Zahntechnik steckt mitten im Wandel. Digitalisierung, technologischer Fortschritt sowie veränderte Patienten- und Kundenzentrierung treiben die Branche voran. Nach der ersten europäischen Dentalmarktstudie im Jahr 2019, die der Gesellschaft zur Förderung der Dental-Industrie (GFDI) und dem Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) in Auftrag gegeben worden war, hat nun Rebmann Research, ein Unternehmen für Marktanalysen im Gesundheitswesen, eine überarbeitete Version vorgelegt, den „Atlas Dental 2024/25“. Auf rund 250 Seiten wird die Marktsituation in einer Vielzahl von Details beleuchtet, darunter auch ein Blick auf die Zahntechnik und was die aktuelle Marktsituation für die Zukunft der Dentallabore bedeuten könnte. Marktstudien wie der „Atlas Dental“ helfen, Veränderungen zu verstehen und sich mit zukunftsweisenden Fakten auseinanderzusetzen.
Dieser Beitrag von Annett Kieschnick stammt aus der aktuellen Quintessenz Zahntechnik 01/2025. Die Quintessenz Zahntechnik, kurz QZ, ist die elf Mal jährlich erscheinende Fachzeitschrift für alle Zahntechniker und zahntechnisch interessierte Fachleute, die Wert auf einen unabhängigen und fachlich objektiven Informationsaustausch legen. Im Vordergrund der Beiträge und Berichterstattung steht die Praxisrelevanz für die tägliche Arbeit. In dieser Zeitschrift finden sich Zahntechniker, Dentalindustrie und die prothetisch orientierte Zahnarztpraxis mit ihren Anliegen nach einer hochwertigen Fortbildung gleichermaßen wieder. Zur Online-Version erhalten Abonnenten kostenlos Zugang. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Dentalland Deutschland
In Nachfrage und Angebot zählt Deutschland zu den Spitzenreitern. Die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ist die höchste in Europa (Abb. 1). Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in den vergangenen Jahren an; interessanterweise wächst der Gesundheitsmarkt stärker als die Gesamtwirtschaft (2021: + 2,6 Prozent). Etwa 6,4 Prozent (30,5 Milliarden Euro) der Gesundheitsausgaben fallen auf Zahnarztpraxen. Die Pro-Kopf-Ausgaben lagen bei 341 Euro; im europäischen Vergleich auf Platz 2 nach der Schweiz.
Auch der deutsche dentale Anbietermarkt ist groß; die Versorgung ist überdurchschnittlich gut. Für 1.000 Einwohner stehen durchschnittlich 0,86 Zahnärzte bereit (Abb. 2), Dentalmetropolen sind Berlin und Hamburg. Auch in der Zahntechnik erreicht die Quote einen europäischen Spitzenwert. Auf einen Zahnarzt kommt fast ein Zahntechniker. Die Ausgaben für Zahnersatz sind hoch, ebenso die Labordichte mit 18 Dentallaboren je 100.000 Einwohner. Doch mit einem der höchsten Medianalter in Europa (46 Jahre) zeichnet sich in Deutschland eine demografische Entwicklung ab, die die Nachfrage nach zahnärztlichen Leistungen weiter steigen lassen wird. Gleichzeitig verschärft sich der Fachkräftemangel: Zahntechniker und Zahntechnikerinnen und zahnmedizinische Fachangestellte zählen laut Bundesagentur für Arbeit bereits seit Längerem zu den Engpassberufen.
Hersteller und Handel
Deutschland ist weltweit der drittgrößte Produzent von Medizintechnik und zeichnet sich durch eine mittelständisch geprägte Struktur aus. Auch im Dentalbereich nimmt Deutschland eine führende Rolle ein. Der Verband der Deutschen Dentalindustrie (VDDI) hat mehr als 200 Mitgliedsunternehmen. Im Jahr 2022 erzielten sie einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro, wobei 64 Prozent durch Exporte generiert wurden. Der Inlandsumsatz stieg um 7,2 Prozent. Der Anteil des Fernabsatzes von Dentalprodukten liegt bei 18 Prozent. Der Anteil von 18 Prozent Fernumsatz zeigt, dass der klassische Vertrieb nach wie vor eine zentrale Rolle spielt. Die Mehrheit der Kunden schätzt persönliche Beratung und direkten Kontakt, was in der Dentalbranche besonders wichtig scheint. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieses Verhältnis in Zukunft entwickeln wird.
