Wie füllt man den leeren Raum zwischen Ober- und Unterkiefer? Soll es schön aussehen, soll es beim Kauen und Sprechen nur helfen oder die Funktion des Kiefers wiederherstellen und erhalten? Welchem Aspekt gibt man den Vorzug? Das war nicht immer klar und wurde auch nicht immer gleich entschieden. An der Geschichte der Aufstellkonzepte für den zahnlosen Kiefer lässt sich wunderbar ablesen, wie unterschiedlich wissenschaftliche Erkenntnisse, handwerkliche Möglichkeiten und gesellschaftliche Ansprüche je nach Zeit und Fürsprecher berücksichtigt wurden.
In seinem Beitrag für die Quintessenz Zahntechnik 11/21 beschreibt ZTM Patrik Guttenbacher den Anfang dieser zahntechnischen Disziplin unter biomechanischen Prinzipien, gefolgt von physiologischen Erkenntnissen, zahngeführten Aufstellungen bis hin zu den neuen Möglichkeiten, Totalprothesen digital herzustellen.
„Der Rest beißt sich fest“
Die Erkenntnisse und Entwicklungen aus den Anwendungen der verschiedenen Konzepte brachten dabei neue Felder der gelenksorientierten Zahnheilkunde hervor, wie die klassische Gnathologie oder die Kondylartheorie. Beginnend mit dem großen Alfred Gysi zeigt Guttenbacher anschaulich, mit welchen Vorgaben auch die Begründer der modernen Totalprothetik umgehen mussten. So hatte Gysi bei seinem Examen in der Zahnheilkunde die Vorgabe, dass alle Höcker seiner Prothesenzähne Kontakt mit der Tischplatte hatten. Mit den entsprechenden Prothesen konnte durch Öffnungs- und Schließbewegung relativ weiche Nahrung zerkaut werden, ein normales Kauen war damit nicht möglich. Die Zahnersatz-Produkte dieser Zeit unterteilte man in Kauprothesen und Schauprothesen mit entsprechend anderer Zahnaufstellung.
Die Quintessenz Zahntechnik, kurz QZ, ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für alle Zahntechniker und zahntechnisch interessierte Fachleute, die Wert auf einen unabhängigen und fachlich objektiven Informationsaustausch legen. Im Vordergrund der Beiträge und Berichterstattung steht die Praxisrelevanz für die tägliche Arbeit. In dieser Zeitschrift finden sich Zahntechniker, Dentalindustrie und die prothetisch orientierte Zahnarztpraxis mit ihren Anliegen nach einer hochwertigen Fortbildung gleichermaßen wieder. Zur Online-Version erhalten Abonnenten kostenlos Zugang. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Gysi und die Artikulationslehre
Gysis biomechanisches Konzept schlug erstmals mehrere Fliegen mit einer Klappe: sein System ermöglichte Prothesen, die relativ gut aussahen, auch beim Kauen stabil in Position blieben und damit den Kieferkamm nicht weiter schädigten. Weitere Pioniere wie Dr. Carl Hiltebrandt berücksichtigten die physiologischen Abkaumuster an natürlichen Zähnen älterer Menschen und führten zu den berühmten Physioform-Zähnen, die nach dem Mörser-Pistill-Prinzip funktionierten. Prof. Alfred Gerber widmete sich dem Kiefergelenk und der Übertragung seiner Bewegung in den Artikulator.
Diese und weitere Prinzipien wie die Kalottenaufstellung, das Kaubahn/Gleitprinzip, Front-/Eckzahnführung und deren Weiterentwicklungen werden ausgeführt und geben dem Leser einen hervorragend aufbereiteten Überblick über die Konzepte der Totalprothetik und ihren Einfluss auf die gesamte Prothetik der Zahnheilkunde.