Mit dem Titel „Gott gebe, dass es klebe?“ war das 2. „Experten Hearing – zu Gast bei Quintessence Publishing“ überschrieben. Bei diesem standen die Möglichkeiten und die Entwicklung der Adhäsive sowie die Erwartungen an diese im Mittelpunkt.
Das Ziel des Tages war ambitioniert, denn der Expertenkreis sollte dafür sorgen, dass den Kolleginnen und Kollegen in den Praxen eine bessere Orientierung bei der Auswahl des geeigneten Adhäsivsystems gegeben werden kann. Dazu wurden wertvolle Informationen aus dem Praxisalltag und Evidenz gesammelt, Erfahrungen geteilt, sowie Statements und Empfehlungen formuliert.
Der klare Praxisbezug dieses Experten Hearings wird anhand des Statements #3 deutlich: „Die Universaladhäsive sind die jüngste Entwicklungsstufe bei den Adhäsiven. Die allermeisten bestehen aus nur einer, einige wenige aus zwei Komponenten (Flaschen). Universaladhäsive erreichen eine klinische Wirksamkeit bezüglich Haftverbund und Randspaltvermeidung, die den Mehrflaschensystemen mindestens ebenbürtig ist.“
Moderiert wurde das Hearing von Univ.-Prof. Dr. Roland Frankenberger, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung an der Philipps-Universität Marburg und am Universitätsklinikum Gießen und Marburg sowie Chefredakteur der QD.
Den Tag hatte Prof. Frankenberger ursprünglich in drei Themenblöcke aufgeteilt:
- Was hat uns die Adhäsivtechnik gebracht
- Evolution der Adhäsivsysteme und Bedeutung für direkte und indirekte Restaurationen
- Klinische Anwendung: Evidenz und Marktdaten – ein Widerspruch?
Die Expertenrunde ergänzte während des Hearings noch den Themenblock #4 „Aspekte neben der direkten Füllungstherapie“. Dabei ging es um die Reparatur und die besonderen Fähigkeiten der Universaladhäsive bei der Befestigung indirekter Restaurationen.
Auf Einladung von Kulzer und unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Roland Frankenberger diskutierten folgende Teilnehmer dieses zweiten Experten-Hearings im Quintessenz-Verlagshaus (Abb. 1 bis 6): Dr. Johanna Leonhard studierte bis 2012 Zahnmedizin in Göttingen und ist heute niedergelassene Zahnärztin in Berlin, OA Dr. Uwe Blunck, Abteilung für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Charité in Berlin und Pionier der Adhäsiv-Forschung, Wolfgang Boer, Autor, Referent, Mitautor von Leitlinien und niedergelassener Zahnarzt in Euskirchen, sowie Simon Hanner, Brancheninsider und Leiter des Vertriebsmarketings DACH bei Kulzer, und Prof. Dr. Michael Naumann, Referent mit Professur an der Charité in Berlin und dort auch niedergelassener Zahnarzt
In der Ausgabe 4/24 von „Quintessenz – das Magazin“ wurden der Themenblock „Was hat uns die Adhäsivtechnik gebracht“ sowie die ersten fünf formulierten Expertenstatements vorgestellt.
Webinar zeigte Wissensbedarf
In einem Quintessenz-Webinar präsentierten Mitte August Dr. Johanna Leonhard und Prof. Roland Frankenberger den Ablauf dieses Hearings im Verlagshaus sowie sämtliche Statements. Mehr noch: Die Webinar-Teilnehmer erhielten die Möglichkeit, über die Experten-Statements abzustimmen. Zur Wahl standen: „volle Zustimmung, „nur“ Zustimmung, dem Statement „weder zustimmen noch es ablehnen“, „nicht zustimmen“, oder „gar nicht zustimmen“. „Dieses Abstimmungsergebnis zeigt uns den Bedarf an weiterer Information auf. Es ist an uns, den Wissenschaftlern, aufzuzeigen, welche Materialgruppen den Praxiserfolg absichern können.“, so Roland Frankenberger nach dem Webinar.
