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Konsequente Planung ermöglicht kostengünstige, ästhetische und minimalinvasive Lösung mit NEM-Teleskopprothese


Dr. med. dent. Kurt Hufschmidt

Bei Komplettsanierungen sollte die Wiederherstellung der Kaufunktion und des Kaukomforts ebenso im Fokus stehen wie die Umsetzung ästhetischer und phonetischer Kriterien. Darüber hinaus sind die finanziellen Möglichkeiten des Patienten ein wichtiges Planungskriterium. Der Beitrag von Dr. Kurt Hufschmidt aus der Quintessenz 8/2017 zeigt anhand eines Fallbeispiels, wie durch eine konsequente Planung ein Konzept zur funktionellen und ästhetischen Rehabilitation mit Teleskopprothesen aus einer edelmetallfreien Legierung in der täglichen Praxis erarbeitet und therapeutisch umgesetzt werden kann [Quintessenz 2017;68(8):903–914].

Die „Quintessenz“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.


Einleitung

Der ausgeprägte Wunsch nach einem vitalen und jugendlichen Erscheinungsbild ist in allen Altersgruppen zu finden. Ein „schönes Lächeln“ mit natürlich wirkenden Zähnen und einem gesunden Zahnfleisch entscheidet in vielen Fällen über Gefallen oder Nichtgefallen. Das Ziel der patientenorientierten Zahnheilkunde besteht somit darin, diesem Patientenwunsch unabhängig von Alter und/oder Ausgangssituation gerecht zu werden. Selbst bei Sanierungen mit reduzierter Restbezahnung und nicht idealer Pfeilerprognose sollte die Erfüllung der ästhetischen Parameter ebenso im Mittelpunkt stehen wie die Umsetzung funktioneller Aspekte.

Es empfiehlt sich, das Vorgehen an folgendem Prinzip von Nichols10 auszurichten: „Individualisiere die Restaurationen und minimiere die Notwendigkeit einer wiederholten Behandlung“. Das dient dem Wohl des Patienten, doch das verantwortungsbewusste Behandlungsteam muss eine kritische Betrachtung der unzähligen Therapiemöglichkeiten vornehmen. Der Nutzen sollte dem Ausmaß der Behandlungsintensität und -invasivität gegenübergestellt werden und dann eine sorgfältige Abwägung erfolgen. Dazu gesellt sich der Anspruch der Minimalinvasivität, wobei diese Forderung heutzutage oft dank innovativer Produkte und technologischer Möglichkeiten erfüllt werden kann.

Der nachfolgende Fallbericht beschreibt die Analyse, Planung, Vorbehandlung und definitive prothetische Versorgung des Oberkiefers einer Patientin mit einem teleskopierenden Zahnersatz. Im Unterkiefer konnten die ausgedehnten Amalgamfüllungen im Sinne der minimalinvasiven Zahnheilkunde durch direkte Kompositrestaurationen ersetzt werden. Nach dem gleichen Behandlungsprinzip ist die Schaltlücke im Unterkiefer mittels eines Einzelzahnimplantats versorgt worden.

Falldarstellung

Anamnese


Abb. 1 Porträtaufnahme der Patientin vor Behandlungs­beginn.

Die Patientin beschloss, sich im Alter von 56 Jahren einer Gebisssanierung zu unterziehen. Ausschlaggebend waren in erster Linie die stark gelockerten Oberkieferfrontzähne bzw. die Angst vor einem Spontanverlust und den daraus resultierenden Folgen. Der dringliche Wunsch der Patientin bestand in einer ästhetischen, gut funktionierenden, langlebigen und erschwinglichen Sanierung des Ober- und Unterkiefers.

Zunächst erfolgte eine eingehende Untersuchung der Ausgangssituation. Der Parodontalstatus wurde erhoben, und es wurden Abformungen für die Herstellung von Situationsmodellen genommen. Außerdem wurde eine Kieferrelationsbestimmung durchgeführt und ein Fotostatus einschließlich einer Porträtaufnahme erstellt (Abb. 1).

