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DGFDT-Jahrestagung in Bad Homburg diskutierte mit hochkarätigen Referenten neueste Erkenntnisse

Das Thema Bruxismus und die im Frühjahr vorgestellte neue S3-Leitlinie dazu standen im Mittelpunkt der 52. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) Mitte November in Bad Homburg. Mehr als 260 Teilnehmer waren gekommen, um dazu die neuesten Informationen zu erhalten und sich gemeinsam fortzubilden.

Die DGFDT-Präsidentin Prof. Ingrid Peroz konstatierte in ihrem Eingangsstatement, dass die Handlungsempfehlungen der Leitlinie über die DGZMK-Pressekonferenz in die breite Gesellschaft getragen worden seien. Sie verwies dabei auf die neue Patientenbroschüre „Bruxismus: Zähneknirschen und Zähnepressen – Vorbeugung, Früherkennung, Behandlung und Selbsthilfe“.

„Tooth Wear“ dokumentieren


Prof. Peter Wetselaar (Foto: Schönborn/Quintessenz)

Prominenter Gast auf der Tagung war Prof. Peter Wetselaar (Amsterdam). Er arbeitet am renommierten Academic Center for Dentistry Amsterdam (ACTA). In Bad Homburg stellte er den aktuellen Stand des Tooth Wear Evaluation System (TWES) vor, dass bereits 2004 in deutsch-niederländischer Zusammenarbeit entwickelte wurde. Wetselaar empfahl, den Grad der Zahnabnutzung im Rahmen eines Screenings bei jeder Kontrolle neu zu erfassen, um feststellen zu können, in welcher Geschwindigkeit die Abnutzung eigentlich voranschreitet. So werde die Entscheidung erleichtert, ob eine restaurative Behandlung überhaupt notwendig ist oder eben nicht. Erhältlich sei momentan die Version 2.0 mit der Unterteilung in ein Zahnabnutzungsscreening und ein Zahnabnutzungsstatus. Grundsätzlich empfiehlt der Referent aus Amsterdam ein „State of the Art“-Diagnoseverfahren.

Welche Rekonstruktionsoptionen bei durch Bruxismus geschädigten Zähnen angezeigt sind, beleuchtete Prof. Marc Schmitter (Würzburg) in seinem Hauptvortrag. Schmitter berichtete, dass die Stabilität prothetische Aufbauten natürlich auch vom Untergrund abhänge. Er riet, die PathWay-Technik anzuwenden und wies darauf hin, dass die Optimierung der Okklusion im Nahbereich händisch besser erreicht werde, als digital. Schmitter machte klar, dass es für viele Materialien bei Bruxismus keine Indikation gäbe. Seien sie aber doch zugelassen müssten „empfohlenes Vorgehen und Protokolle penibel befolgt werden. Fehler verzeihen die Systeme nicht“, warnte Schmitter, der auch als Gutachter tätig ist.

Prof. Manfredini begeisterte das Publikum

Begeistert lauschte das Publikum dem Bruxismusexperten Prof. Daniele Manfredini (Siena). Er gilt mit mehr als 185 hochrangigen Publikationen als weltweiter Top-Experte auf den Gebieten CMD und Bruxismus und beleuchtete die Genese der Bruxismusforschung von ihren Anfängen bis heute. Seine take home message: „Bruxism is a sign of something, not a diagnosis!“

Der Alex-Motsch-Preisträger Dr. Matthias Lange (Berlin) präsentierte in seinem Hauptvortrag schließlich alternative Behandlungsstrategien, unter anderem diverse Schienenarten und Biofeedback. Er empfahl in diesem Zusammenhang auch das Diagnoseinstrument „Bruxismus Status“, das frei verfügbar ist.


