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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz führt zu Leistungseinschränkungen für die Patienten – Evaluierung der KZBV vorgestellt

Wenn man bedenke, dass das erwartete Defizit, das Grundlage für die Kürzungen gewesen sei, gar nicht eingetreten wäre, dann „bin ich fassungslos“, so Prof. Dr. Peter Eickholz (rechts) auf der Pressekonferenz der KZBV in Berlin (links: Martin Hendges, Vorstandsvorsitender der KZBV).

(c) Marschall/QuintessenceNews

Die Zahl der neu beantragten Parodontitisbehandlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist im Juni 2023 wieder auf das Niveau des ersten Quartals 2021 – vor Einführung der neuen PAR-Richtlinie – gesunken. Das zeigt die Evaluierung der Abrechnungsdaten zu den damit verbundenen Leistungen, die die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) erstellt hat. Die Ergebnisse wurden am 29. September 2023 in Berlin der Presse vorgestellt. Ein Fazit: Die von der Politik wieder eingeführte Budgetierung führt damit de facto zu einer schlechteren Mund- und Gesamtgesundheit der betroffenen Patienten, mit hohen Folgekosten.

Sie war ein großer Erfolg und wurde von Patienten und Zahnärztinnen und Zahnärzten sehr gut angenommen: die neue PAR-Richtlinie für eine moderne, wissenschaftlich basierte Parodontitistherapie in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Mit seinem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach diesen Erfolg allerdings zunichte gemacht. Ob nur zeitweise oder auch auf längere Sicht, ist noch nicht klar. Aber angesichts der hohen Prävalenz behandlungsbedürftiger parodontaler Erkrankungen und der demografischen Entwicklung dürften schon jetzt die Folgen für die Mund- und Gesamtgesundheit der betroffenen Menschen – und damit auch die Folgekosten – erheblich sein.

Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges (links) und Prof. Dr. Peter Eickholz informierten die Presse über die Folgen der Budgetierung für die PAR-Therapie.
Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges (links) und Prof. Dr. Peter Eickholz informierten die Presse über die Folgen der Budgetierung für die PAR-Therapie.
Foto: Quintessence News
Das machten Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV, und Prof. Dr. Peter Eickholz, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) und einer der wissenschaftlichen Experten bei der Erarbeitung der neuen PAR-Richtlinie, auf der Pressekonferenz in Berlin deutlich. Die neue Richtlinie habe genau das von Wissenschaft, Zahnärzteschaft, Krankenkassen und Politik beabsichtigte Ziel gebracht: Nach ihrem Inkrafttreten zum 1. Juli 2021 stieg die Zahl der Neuanträge auf PAR-Behandlung bis Ende 2022 stark an. Beantragt wurden vor allem Behandlungen bei Patienten mit einem höheren Grad der Erkrankung (Grad C) – also genau die Zielgruppe mit dem höchsten Behandlungsbedarf und in der Regel auch einer hohen Prävalenz von Allgemeinerkrankungen wie Diabetes mellitus II. Sie profitieren von der Therapie besonders für ihre Mund- und Allgemeingesundheit. Eickholz hob dabei die hohe Adhärenz der Patienten in der erhaltenden UPT-Phase hervor, die aktuell mit 80 Prozent höher liege als im internationalen Durchschnitt. Auch das zeige, wie erfolgreich das neue Konzept sei.

Für die neue PAR-Richtlinie war von den Krankenkassen auch das vorher ermittelte und nötige, allgemein konsentierte höhere Finanzvolumen zur Honorierung der neuen Leistungen bereitgestellt worden. Gut 40 Prozent der Gesamtpunktmenge entfallen dabei auf den Komplex der eigentlichen Therapie, die anderen rund 60 Prozent auf die neuen Begleitleistungen und vor allem auf die bis zu zweieinhalb Jahre dauernde Erhaltungstherapie mit der Unterstützenden Parodontaltherapie (UPT). Die Gesamtbehandlungsstrecke nach der PAR-Richtlinie ist auf drei Jahren angelegt.