Befunde und Diagnosen

Im Oberkiefer ergaben sich die nachstehenden Befunde und Diagnosen (Abb. 2 bis 4 und 6):

  • Zähne 12 bis 22 Sondierungstiefen bis 8 mm, Lockerungsgrad II, generalisierter Attachmentverlust, ausgeprägte palatinale Erosionen, röntgenologisch sichtbarer vertikaler Knochenverlust → adulte Parodontitis, nicht erhaltungswürdig;
  • aufgefächerte Zahnstellung mit Labialstand des Zahnes 22 in der Oberkieferfront → sagittale Frontzahnstufe;
  • hohe Lachlinie mit stark ausgeprägter Exposition des Alveolarfortsatzes → Zahnfleischlächeln („gummy smile“);
  • Zähne 14, 13, 23, 24 und 25 kariesfrei, vital, Attachmentverlust, kein Lockerungsgrad → sichere Pro­gnose;
  • Zahn 26 Sondierungstiefe 5 bis 8 mm, Lockerungsgrad II → parodontal geschädigt, nicht erhaltungswürdig.

Für den Unterkiefer lauteten die Befunde und Diagnosen wie folgt (Abb. 5 und 7):

  • überkronter, röntgenologisch sichtbarer hemisezierter Zahn 36 → unsichere Prognose, nicht erhaltungs­würdig;
  • Zähne 38 und 48 ohne Antagonistenkontakt, steile Spee-Kurve → nicht erhaltungswürdig aufgrund der erschwerten Hygienefähigkeit;
  • ausgedehnte insuffiziente Amalgamrestaurationen im Seitenzahnbereich → sichere Prognose.

Bei der ästhetischen Analyse und der Beurteilung des Lippenbildes zeigten sich erhebliche ästhetische Defizite der Oberkieferfrontzähne und eine extrem hohe Lachlinie (Abb. 2). Die Herausforderung, die sich aus der Exposition des labialen Alveolarfortsatzes ergab, prägte die Gesamtbehandlung.

Behandlungsplanung

Nach eingehender diagnostischer Analyse der klinischen Verhältnisse wurde Röntgenaufnahmen, Situationsmodelle und Fotostatus ausgewertet sowie in Frage kommende Therapiewege zur festsitzenden oder abnehmbaren Versorgung des Oberkiefers gegeneinander abgewogen.

Bezüglich der festsitzenden Versorgung bestand die Möglichkeit, mit einer einzigen prothetischen Einheit rein zahngetragen auf der stark dezimierten Restbezahnung zu therapieren, oder die bessere Lösung, mittels Implantaten eine strategische Pfeilervermehrung herbeizuführen, um den Oberkiefer mit kleinen und risiko­ärmeren prothetischen Einheiten zu behandeln. Wegen der hohen Lachlinie hätte die starke anteriore Kieferkammatrophie entweder durch eine Knochen- und/oder Weichge­webs­augmentation oder alternativ über eine zahnfarbene Verblendkeramik kompensiert werden müssen.

Bei den abnehmbaren Versorgungsformen wurde die rein schleimhautgetragene Modellgussprothese der zahn- und schleimhautgetragenen Teleskop- und Geschiebeprothese gegenübergestellt. Die Modellguss­prothese lässt sich grazil und biokompatibel gestalten, hat jedoch bei einer hohen Lachlinie aufgrund der Exposition der Retentionsklammern einen großen ästhetischen Nachteil und verliert darüber hinaus schnell ihre ursprünglich eingestellte Retention. Einen höheren Patientenkomfort und eine primär auf Friktion ausgerichtete Haftung bieten verschiedene Geschiebearten. Die Doppelkronentechnik sticht dabei besonders hervor, weil sie Stütz-, Halte-, Führungs-, Kippmeider- und Schubverteilungsfunktionen in einem integriert17.

