivität von 63 Prozent und eine Spezifität von 64 Prozent, was eindeutig zu gering ist, um alleine aus solchen okklusalen Faktoren sinnvolle Vorhersagen über den Zustand der Kiefergelenke zu machen. Okklusale Faktoren scheinen aber bestehende CMD-Risiken in ihren Auswirkungen verstärken zu können23,24.


Abb. 3 Eckzahnführung mittels Okklusionsschiene.

Zur Behandlung von CMD, aber auch von Bruxismus befürworten viele Praktiker den Einsatz von eckzahngeführten Okklusionsschienen, die bei Laterotrusionsbewegungen des Unterkiefers zu einer Disklusion der Molaren führen (Abb. 3). Während einige Studien darauf hindeuten, dass Eckzahnführungen bei asymptomatischen Probanden für die Verringerung der Muskelaktivität effektiver sind, konnten in anderen Studien keine Unterschiede in der Muskelaktivität von gesunden Probanden und CMD-Patienten gefunden werden. In einer Studie an Patienten mit Schlafbruxismus zum Vergleich von Schienen mit Eckzahn- gegenüber Molarenführung wurde festgestellt, dass die beiden Schienentypen bezüglich der elektromyographischen Aktivität nahezu die gleiche Wirkung auf die Muskulatur haben25.

Generell erscheinen nicht okklusale wie systemische, metabolische, strukturelle, traumatische, psychologische, soziale und das Verhalten beeinflussende Faktoren gegenüber okklusalen Faktoren für die Prädisposition, Initiation und Unterhaltung der CMD als gewichtiger. So hat sich auch die Erforschung der Ätiologie der CMD eher in den Bereich einer schmerzbezogenen Pathophysiologie sowie auf genetische, hormonelle, psychosoziale und kulturelle Faktoren verlagert26.

Die front-eckzahngeführte dynamische Okklusion und prothetische Restaurationen

Wie schon in den vorangegangenen Abschnitten angedeutet, ist die Intention zur Erforschung der dynamischen Okklusion häufig die Suche nach Okklusionskonzepten zur optimalen Umsetzung prothetischer Restaurationen (Abb. 4 und 5).

In einer aktuellen Übersichtsarbeit über die Auswirkungen lateraler Okklusionsschemata sollten Vor- und Nachteile bestimmter Okklusionsschemata für die Wiederherstellung der Okklusion mittels prothetischer Versorgungen untersucht werden27. Hierfür erfolgte eine Literatursuche bis zum Jahr 2014 in folgenden Datenbanken: PubMed, Google Scholar und Cochrane Library. Dabei wurden zwei Kategorien berücksichtigt, nämlich vergleichende Studien und klinische Ergebnisstudien. Veränderungen der Okklusion wurden durch Kompositaufbauten und festsitzende Restaurationen (auch implantatgetragen) erreicht. Einbezogene Artikel mussten ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben und die Untersuchungen an menschlichen Probanden erfolgt sein. Für jede Kategorie wurden 13 Studien gefunden. Die am häufigsten untersuchten Okklusionsschemata waren die eckzahngeführte Okklusion (EO) und die gruppengeführte Okklusion (GO). Studien der Kategorie 1 untersuchten den Einfluss der dynamischen Okklusion auf Muskelaktivität (EMG), Diskusverlagerungen, Mastikation und Unterkieferbewegungen. Kategorie-2-Studien evaluierten den Einfluss der restaurierten Okklusion auf Haltbarkeit, Patientenkomfort und pathologische Konsequenzen. EO war durch begrenztere Bewegungen des Unterkiefers bei der Mastikation und eine geringere EMG-Aktivität der Kaumuskulatur bei Knirschbewegungen gekennzeichnet. GO war hingegen mit weiteren Unterkieferbewegungen und einer schnelleren Mastikation assoziiert. Während der Mastikation gab es zwischen beiden Okklusionsschemata keine Unterschiede in der EMG-Aktivität. Langzeitstudien zeigten auch keine Unterschiede in der Überlebensdauer und der Patientenzufriedenheit hinsichtlich okklusaler Führungsmuster. Komplikationen prothetischer Versorgungen traten eher bei Bestehen von Bruxismus und antagonistischen implantatgetragenen Restaurationen auf. Trotz einiger Unterschiede bei den untersuchten okklusalen Führungsmustern scheint die physiologische Funktion nicht beeinflusst zu sein.

Die Akzeptanz unterschiedlicher anteriorer Führungsmuster durch Patienten wurde in einer klinischen Studie mit variablen Schienen untersucht. Biomechanisch optimierte Aufbissbehelfe mit individuell gestalteter Front-Eckzahnführung wurden von den Probanden eindeutig besser bewertet, was sicherlich auf die bessere laterale Taktilität von Frontzähnen zurückgeführt werden kann28 (Abb. 6).

Zumindest aus Modellsimulationen lassen sich für Patienten mit Bruxismus und implantatgestützter prothetischer Versorgung Vorteile hinsichtlich der Stressbelastung der eingesetzten Materialien bei Gestaltung einer Eckzahnführung gegenüber der Gruppenführung ableiten29. Bei umfangreichen Rehabilitationen kann die Erstellung einer Front-Eckzahnführung allerdings ein geeignetes Konzept sein, um den Langzeiterfolg posteriorer Restaurationen zu gewährleisten30 (Abb. 7).

Die Autoren erklären, dass keinerlei Interessenkonflikt besteht. Ferner erklären die Autoren, dass die Patienten ihr Einverständnis zur Teilnahme an der vorgelegten Untersuchung dokumentiert haben.

Ein Beitrag von O. Bernhardt1, G. Meye, H. Schülein

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Quelle: Zeitschrift für Kraniomandibuläre Funktion, Ausgabe 2/17 Funktionsdiagnostik & -therapie Zahnmedizin

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