Über die Grenzen des Dentallabors
Zahntechniker sollten auch übergreifende Trends berücksichtigen. Beispiele sind der steigende Frauenanteil unter Zahnmedizin-Studierenden und die demografische Entwicklung. Der zunehmende Anteil von Zahnärztinnen führt zu einer veränderten Kundenstruktur. Gleichzeitig stellt die alternde Gesellschaft neue Anforderungen an Zahnersatz und die Zusammenarbeit mit Praxen. Die Zahlen dazu: Im Wintersemester 2022/2023 gab es in Deutschland rund 13.400 Studierende der Zahnmedizin, von denen etwa zwei Drittel Frauen waren. Das Durchschnittsalter aller Zahnärzte lag Ende 2021 bei 48,6 Jahren, wobei Zahnärztinnen im Schnitt etwas jünger waren als ihre männlichen Kollegen. Die Zahlen verdeutlichen den Wandel in der Berufsdemografie und weisen auf die zunehmend weiblich geprägte Zukunft der Zahnmedizin hin.
Die Branche verändert sich rasant und verlangt von Dentallaboren, sich ständig an die neuen Marktbedingungen anzupassen – von der veränderten Altersstruktur in Zahnarztpraxen über Digitalisierung, Nachhaltigkeit bis hin zu informierten, älteren Patienten und neuen Formen und Intensitäten interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Dentallabore unter sich
Spannend ist der Blick auf den deutschen Labormarkt. Es gibt etwa 7.500 Dentallabore und rund 21.300 Praxislabore. Circa 53 Prozent aller Zahnarztpraxen betreiben ein eigenes Praxislabor, davon etwa 6.300 Praxen mit angestellten Zahntechnikern.
Umsatzzahlen gewerblicher Labore
2021 gab es 6.259 gewerbliche Dentallabore (umsatzsteuerpflichtige Betriebe mit einem Jahresumsatz ab 22.000 Euro). Davon zählen 62,6 Prozent zu den Kleinlaboren mit einem Umsatz von weniger als 500.000 Euro. Diese Kleinlabore tragen 19,8 Prozent zum Gesamtumsatz der Branche bei. Die mittleren Labore (mit einem Umsatz zwischen 500.000 Euro und 5 Millionen Euro) machen 58,1 Prozent des Gesamtumsatzes aus (Abb. 3). Und 0,8 Prozent der Labore – das entspricht 48 Betrieben – erzielen einen Umsatz von mehr als fünf Millionen Euro.
Trotz ihrer geringen Anzahl haben diese Großlabore einen Anteil von 22 Prozent am Gesamtumsatz. Seit 2012 ist die Anzahl der Betriebe rückläufig, hier sind vor allem kleinere Labore betroffen. Von den rund 46.375 sozialversicherungspflichtig angestellten Zahntechnikern (Juni 2022) arbeiten 85 Prozent in gewerblichen Dentallaboren.
Bedarf und Leistungen
Im Jahr 2021 betrugen die Gesamtausgaben für Zahnersatz 8,63 Milliarden Euro, wobei der Umsatz gewerblicher Dentallabore etwa 4,4 Mrd. Euro ausmachte. Nach einem pandemiebedingten Rücgang von 4,6 Prozent im Jahr 2020 erholte sich der Umsatz 2021 mit einem Anstieg von 9,7 Prozent. Im Jahr 2022 setzte sich das Wachstum mit 1,8 Prozent fort. Die Menge der Zahnersatzleistungen ist aufgrund verbesserter Mundgesundheit rückläufig. Der Schwerpunkt verlagert sich zunehmend auf Zahnerhaltung, Prävention und ästhetisch hochwertige Versorgungen, mit denen Labore den Rückgang etwas ausgleichen können. Positiv für den Prothetikbedarf eingeordnet werden kann der Eintritt der Babyboomer-Generation ins Seniorenalter. Zudem ermöglichen Kooperationen mit Pflegeeinrichtungen erweiterte Abrechnungsmöglichkeiten für die zahnmedizinische Versorgung von Pflegeheimbewohnern. Dies schafft nicht nur eine bessere Versorgung für diese Menschen, sondern bietet auch Laboren die Chance, ihre Expertise dort einzubringen.