Im Anschluss an eine detaillierte Aufklärung der Patientin über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Behandlungsoptionen fiel ihre Wahl auf einen abnehmbaren Zahnersatz. Dabei waren die entscheidenden Argumente aus ihrer Sicht das geringere Risiko, die Kostensituation, die vorhersagbarere Ästhetik und die Aussicht auf eine hohe Langlebigkeit. Als definitive prothetische Versorgung wurde somit eine gaumenfreie, auf den natürlichen Zähnen 14, 13, 23, 24 und 25 abgestützte Teleskoparbeit aus einer NEM-Legierung mit einer individuell charakterisierten Labialschürze angestrebt. Dementsprechend umfasste der Behandlungsplan folgende Schwerpunkte:

  1. Planungsphase;
  2. provisorische und präprothetische Phase (Extraktion der nicht erhaltungswürdigen Zähne 12 bis 22, 26, 36, 38 und 48, provisorische Versorgung, Hygiene­phase, genereller Füllungsaustausch im Unterkiefer);
  3. Reevaluation und ästhetische Analyse der provisorischen Versorgung;
  4. definitive Phase (implantatgetragene Einzelzahnkrone zum Ersatz des Zahns 36, gaumenfreie NEM-Teleskopprothese auf den Zähnen 14, 13, 23, 24 und 25, Überführung der diagnostischen Gesamtaufstellung mit der Kompress­technik und Gestaltung der Gingivaschürze aus lichthärtendem Komposit);
  5. Erhaltungsphase.

Präprothetische Behandlung

Die präprothetische Behandlung begann mit der Ex­trak­tion der nicht erhaltungswürdigen Zähne 12 bis 22 und 26. Die Patientin wurde mit einer Drahtklammer-Immediat­prothese zufriedenstellend provisorisch versorgt. Ein Hauptaugenmerk beim Anfertigen der pro­visorischen Versorgung galt einer individualisierten Front­zahn­auf­stellung (SR Phonares II, Fa. Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein), um so die aufgefächerte Frontzahnsituation zu korrigieren (Abb. 8). Die mehrwöchige Abheilung der Extraktionswunden wurde als Hygienephase genutzt. Die parodontale Situation der verbliebenen Dentition war durch Sondierungstiefen bis zu maximal 4 mm, einen generalisierten Attachmentverlust und eine leicht therapierbare Schmutz­gingivitis gekennzeichnet.

Dank professioneller Zahnreinigung sowie entsprechender Mundhygieneinstruktionen und der besonders guten Compliance seitens der Patientin konnten sehr schnell entzündungsfreie Weichgewebsverhältnisse ge­schaffen werden. In diesem Zeitfenster wurden die nicht erhaltungswürdigen Zähne 36, 38 sowie 48 ex­trahiert und die Amalgamfüllungen im Unterkiefer durch ästhetischere, adhäsiv befestigte Kompositrestaura­tionen ersetzt (Abb. 7). Unter absoluter Trocken­legung mittels Kofferdam kam beim Austausch der Seitenzahnfüllungen aufgrund der Defektgröße ein modernes Bulk-Fill-Komposit (Tetric EvoCeram Bulk Fill IVA, Fa. Ivoclar Vivadent) zum Einsatz8 (Abb. 9).

Prothetische Phase

Nach der Füllungstherapie im Unterkiefer und der abnehmbaren provisorischen Versorgung des Oberkiefers erfolgten dessen Reevaluation und die prognostische Beurteilung der Pfeilerzähne mit dem Ziel einer abschließenden Planung der definitiven prothetischen Rekonstruktion. Ausschlaggebend bei der Beurteilung der Pfeilerzähne vor Herstellung einer Teleskopkronenprothese sind deren Vitalität, parodontale Situation, Anzahl sowie günstige Verteilung und Hygienefähigkeit. Diese Faktoren wirken sich positiv auf die Über­lebens­wahr­scheinlichkeit der Zähne aus und gewährleisten eine gute Langzeitprognose des Zahnersatzes19. Im vorliegenden Fall wurden die genannten Parameter positiv beurteilt, so dass die im Behandlungsplan angestrebte definitive Versorgung durchgeführt werden konnte.