Höherer Bedarf aus der PAR-Richtlinie nicht bei der Obergrenze berücksichtigt

Mit der Spargesetzgebung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes war dann auch die neue PAR-Richtlinie mit ihrem vorher von allen Seiten konsentierten höheren Finanzierungsbedarf von der wieder eingeführten Budgetierung erfasst worden, ohne diesen höheren Bedarf bei der Berechnung der Obergrenze des Ausgabenniveaus zu berücksichtigen, so Hendges. Dagegen hatten Zahnärzteschaft und Bundesrat protestiert und eine Herausnahme der kompletten PAR-Leistungen aus der Budgetierung gefordert – leider erfolglos. Herausgenommen wurden nur die Leistungen der speziellen PAR-Strecke für vulnerable Patientengruppen. Dem Bundesgesundheitsministerium wurde zudem per Gesetz der Auftrag erteilt, bis zum Stichtag 30. September 2023 die Auswirkungen der Budgetierung auf die PAR-Leistungen zu evaluieren.

Man habe sich wegen der Bedeutung des Themas für die Mund- und Allgemeingesundheit entschieden, nicht auf die Vorlage der Evaluierung durch das Ministerium zu warten, sondern eine eigene Evaluierung anhand der Abrechnungsdaten vorzulegen, so Hendges. „Im Juli 2023 lag danach die Zahl der PAR-Neubehandlungen lediglich bei rund 92.400 Neubehandlungsfällen, was einen Rückfall auf das Niveau vor Einführung der neuen, präventionsorientierten PAR-Behandlungsstrecke bedeutet. Der Trend deutet auf weiter zurückgehende Neubehandlungsfälle hin. Es ist zu befürchten, dass der durch die Gesetzgebung ausgelöste langfristige Schaden für die PAR-Versorgung künftig noch spürbarer sein wird“, fasst die KZBV-Evaluierung die Situation zusammen.

Wann mit einem Ergebnis der Evaluierung vonseiten des Ministeriums zu rechnen sei – die übrigens im wesentlichen nur auf den Zahlen der KZBV fußen kann – und welche politische Aussage damit verknüpft werden wird, sei nicht abzusehen. Man rechne mit Ende Oktober 2023, so Hendges auf Nachfrage.

Politik muss schnell handeln

Dem Bundesgesundheitsminister sind die fachliche Bedeutung und die Zusammenhänge der Parodontitis mit der Gesamtgesundheit geläufig – „der hat die Studien alle gelesen“, hieß es dazu aus dem KZBV-Vorstand. Ob daraus nun politische Konsequenzen in Form einer Herausnahme der PAR-Richtlinie aus der Budgetierung folgen, sei aber offen. „Mit Hoffnung sollte man mit Prof. Lauterbach nicht ins Gespräch gehen“, so Hendges etwas sarkastisch. Lauterbach ziehe sich bislang darauf zurück, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) keine weiteren Zuschüsse an den Gesundheitsfonds geben wolle, aus denen diese Leistungen dann finanziert werden könnten, war dazu aus der KZBV zu hören. Dieses politische Ping-Pong-Spiel werde man aber nicht als Argument für Nichthandeln der Politik akzeptieren, machte Hendges klar.

Wenn gehandelt wird, dann müsse das zügig erfolgen, damit die Wirkung noch für 2024 greife, spätestens im November müsse eine Regelung an ein Gesetz als „Omnibus“ angehängt werden. Ziel sei es, die PAR-Leistungen aus der Budgetierung vollständig wieder herauszunehmen. Dafür werde man alle Mittel einsetzen – Aufklärung der Öffentlichkeit durch Zahnärzteschaft und Wissenschaft, die Kampagne „Zähne zeigen“ etc.

Budgetierung wird über 2024 hinaus negativ fortwirken

Aktuell sind nicht alle Kassenzahnärztlichen Vereinigungen gleichermaßen von den Folgen der Budgetkürzungen und des reduzierten Punktwerts betroffen, erläutertet Hendges. Das begründe sich in den regionalen Unterschieden des Vertragsgeschäfts. Aber im kommenden Jahr werde die Budgetierung alle KZV-Bereich betreffen. Für die Vertragszahnärzte bedeute die auch für 2024 noch wirkende Budgetierung mit Kürzungen bei Punktwert und Vergütungsvolumen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft negative Auswirkungen auf die Vergütung, da künftige Honorarvolumina auf diesen niedrigeren Werten aufsetzten. Es sei leider nicht zu erwarten, dass die Krankenkassen hier die Morbiditätsentwicklung komplett abbilden und deutlich höhere Mittel zur Verfügung stellen werden, hieß es dazu in einem Hintergrundgespräch.

