Digitaler Workflow bei der Herstellung von Zahnersatz, Materialien, Kommunikation und die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR): Diese und weitere Themen standen beim diesjährigen Prothetik Symposium der Firma Merz Dental (Lütjenburg) und des Berliner Quintessenz Verlags auf dem Programm. Rund 150 Teilnehmer verfolgten die Vorträge am Bildschirm, nachdem das Symposium pandemiebedingt kurzfristig in eine virtuelle Veranstaltung umgestaltet wurde.
Die Tagung stand in diesem Jahr unter dem Motto „Nur noch digital – und wo bleibt der Patient?“. Grundidee war, sich die Digitalisierung in der Zahntechnik und Zahnmedizin, die sich gerade im vergangenen Jahr erheblich beschleunigt hat, genau anzusehen, im Hinblick auf Chancen und Potenziale, aber auch auf die Verantwortung den Patienten gegenüber. Eröffnet wurde das Symposium von Timo Bredtmann, Leiter der Abteilung Marketing und Vertrieb von Merz Dental, und von Dan Krammer, Programmplanung Zahntechnik beim Quintessenz Verlag. Es moderierten Prof. Dr. Jan-Frederik Güth, Leiter der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Frankfurt am Main, und ZTM Hans-Jürgen Stecher aus Wiedergeltingen. Beide gehören auch dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie (ADT), die jährlich in Nürtingen tagt. Gesendet wurde aus dem Studio des Quintessenz Verlags in Berlin.
Das Genfer Konzept
Als erste Referentin stellte Dr. Malin Strasding von der Universität Genf das Genfer Konzept für die digitale Herstellung von Zahnersatz vor. Dieses Konzept ermöglicht, Versorgungen weitgehend digital herzustellen, aber auch – insbesondere bei herausnehmbarem Zahnersatz – von digitalen zu analogen Schritten und umgekehrt zu wechseln. Aus Sicht von Strasding zählen bei der digitalen Herstellung vor allem die Vorhersagbarkeit der Prothesen, der Zeitgewinn bei der Herstellung und damit die geringere, Kosten.
ZTM Martin Weppler aus Weingarten setzte sich mit der digitalen Herstellung von Teleskopprothesen auseinander. Er zeigte sich davon überzeugt, dass in Zukunft weitestgehend modellfrei gearbeitet wird und Sekundärstrukturen direkt gefräst und veredelt werden, ohne weitere Bearbeitung per Hand. Die Visualisierung über digitale Tools ermöglichen den Patienten, das Ergebnis im Voraus betrachten zu können.
Was der Artikulator kann – und was nicht
ZTM Jochen Peters aus Kleinmeinsdorf machte in gewohnt atemberaubender Geschwindigkeit und dabei noch sehr anschaulich klar, wie wichtig es ist, bei Versorgungen die richtige Okklusion genau im Blick zu haben. Er warnte davor, sich auf den Artikulator zu verlassen, da dieser über keine Gewebe, keine Bänder und keine Muskeln verfüge. Und: Nur im Oberkiefer okklusal einschleifen, nicht im Unterkiefer!
Karl-Heinz Martiné, Geschäftsfüherer der Unternehmensberatung Proxi aus Köln, widmete sich in der Folge der MDR und dabei vor allem dem Qualitäts- und Risikomanagement. Er wies auf dringend zu dokumentierende Sachverhalte in Labor und Praxis hin und plädierte für die Digitalisierung der Kommunikation zwischen Zahnärztin und Zahntechniker.
Rahmenbedingungen für monolithische Restaurationen
Nach Dr. Christian Diegritz von der Universität München, der Möglichkeiten und Grenzen der endodontischen Zahnerhaltung deutlich machte, wandte sich Prof. Jan-Frederik Güth monolithischen Restaurationen zu und der Frage, ob es sich bei diesen um eine Innovation oder eher um einen biomechanisch-optischen Kompromiss handelt. Seiner Erfahrung nach kommt es bei monolithischen Versorgungen immer darauf an, wie hoch die Belastung ist und in welcher Richtung sie auf die Versorgung einwirkt. Unter anderem spielen die Kronengeometrie, der Durchmesser des Implantats und die Kaukräfte und Kaumuster eine wichtige Rolle. Kliniker sollten sich beim Einsatz monolithischer Restaurationen der optischen Möglichkeiten und der Limitationen des gewählten Materials bewusst sein und diese gegen die biomechanischen Stärken beziehungsweise Schwächen indikationsbezogen abwägen.
Schienenherstellung im Vergleich
Für ZTM Shahab Esfarjani aus Jenbach gleicht das Verhältnis von Zahnarzt zu Zahntechnikerin dem von Bauherr zu Architektin. Er demonstrierte gemeinsam mit Dr. Mathias Keller aus Innsbruck, wie vorhersagbare Ergebnisse über eine strukturierte und enge Kommunikation zwischen Praxis und Labor entstehen. Sobald die Diagnostik abgeschlossen sei, müsse der Zahntechniker mit einbezogen werden, so zum Beispiel in die Evaluation der ästhetisch-klinischen Situation, bei der Entscheidung, ob überwiegend digital oder analog gearbeitet wird, bei der Einprobe oder auch der Farbauswahl. Dabei spielen auch Details ein Rolle, zum Beispiel die Frage, ob beide mit der gleichen Kamera arbeiten, weil sonst die Farbwiedergabe unter Umständen voneinander abweicht.
ZTM Hans-Jürgen Stecher und sein Sohn ZT Sebastian Stecher verglichen anschließend die analoge und die digitale Herstellung von Schienen. Für die analoge Herstellung spricht ihrer Ansicht nach, dass keine Lieferzeiten externer Hersteller eingerechnet werden müssen, die Wertschöpfung im Labor stattfindet und hier auch die Qualität des Ergebnisses geprüft wird. Allerdings ist die analoge Herstellung im Verhältnis kostenintensiver. Dem gegenüber sei die Materialqualität digital hergestellter Schienen besser, die Ergebnisqualität konstant und damit einschätzbar, aber auch abhängig von einer guten Datenerfassung und guter Kooperation mit dem Dienstleister.
Online-Kommunikation und Datensicherheit
ZTM Pawlos Stilos und Benjamin Viethen, Creative Director beim Marketingunternehmen Addix aus Eutin, stellten zum Schluss des Symposiums verschiedene Online-Kommunikationstools vor, die die Arbeit eines Labors erleichtern können. Diese machen es möglich, gemeinsam Dokumente zu bearbeiten, verbessern das Projektmanagement und helfen, Platz zu sparen. Ein Problem im Austausch mit der Praxis ist allerdings die Datensicherheit. Weshalb hier E-Mails aus Sicht der Vortragenden noch immer das Mittel der Wahl sind.
Saphir Robert, Redaktion Quintessenz Zahntechnik
Diesen Beitrag mit weiteren Impressionen des Prothetik-Symposiums findet man im Januarheft der Quintessenz Zahntechnik.