In der ersten prothetischen Sitzung bedarf es der Beurteilung und Definition der gemeinsamen Ein­schub­richtung. Wichtig für eine optimale Gestaltung von verblendeten Teleskopkronen ist ein anatomischer Substanzabtrag in ausreichender Stärke von ca. 1,5 bis 2 mm, ohne die Vitalität der Pfeilerzähne zu gefährden9,11. Dies erreicht und kontrolliert der Behandler mit vorher von ihm zurückgeschnittenen und getrimmten Silikonschlüsseln über die unpräparierten Pfeilerzähne. Zirkulär sollte eine abgerundete und harmonisch zur Gingivagrenze verlaufende epigingivale Hohlkehlpräparation definiert werden. Die provisorische Versorgung der präparierten Zähne erfolgte hier mit chairside gefertigten Provisorien (Telio C&B, Ivoclar Vivadent).

Für das anzustrebende ästhetische Behandlungsziel der definitiven Arbeit war die genaue Analyse der provisorischen Versorgung von besonderer Bedeutung. Frühere Bilder der Patientin (Abb. 10) gaben zusätzliche Hinweise für die ästhetische Gestaltung der Rekonstruktion1. Neben der ausgeprägten Kieferkammatrophie im anterioren Bereich des Alveolarfortsatzes musste im vorliegenden Fall zusätzlich die eklatant hohe Lachlinie berücksichtigt werden. Es stellte sich die Frage, wie die rote mit der weißen Ästhetik in eine harmonische Relation gebracht werden konnte, ohne chirurgische Maßnahmen am Hart- und Weichgewebe vornehmen zu müssen.

Die Messung der Entfernung zwischen der Okklu­sionsebene in der Region der oberen Schneidezähne und dem atrophierten Kieferkamm ergab einen Abstand von 19 mm (Abb. 11). Eine solch große Diskrepanz konnte nicht rein mit weißer Ästhetik korrigiert werden. Die Herstellung einer Gingivaschürze war aus ästhetischen Gründen hier unumgänglich, um der Patientin augmentative Verfahren zu ersparen. Zusätzlich sollte die Gingivaschürze den gesamten bukkalen Kieferkammaspekt abdecken, denn ansonsten hätten die labialen Unterbrechungen im Bereich der Pfeilerzähne einem harmonischen Erscheinungsbild im Wege gestanden (Abb. 12 und 13).

Bei der Übertragung aller Details der provisorischen Versorgung an das zahntechnische Labor halfen die angefertigten Fotos und eine Alginatabformung der provisorischen Versorgung. Mit dieser Abformung konnte ein Back-up-Modell hergestellt und dadurch die für gut befundene Zahnaufstellung mit einem Silikonschlüssel auf die definitive Arbeit übertragen werden.

Die Kieferrelationsbestimmung in habitueller Interkuspidation wurde ohne Lokalanästhetikum über die festsitzenden Provisorien mit Silikonschlüsseln und Registraten aus Okklusionssilikon (Futar, Kettenbach) durchgeführt. Mittels Oberkiefergesichtsbogenübertragung ( SAM Präzisionstechnik, München) erfolgte die Registrierung der arbiträren Scharnierachse. Nach Abformung der präparierten Zähne 14, 13, 23, 24 und 25 mit einem individuellen Löffel und Polyetherabformmasse (Permadyne, 3M, Seefeld) in der Doppelmischtechnik (Abb. 14 und 15) wurden die fünf Innenteleskope virtuell mit 0 Grad konstruiert (CAD) und aus einer harten Wachs-Disk gefräst (CAM). Auf dem Sägemodell erfolgte dann die Ausdünnung der Kronenränder. Im Anschluss an die Einarbeitung der TeleClick-Matrizen in die Wachskonstruktion wurde diese mittels Gusstechnik in die NEM-Legierung (Colado CC, Ivoclar Vivadent) umgesetzt. Mit Rücksicht auf einen eventuell zukünftig auftretenden Friktionsverlust war grundsätzlich zu beachten, dass die Teleskopkronen auf den Zähnen 14 und 24 ein zusätzliches Friktionselement (TeleClick, Servo-Dental, Hagen) erhielten. Trotz eines nur sehr geringen Platzbedarfs verfügen diese Halteelemente im Fall des Falles über ein hohes Retentionspotenzial.