STATEMENT #6:
Die erste Stufe der Produktentwicklung sind die Mehrflaschensysteme. Diese sind klinisch wirksam bzgl. der relevanten Parameter Haftverbund und Randspaltvermeidung. Sie erfordern mehrere Applikationsschritte.
STATEMENT #7:
Dem Wunsch vieler Zahnärztinnen und Zahnärzte nach weniger Arbeitsschritten und Zeitersparnis folgend wurden die ersten Einflaschen- und All-in-One-Adhäsive entwickelt. Sie zeigten jedoch eine geringere klinische Wirksamkeit.
STATEMENT #8:
Die Universaladhäsive sind die jüngste Entwicklungsstufe bei den Adhäsiven. Die allermeisten bestehen aus nur einer, einige wenige aus zwei Komponenten (Flaschen). Universaladhäsive erreichen eine klinische Wirksamkeit bzgl. Haftverbund und Randspaltvermeidung, die den Mehrflaschensystemen mindestens ebenbürtig ist.
STATEMENT #9:
Die Universalität bezieht sich vor allem auf die Konditionierungstechniken. Universaladhäsive bieten dem Anwender die Freiheit, jede gewünschte Oberflächen-Konditionierungstechnik zu nutzen: Phosphorsäureätzung auf Schmelz und Dentin (etch and rinse), Phosphorsäureätzung nur auf Schmelz (selective etch) und ohne Phosphorsäureätzung (self etch).
STATEMENT #10:
Es ist notwendig, dass Hersteller bei der Einführung von Produkten unabhängige wissenschaftliche Studien vorlegen können, die relevante klinische Parameter untersuchen.
STATEMENT #11:
Die Effektivität von Adhäsivsystemen erweist sich in vitro einfach und zuverlässig mit reproduzierbaren Kavitätentests mit relevantem C-Faktor. Die höchste Aussagekraft haben Randanalysen im REM. Auch Microtensile-Tests sind zum Nachweis der Haftkraft geeignet.
STATEMENT #12:
Leitlinien bieten den Praktikern wertvolle Orientierung. Kernaussagen der aktuellen S3-Leitlinie zu Komposit sind, dass
- direkte Frontzahnrestaurationen mit Komposit restauriert werden sollen,
- mit Komposit im Seitenzahnbereich auch Höckerersatz gut funktioniert,
- bei Kompositrestaurationen 3-Schritt-Etch-and-Rinse-, 2-Schritt-Self-Etch- oder Universal-Adhäsive eingesetzt werden sollen
- der Schmelz bei Kompositrestaurationen geätzt werden soll,
- die Lichtpolymerisation ein entscheidender Erfolgsfaktor ist und
- bei korrekter Polymerisation Bulk-Fill-Komposite bis 4 mm zuverlässig durchgehärtet werden können.
STATEMENT #13:
Marktanteile und Bestellverhalten korrelieren nicht immer mit wissenschaftlich belegten Produktfähigkeiten. Wenngleich die Verwendung der Universaladhäsive seit Jahren kontinuierlich zunimmt, ist ein kompletter Wechsel noch nicht abgeschlossen.
STATEMENT #14:
Im Rahmen der Korrektur und Reparatur von Restaurationen zeigen Universaladhäsive an präexistentem Komposit und Zirkonoxidkeramik gute Haftwerte.
STATEMENT #15:
Da das Adhäsiv bei der Verwendung dualhärtender Befestigungskomposite immer vorher gehärtet werden muss, haben Universaladhäsive bei der adhäsiven Befestigung von indirekten Restaurationen einen Vorteil. Sie bilden dünne Schichtstärken aus und können somit separat lichtgehärtet werden, ohne die Passung der Restauration zu gefährden. Letzteres ist ein klarer Schwachpunkt der Mehrflaschen-Adhäsive.
Alle Beiträge zu den Experten Hearings und weitere Infos gibt es hier. In weiteren Webinaren – Anfang 2025 – werden weitere Hintergründe vorgestellt und Fragen beantwortet.