Auslandszahnersatz
Schätzungen zufolge stammen zehn bis 30 Prozent des Zahnersatzes in Deutschland aus dem Ausland. Eine Umfrage unter 300 Zahnarztpraxen ergab, dass 36 Prozent Erfahrungen mit Auslandszahnersatz haben und 39 Prozent sind bereit, Patienten bei hohen Kosten auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Interessant ist, dass nur etwa ein Fünftel des Zahnersatzes aus dem Ausland von einem der Top-10-Anbieter gefertigt wird – der Großteil kommt aus kleineren Dentallaboren. Die wachsende Nachfrage nach hochwertigen, individuellen Produkten und die verstärkte Nutzung von CAD/CAM-Technologie könnten jedoch die Bedeutung des Auslandszahnersatzes relativieren.
Demografischer Wandel
Mit einem Durchschnittsalter von 44,6 Jahren in Deutschland bringt die Alterung der Gesellschaft Herausforderungen mit sich. Besonders die sogenannten Best Ager und die älteren Senioren, da unter viele Pflegebedürftige, gewinnen als Patientengruppe an Bedeutung. Doch nicht nur die Patientenseite verändert sich – der demografische Wandel trifft auch Dentallabore selbst. Die Altersstruktur in den Laboren zeigt: Immer mehr ältere Mitarbeiter prägen das Berufsbild, während die Zahl der Azubis rückläufig ist. Fast 25 Prozent der Zahntechniker sind mittlerweile über 55 Jahre alt. Hinzu kommt der Wettbewerb durch Großpraxen, die eigene Labore betreiben und oft bessere Mittel haben, um Fachkräfte zu gewinnen. Der Fachkräftemangel ist überall spürbar. Im Jahr 2022 waren laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) rund 64.549 Zahntechniker in gewerblichen Laboren beschäftigt, dazu kamen etwa 13.000 in Zahnarztpraxen. Dabei ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zwischen 2019 und 2022 um 5,9 Prozent gesunken.
Eine Lösung für den Fachkräftemangel in Dentallaboren bietet das „Gesetz zur Verbesserung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen“. Es ermöglicht Fachkräften, ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse in Deutschland anerkennen zu lassen – eine Chance, die auch viele Labore nutzen (Informationen und Unterstützung unter www.anerkennung-in-deutschland.de).
Generationenwechsel
Auch der Generationenwechsel in der Zahntechnik wirft Fragen auf. Laut einer Studie der Handwerkskammern ist in Deutschland jeder vierte Inhaber eines Handwerksbetriebs älter als 60 Jahre. Übertragen auf die mehr als 7.000 gewerblichen Dentallabore bedeutet das, dass rund 1.900 Laborinhaber in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen. Diese Situation birgt Herausforderungen und Chancen:
- Der Generationenwechsel könnte eien Innovationsschub auslösen, da jüngere Nachfolger oft offener für neue Technologien und Geschäftsmodelle sind.
- Die Branchenstruktur könnte sich verändern und die Branchenkonsolidierung weiter an Fahrt gewinnen, da kleinere Labore verstärkt von größeren übernommen werden.
- Neue Inhaber könnten vermehrt auf Nischenmärkte oder spezialisierte Dienstleistungen setzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
- Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Laboren könnten entstehen, um Ressourcen zu bündeln und Synergien optimal zu nutzen.
Veränderte Arbeitswelt und solide Ausbildung
Auch die Arbeitsstrukturen in den Laboren verändert sich. Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht die Automatisierung vieler Arbeitsschritte, was den Fachkräftemangel in der Branche teilweise kompensieren kann. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Auszubildenden in der Zahntechnik, was langfristig zu Problemen führen könnte. Trotz des digitalen Fortschritts bleibt eine fundierte zahntechnische Ausbildung unverzichtbar. Eine ausgewogene Kombination aus klassischem Handwerk und modernen digitalen Methoden sollte das Ziel sein.