Bei der intraoralen Einprobe der Primärkronen zeig­ten sich eine gute Passung und ein perfekter Randschluss (Abb. 16). Zur Sicherheit wurden vor der Überabformung die Kieferrelationsbestimmung und die vertikale Höhe mit einem auf den Innenteleskopen abgestützten Wachswallregistrat überprüft. Die Fixa­tionsabformung erfolgte mit einer Polyetherabformmasse (Impregum, 3M, Seefeld) (Abb. 17). Der individuelle Löffel war im labialen Anteil extendiert, um den anterioren Alveolarfortsatz mit Blick auf die herzustellende Gingivaschürze detailgetreu abformen zu können. Die Sekundärkronen und das Modellgussgerüst wurden im Einstückgussverfahren aus einer NEM-Legierung (Colado CC) gefertigt.

Die Patientin wünschte eine gaumenfreie Gestaltung, was aufgrund der Pfeilerverteilung durch ein brücken­artiges Modellgussdesign ermöglicht wurde. Um eine funktionell ideale und ästhetisch ansprechende prothetische Versorgung zu gewährleisten, ist eine diagnostische Gesamtaufstellung („full set-up“) in der prothetischen Phase unabdingbar. Nach einer ersten Frontzahnauf­stellungsanprobe wurde diese Gesamtaufstellung mit Prothesenzähnen (SR Phonares II) auf dem Modellgussgerüst realisiert. Für die Ästhetikeinprobe wurden die Gingivaanteile ausmodelliert, um die bekannten Aspek­te eines natürlich-gesunden Weichgewebes einfließen zu lassen und im Patientenmund zu beurteilen.

Bei der ersten diagnostischen Gesamtaufstellung fügte sich diese harmonisch in ein entspanntes Lippen­bild ein. Allerdings fiel bei forciertem Lachen eine ex­treme Exposition der künstlichen Gingiva auf (Abb. 18 und 19). Zur Korrektur dieses ästhetisch störenden Aspek­tes führte das zahntechnische Labor folgende Änderungen an der diagnostischen Gesamtaufstellung durch (Abb. 20 und 21):

  • minimale Reduktion der vertikalen Höhe im Arti­kulator,
  • Verschiebung der Schneidezähne nach apikal und
  • Verlängerung der klinisch sichtbaren Zahnkronen (Veränderung der Proportionen zwischen roter und weißer Ästhetik).

Durch diese Modifikationen konnte mit der zweiten diagnostischen Gesamtaufstellung auch die hohe Lach­linie in ein befriedigendes ästhetisches und funktionelles Gesamtergebnis überführt werden.

Bevor die diagnostische Gesamtaufstellung mittels Kompresstechnik im Maßstab 1:1 im zahntechnischen Labor in lichthärtendes Komposit überführt wird, müssen grundsätzlich folgende Parameter nach ästhetischen Kriterien gemäß der Checkliste für festsitzenden Zahnersatz von Kopp und Belser7 abschließend beurteilt werden2 (Abb. 22 und 23):

  • Bipupillarlinie,
  • Mittellinie/Symmetrieachse,
  • Zahnachse,
  • Gingivaverlauf,
  • Zenith des Gingivalsaums,
  • interdentales Trigonum,
  • interdentaler Kontakt,
  • Zahnform,
  • Inzisalkante,
  • Interinzisalwinkel,
  • Furchen/Rillen,
  • Lachlinie (Unterlippenverlauf),
  • Inzisalkantenverlauf und
  • Zahnfarbe.