Das Redaktionsteam der Fachzeitschrift
„Journal of Craniomandibular Function“ (CMF)
, offizielles Fachjournal der DGFDT (von links): Dr. Matthias Lange, PD Dr. Oliver M. Ahlers, Prof. Dr. Alfons Hugger und Prof. Dr. Olaf Bernhardt. (Foto: Schönborn/Quintessenz)

Neue S1-Leitlinie „Okklusale Dysästhesie“

Zeitgleich mit der Jahrestagung, dort aber nicht diskutiert, wurde die mit Spannung erwartete S1-Leitlinie „Okklusale Dysästhesie – Diagnostik und Management“ veröffentlicht. Die unter Federführung von DGDFT und DGZMK entstandene Handlungsempfehlung zielt darauf ab, das Verständnis für die okklusale Dysästhesie zu befördern.

Die okklusale Dysästhesie (OD) ist ein Beschwerdebild, bei dem Zahnkontakte, die klinisch weder als Fehlkontakte objektivierbar sind noch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen (beispielsweise des Parodonts, der Pulpa, der Kaumuskulatur oder der Kiefergelenke) stehen, dauerhaft (länger als sechs Monate) als störend oder unangenehm empfunden werden. Der klinische Befund steht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu Inhalt und Stärke der beklagten Beschwerden. Die Patienten leiden unter einer starken psychischen und psychosozialen Belastung.

Psychosoziale Einflüsse mit hohem Stellenwert

Zum Management des Beschwerdebild gehören Beratung und Aufklärung, Entspannungs- und Psychotherapie und körperliche Bewegung. Aus den Empfehlungen zur Behandlung der OD ergeben sich als mögliche präventive Maßnahmen von zahnärztlicher Seite, dass Schmerzen und Beschwerden im orofazialen Bereich nicht vorschnell als okklusionszentriert gesehen werden dürfen. Vielmehr sollten die Patienten über die psychosoziale Ätiologie ihres Krankheitsbildes und die vorhandene (pathologische) Wahrnehmungsstörung aufgeklärt werden. Der Stellenwert des psychosozialen Einflusses ist vergleichbar mit dem bei Patienten mit orofazialen Schmerzen.

Patienten hängen an somatischen Erklärungsmodellen

Mit Blick auf die Prognose kommen die Autoren zum Schluss, dass die Akzeptanz der Diagnose „okklusale Dysästhesie“ in der Regel gering ausfällt. Patienten mit OD hängen vielfach ihren somatischen Erklärungsmodellen an. Es erfordert ein außergewöhnlich zeitintensives und emotionales Engagement des Zahnarztes, diese Situation im Sinne einer Verbesserung der oralen Lebensqualität des Patienten aufzulösen.

Weil aus Patientensicht die Okklusion im Zentrum des Problems steht, ist eine Defokussierung das Hauptziel der Behandlung. Im Bedarfsfall ist die Zuweisung an ein spezialisiertes Zentrum mit begleitender psychologischer Therapie erforderlich.


Frau Prof. Peroz bedankte sich zum Ende ihrer Amtszeit als DGFDT-Präsidentin für das ihr entgegengebrachte Vertrauen. (Foto: Schönborn/Quintessenz)

Wechsel in der Führungsspitze

Anlässlich der Jahrestagung übergaben die Präsidentin der DGFDT, Prof. Ingrid Peroz (Berlin), und ihr Vize Dr. Christoph Mentler (Dortmund) ihre Ämter turnusgemäß an das neu gewählte Präsidium mit Prof. Alfons Hugger (Präsident, Düsseldorf) und Dr. Bruno Imhoff (Vize, Köln) und bedankten sich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Zu den 260 Besuchern kamen noch 20 Aussteller und Sponsoren auf der begleitenden Fachausstellung. Das Programm der Jahrestagung und die Abstracts der Vorträge sind im Abstract-Band zur Zeitschrift „Journal of Craniomandibular Function“ erschienen und online verfügbar. Die nächste, 53. Jahrestagung der DGFDT findet vom 26. bis 28. November 2020 wieder in Bad Homburg statt. Das Hauptthema lautet „Die Funktion im digitalen Workflow“. Mehr Informationen auf der Internetseite der DGFDT.

Sara Schönborn, Berlin

Titelbild: Das Kongresszentrum in Bad Homburg ist traditioneller Tagungsort der DGFDT. (Foto: Bastian Kienitz/Shutterstock.com)
Quelle: Quintessence News Funktionsdiagnostik & -therapie Fortbildung aktuell

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