Dentallabore stehen vor der Herausforderung, einerseits die Effizienzvorteile der Digitalisierung zu nutzen und andererseits die Weitergabe traditioneller Fertigkeiten sicherzustellen. Dies gewährleistet, dass solides Fachwissen erhalten bleibt und gleichzeitig mit technologischen Entwicklungen Schritt gehalten wird. Letztendlich sichert dies die Zukunftsfähigkeit der Branche und die Qualität der Zahntechnik in Deutschland.
Mit der Digitalisierung entstehen zudem neue Tätigkeitsfelder. Auch wird es durch den zunehmenden Anteil an computerbasierten Arbeiten möglich, flexible Arbeitszeiten anzubieten oder Aufgaben remote (von zuhause) auszuführen. Dies bietet Spielraum und Flexibilität, was die Attraktivität als Arbeitgeber steigern kann. Insgesamt bringt die Digitalisierung nicht nur Effizienz, sondern frischen Wind in die Branche und schafft moderne Arbeitsbedingungen, die den Zahntechnikerberuf fit für die Zukunft machen (Abb. 4).
Digitalisierung
Mit zunehmender Digitalisierung scheint der Mensch wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken und das ist gut so. Davon kann das Handwerk profitieren, wenn es diese Entwicklung aktiv mitgestaltet. Die digitale Transformation beeinflusst nicht nur die Herstellung von Zahnersatz, sondern verändert die gesamte (Zahn-)Medizin grundlegend. Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Internet of Things (IoT) und intelligente Software treiben diesen Wandel voran. Dabei entstehen nicht nur effizientere Prozesse, sondern auch neue Geschäftsmodelle. So ermöglicht die digitale Infrastruktur einen reibungsloseren Datenaustausch und schafft die Grundlage für vernetzte Geräte und smarte Analyse-Algorithmen, die völlig neue Potenziale eröffnen. Mit der Einführung dieser Technologien kommen Berufsbilder auf, die in den Bereichen IoT und Industrie 4.0 neue Wege beschreiten.
Der digitale Patient: mehr Mitsprache, mehr Möglichkeiten
Die Digitalisierung stellt den Patienten mehr in den Mittelpunkt des zahnmedizinischen Prozesses. Doch es geht längst nicht mehr nur um den Behandlungsplan – der moderne Patient will mitgestalten, mitentscheiden und vor allem mitreden.
Aktive Patientenbeteiligung
Patienten möchten heute weit mehr als nur passive Empfänger sein. Sie wollen aktiv in Entscheidungen einbezogen werden, ob es um die Wahl der Praxis oder die Zustimmung zum Heil- und Kostenplan (HKP) geht. Immer häufiger holen sie sich Gegenangebote ein, oft online, um den besten Preis und die beste Leistung zu finden.
Die Patient Journey: mehr als nur ein Markenbegriff
Was ursprünglich aus dem Marketing kommt, entwickelt sich in der Zahnmedizin zu einem Konzept: die Patient Journey. Patienten erwarten heute beispielsweise, direkt nach einem Intraoralscan über die Behandlungsoptionen informiert zu werden. Sie wollen den Prozess aktiv mitgestalten – zum Beispiel beim virtuellen Smile Design. Das schafft Erwartungen, aber auch Chancen (Abb. 5).
Gerade hier können Dentallabore ihre Stärke ausspielen. Wer Zahnarztpraxen auf der Patient Journey begleitet, kann das Vertrauen und die Zustimmung der Patienten steigern. Digitale Technologien machen es möglich, Patienten in die Planungsphase prothetischer Versorgungen einzubinden. Das schafft Transparenz und sorgt für mehr Zufriedenheit. Labore, die diesen Weg mitgehen, unterstützen aktiv die Patientenbeteiligung am Behandlungsverlauf – und das bringt echten Mehrwert.