Diese Ästhetik-Checkliste für festsitzenden Zahnersatz von Kopp und Belser7 lässt sich auch uneingeschränkt auf abnehmbaren Zahnersatz übertragen.

Die Teleskopprothese sollte mit Kompositverblendungen im anterioren und mit konfektionierten Prothesenzähnen im posterioren Bereich fertiggestellt werden. Um dies auf einfachem Weg hochwertig zu realisieren, wurde die effiziente Kompresstechnik nach von Hajmasy gewählt3,4. Die zahnfarbenen Prothesen­anteile konnten mit einem lichthärtenden Laborkomposit (SR Nexco, Ivoclar Vivadent) mit Hilfe der Küvettentechnik (SR Nexco Flask, Ivoclar Vivadent) detailgetreu und effizient auf die Modellgussbasis überführt werden (Abb. 24 und 25). Die über die Gesamtaufstellung definierte „äußere Hülle“ ließ sich mittels eines transparenten Silikonkonters im Maßstab 1:1 auf den Modellguss kopieren. Um dies in einer händischen Verblendung 1:1 umzusetzen, bedarf es eines Höchstmaßes an Kunstfertigkeit und viel Zeit.

Die labiale Gingivaschürze wurde mit der ebenfalls lichthärtenden zahnfleischfarbenen Kompositmasse (SR Nexco) freihändig aufgetragen und gleichzeitig farblich individuell charakterisiert, um ein möglichst natürlich wirkendes Ergebnis zu erreichen. Nach Anprobe und endgültiger Kontrolle der so gefertigten Arbeit wurden die Innenteleskope bei reizfreier Gingiva und positiver Überprüfung der Vitalität der Pfeilerzähne konventionell mit einem Glasionomerzement (Ketac Cem, 3M Espe, Seefeld) zementiert (Abb. 26). Anschließend erfolgte die Eingliederung der gaumenfreien Prothese (Abb. 27). Die Teleskope hatten eine optimale Friktion und zeigten gute Laufeigenschaften beim Ein- und Ausgliedern der Prothese.

Die noch bestehende Schaltlücke Regio 36 im Unterkiefer wurde nach einer Abheilzeit von 5 Monaten mit einem Soft-Tissue-Level-Implantat (Wide Neck SLA, Straumann, CH-Basel) therapiert (Abb. 28). Für die prothetische Versorgung dieses Implantates kam nach erfolgter Osseointegration eine Hybrid-Abutment-Krone (Lithiumdisilikatkrone verklebt auf einer Titan­klebebasis, Multi-Base-Titanabutment, Straumann, und e.max Press Multi Ingot, Ivoclar Vivadent) zum Einsatz5. Damit war auch der Unterkiefer definitiv versorgt (Abb. 29).

Die am Ende der Behandlung erstellte Panoramaschichtaufnahme (Abb. 30) zeigt die eingesetzte Versorgung und die hohe Röntgenopazität des verwendeten Kompositmaterials. Das abschließende Porträtfoto und das Lippenbild untermauern, wie sich das Ergebnis der komplexen Therapie „einfach“ und unauffällig in den Mund der Patientin integriert (Abb. 31 und 32).

Resümee und Diskussion

Funktionelle, phonetische und ästhetische Aspekte bilden die Basis für eine erfolgreiche prothetische Versorgung. Großes Augenmerk sollte daher auf die provisorische und präprothetische Phase gerichtet werden, um möglichst viele individuelle ästhetische Informatio­nen zu sammeln, welche in die definitive Versorgung übernommen werden. In dieser Phase liegt der Schlüssel zum Erfolg. Der zeitliche Mehraufwand für die ästhetischen Anproben macht sich spätestens bei der Fertigstellung bemerkbar und bezahlt.