Dabei wachsen die Ausgaben für die Therapie nach der PAR-Richtlinie in den kommenden Jahren weiter auf, auch wenn nur wenige Neuanträge kommen sollten, da der Anteil der UPT aus bereits begonnenen Behandlungen steige. Bereits 2024 werde er den ganz überwiegenden Teil der Ausgaben in der PAR ausmachen. Der Unterschied wird in den Punktwerten pro Fall deutlich. Wurden nach der alten PAR-Richtlinie für die dort mögliche Behandlung etwa 440 Punkte gerechnet, werden für die dreijährige Strecke der neuen PAR-Richtlinie für Neufälle 1.460 Punkte angenommen. Damit fehlen allein für 2023 368 Millionen Punkte und bei einem durchschnittlichen Punktwert von 1,25 Euro 460 Millionen Euro im Budget für die PAR-Behandlung.

Hohe Folgekosten durch nicht behandelte PAR

Hendges und Eickholz rechneten in der Pressekonferenz auch die Folgekosten der ausgebliebenen PAR-Behandlungen nicht nur für die GKV, sondern für die Gesamtwirtschaft vor. Die negativen Konsequenzen der Budgetierung auf den Umfang der Parodontitisversorgung sind langfristig für das GKV-System mit erheblich höheren Kosten verbunden. Allein im zahnärztlichen Bereich summieren sich diese Folgekosten auf rund 200 Millionen Euro jährlich – rund 151 Millionen Euro im konservierend-chirurgischen Bereich und weitere rund 52 Millionen Euro im Bereich Zahnersatz. Darüber hinaus ist von deutlich positiven Auswirkungen der PAR-Behandlung auf die Allgemeingesundheit der Versicherten und dadurch induzierte Einsparungen im ärztlichen Sektor auszugehen – insbesondere im Zusammenhang mit Diabeteserkrankungen.

Die Gesamtheit der indirekten Krankheitskosten (zum Beispiel Produktivitätsverlust durch Abwesenheit vom Arbeitsplatz; Zahnlosigkeit; unbehandelte Karies bei Patientinnen und Patienten mit Parodontitis, hauptsächlich Wurzelkaries) wird in einer internationalen Studie für Deutschland mit rund 34,79 Milliarden Euro angegeben (Botelho et al., 2022). Die konsequente Therapie von Parodontitis würde diese Kosten zumindest reduzieren und neben den individuellen und strukturellen gesundheitlichen Vorteilen zu einer gesamtwirtschaftlichen Entlastung führen. „Parodotitistherapie spart Kosten“, so Eickholz.

PAR-Therapie könnte dauerhaft auf niedriges Niveau absinken

Sollte es nicht gelingen, die PAR-Therapie 2024 aus der Budgetierung zu holen, werde es schwer werden, sie in Zukunft im erforderlichen Maße wieder in den Praxen zu verankern. Sie werde dann nur auf niedrigerem Niveau fortgeführt werden. „Die Zahnärzte haben sich da mit großem Engagement eingebracht und entsprechende Strukturen geschaffen. Nach den jetzigen Erlebnissen mit der Budgetierung werden viele das Vertrauen verlieren, sich noch einmal so groß zu engagieren, ohne das vergütet zu bekommen“, so Eickholz. Das sei vor allem schade für die Patienten, diese seien am Ende die Leidtragenden einer solchen Politik – ganz abgesehen von den hohen gesamtgesellschaftlichen Folgekosten durch die Nichtbehandlung. „Wenn man dann noch bedenkt, dass die Grundlage für dieses Spargesetz ein erwartetes Defizit war, das gar nicht eingetreten ist, dann bin ich fassungslos“, so Eickholz.

Mehr aus dem Evaluierungsbericht zu den Auswirkungen auf die Honorarsituation 2023 und 2024 und auf die Neuanträge im Beitrag „PAR-Richtlinie: In elf von 17 KZVen Honorarkürzungen erwartet“.

In der ersten Fassung des Beitrags hieß es, gut 50 Prozent der Gesamtpunktmenge würde auf die erste Behandlungsphase entfallen. Es sind gut 40 Prozent, die Angabe wurde entsprechend korrigiert. -Red.

Reference: Politik Praxis Parodontologie

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