Digitaler Datenaustausch: Chancen und Hürden
Der Datenaustausch ist zum Herzstück moderner Geschäftsmodelle geworden. Informationen fließen zwischen Praxen, Laboren, Lieferanten und Krankenkassen – und das möglichst nahtlos. Cloudbasierte Plattformen sind dabei der Schlüssel: Sie machen es leicht, Daten zu teilen, optimieren den Workflow und minimieren Fehler. Für kleinere Labore ist es jedoch oft herausfordernd, unabhängige Plattformen zu etablieren, wie sie beispielsweise von Laborgruppen oder Fertigungsdienstleistern immer häufiger angeboten werden. Doch es tut sich etwas: Seit Mitte 2024 können sich gewerbliche Dentallabore an die Telematikinfrastruktur (TI) anbinden. Die TI ermöglicht eine einheitliche und sichere Datenübermittlung und bietet auch kleineren Laboren die Chance, ihre Prozesse im Datenaustausch zu modernisieren.
Intraoralscanner: digitales Zögern in Deutschland, Chancen für Labore
Ein Blick auf die Innovationsbereitschaft der Zahnarztpraxen zeigt ein interessantes Bild: Deutsche Zahnärzte sind im Vergleich zu ihren Kollegen anderer europäischen Länder deutlich zögerlicher, wenn es um Investitionen in digitale Geräte wie Intraoralscanner geht. Eine Befragung des Marktforschungsinstituts Exevia von 1.604 Zahnärzten, zitiert im Atlas Dental, liefert dazu spannende Einblicke in die geplanten Investitionen bis 2024.
In Italien, Großbritannien und plant fast jeder zweite Zahnarzt, in den nächsten drei Jahren einen Intraoralscanner anzuschaffen. In Deutschland wollen 29 Prozent in die Technologie investieren.
Laut ADDE Survey 2023 der Association of Dental Dealers in Europe (ADDE) wurden in Deutschland im Jahr 2022 681 Intraoralscanner installiert, was etwa 2 Prozent der Praxen entspricht. Zum Vergleich: In Frankreich wurden im gleichen Zeitraum (2022) mehr als 3.000 Scanner angeschafft, also knapp 8 Prozent der Praxen damit ausgestattet. Dort kann bereits mehr als ein Viertel der Praxen digital abformen, während in Deutschland bisher nur etwa jede zehnte Praxis diese Möglichkeit nutzt. Die Zurückhaltung auf dem deutschen Markt wirft Fragen auf. Geht es um Skepsis gegenüber der Technik?
Oder spielen andere Faktoren wie eine gewisse Vorsicht eine Rolle? Schließlich hat sich schon mancher Hype als kurzlebiger Trend entpuppt. Die Kostenfrage mag eine Rolle spielen – vor allem, wenn es um Geräte geht, deren Nutzen und Wirtschaftlichkeit sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Auch der Gedanke, auf Nummer sicher zu gehen und von den Erfahrungen der Vorreiter zu lernen, mag eine Rolle spielen. Manch einer wartet ab, bis der Zeitpunkt für eine Investition günstiger erscheint.
Dentallabore können davon profitieren: Sie begleiten und unterstützen Zahnarztpraxen auf ihrem Weg in die Digitalisierung – durch Beratung, Schulung oder das Angebot digitaler Dienstleistungen. Auch kleinere Labore können diesen Weg gehen, und zwar auf ihre Weise: individuell, persönlich und gemeinsam mit ihren Partnerpraxen. So positionieren sie sich als unverzichtbare Begleiter im digitalen Zeitalter und machen ihr Geschäftsmodell fit für die Zukunft.
Fertigung 4.0: digitale „Manufaktur“
Die Zukunft der Zahntechnik liegt in der Industrie 4.0 – und das zeigt sich in der Entwicklung der CAD/CAM-Fertigung. In den Laboren von morgen arbeiten automatisierte Systeme, von der Lagerverwaltung bis zum Werkzeugmanagement, zunehmend autonom und effizient. Chips erfassen Materialinformationen und steuern den Produktionsprozess intelligent, während vernetzte SoftwarePlattformen für eine reibungslose Prozessüberwachung sorgen. Der gesamte Workflow wird dadurch smarter, schneller und kosteneffizienter. Fehler und Verzögerungen gehören der Vergangenheit an. Die digitale Transformation macht das Labor zu einem modernen Fertigungsunternehmen, das sich flexibel an die Anforderungen des Marktes anpasst.
Konsolidierung des Marktes
Laborgruppen sind derzeit auffallend präsent. Das Wachstum des Dentalmarktes macht die Branche für Investoren attraktiv. Übernahmen und Fusionen schaffen Synergien, senken Kosten und erhöhen Marktanteile – und auch Dentallabore rücken ins Visier. Größere Strukturen bieten klare Vorteile: bessere Finanzierungsmöglichkeiten, größere Produktionskapazitätenund schnellere Amortisation. Dazu kommt die Zentralisierung von Aufgaben, wie Verwaltung, Marketing und Personalmanagement. Das soll den Zahntechniker entlasten und ihm den Rücken für Kernaufgaben freihalten. Doch was bedeutet das für die kleinen, unabhängigen Labore? Für sie heißt es, sich auf ihre Stärken zu besinnen. Trotz Digitalisierung bleiben die persönliche Nähe zu den Praxen und der individuelle Support entscheidende Vorteile.
Zwar mögen Laborketten von Einkaufsvorteilen und zentralisierter Verwaltung profitieren, doch die „Unabhängigen“ haben etwas, das in großen Strukturen oft fehlt: Flexibilität, Kreativität und eine gute Portion Persönlichkeit. Sie können den technologischen Wandel auf ihre eigene, agile Art gestalten, indem sie enge Partnerschaften pflegen und individuell auf die Anforderungen ihrer Kunden reagieren. Genau diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht Lösungen, die in den starren Abläufen größerer Labore oft nicht umsetzbar sind.
KI als Gamechanger?
Natürlich werden KI-Technologien die Arbeit verändern. Smarte Technologien verbessern die Effizienz und die Qualität der Versorgung – von der Diagnose über die Therapieplanung bis zum Praxis- management.
Beispielhafte Einsatzbereiche von KI
- Diagnose und Therapieplanung: Automatisierte Erstellung individualisierter Therapieempfehlungen, basierend auf historischen Patientendaten, Leitlinien und Studien
- CAD-Konstruktion: automatisierte Konstruktion individuellen Zahnersatzes durch Kombination von Diagnosedaten und Big-Data-Analysen
- Früherkennung: Apps mit KI und Smartphone-Kameras zur frühzeitigen Erkennung von Zahnproblemen
- Behandlung spezifischer Erkrankungen: Anwendungen zur Überwachung und Behandlung von Bruxismus und Schlafapnoe mithilfe von Sensoren und KI-Algorithmen
- Praxismanagement: Optimierung Workflows durch automatisierte Terminplanungs- intelligente Warenwirtschaftssysteme
Vorteile
- Entlastung der Mitarbeiter
- mehr Zeit für Patienten- und Kundenbetreuung
- Qualitätsverbesserung und Patientenorientierung
Herausforderungen
- ethische Fragen
- Datenschutz
- Qualifizierung von Mitarbeitern
Die Zahl der KI-Anwendungen wird steigen; Technologien werden sich weiterentwickeln. Trotz Herausforderungen wird KI die Zahnmedizin und Zahntechnik auf ein neues Niveau heben.
Fazit
Für Dentallabore ist der Wandel eine spannende Herausforderung – von KI und Digitalisierung bis hin zu veränderten Patientenanforderungen und demografischem Wandel. Während Laborketten durch ihre Größe und daraus resultierende Vorteilen punkten, können kleinere Labore mit Flexibilität, Nähe zu den Praxen und maßgeschneiderten Lösungen überzeugen. Wer diese Stärken geschickt mit neuen Technologien kombiniert, bleibt zukunftssicher. Es gibt viele Wege, sich in dieser Zeit zu behaupten – der Mix aus Tradition und Innovation bietet jedem Labor die Chance, seinen eigenen Erfolgskurs zu gehen.
Hinweis
Die Informationen für den Beitrag sind dem Atlas Dental mit freundlicher Genehmigung der Autoren entnommen. In der Studie werden Trends und Tendenzen beleuchtet, um zu informieren und zu Überlegungen anzuregen. Der Atlas beziehungsweise die in diesem Beitrag enthaltenen Auszüge können Zahntechnikern eine Basis für ihre unternehmerische Aufstellung bieten.
Annett Kieschnick, Berlin