Über eine begleitende Dentalfotografie und ein von der provisorischen Versorgung gewonnenes Modell wurden die bis dahin gesammelten Details dreidimensional an das Labor übermittelt und konnten so in das Set-up einfließen. Dieses ließ sich mit Hilfe der Kompresstechnik detailgetreu und effizient auf die definitive Arbeit übertragen. Darüber hinaus bietet die Technik noch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sollte sich nach einer gewissen Tragezeit die Ästhetik oder die okklusale Höhe verändern, besteht die Option einer kostengünstigen Neuverblendung mit Hilfe des archivierten transparenten Silikonkonters.

Bezüglich des Materials für die Primär- und Sekundärstruktur fiel die Wahl auf NEM, da dieses in puncto Friktion, Materialstärke und Biokompatibilität dem Goldstandard Gold/Gold in nichts mehr nachsteht. Erreicht wird die Grundvoraussetzung der Friktion mit der erprobten Steuerung der Einbettmassen beim Einstückguss und einem standardisierten Polieren der frika­tiven NEM-Teleskopflächen. Die dadurch erzielte langlebige Hochglanzpolitur sorgt dafür, dass die Innen- und Außenteleskope keine Verunreinigungen ansetzen, und verhindert eine Oxidation der Oberflächen. Die Kosteneinsparung bei Verwendung einer goldfreien Legierung konnte in diesem Fall dazu verwendet werden, den ausdrücklichen Wunsch der Patientin nach einer ästhetischen Behandlungslösung zu erfüllen.

Wie gezeigt wurde, ist die Doppelkronentechnik sehr wohl in der Lage, ästhetisch ansprechende Lösungen zu bieten und dabei gleichzeitig in puncto Langlebigkeit der prothetischen Versorgung ein hohes Maß an Sicher­heit zu garantieren15,19. Schwindling15 weist darauf hin, dass Doppelkronenprothesen zu den erfolgreichsten prothetischen Therapieformen gehören: „Ihre Überlebensrate beträgt etwa 90 Prozent nach 10 Jahren Trage­dauer, während die Überlebensrate der Pfeilerzähne nach mittlerer Beobachtungszeit im Bereich von 80 bis 95 Prozent liegt.“ Dies ist ein entscheidender Aspekt, warum im deutschsprachigen Raum die Doppelkronentechnik als Präzisionsverankerungselement für Teilprothesen 90 Prozent der eingesetzten Retentionselemente ausmacht6.

Hinsichtlich der Doppelkronenarten wird klassischer­weise zwischen der Konuskrone, dem Parallelteleskop und der Doppelkrone mit Spielpassung (Marburger Doppelkrone) unterschieden15. Bereits 2007 legten Wenz und Kern19 eine umfassende Analyse der Langzeit­bewährung der verschiedenen Systeme vor, welche von Schwindling15 wie folgt zusammengefasst wird: „Schwerpunkt der damaligen Untersuchung war die Analyse der Überlebenszeit der Pfeilerzähne von Doppelkronenprothesen. Dabei wurde festgestellt, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit der Pfeilerzähne in fast allen eingeschlossenen Untersuchungen auf einem vergleichbaren Niveau war. Sie lag bei über 90 Prozent nach fünf Jahren und bei ca. 80 Prozent nach acht bis 10 Jahren. Es ließen sich keine Schlussfolgerungen bezüglich der Überlegenheit einer der drei klassischen Doppel­kronen­arten ziehen.“

Laut Wenz und Kern19 ist ein Vergleich der Überlebens­wahrscheinlichkeit mit den meist besseren Werten von festsitzendem Zahnersatz wenig angebracht, da diese Alternative bei der Differenzialtherapie nur in ausgewählten Fällen bestehe: „Entweder ist der Restzahn­bestand nicht ausreichend für eine festsitzende Ver­sorgung oder eine ausbaufähige herausnehmbare Versorgung wird gewählt, weil die Prognose der involvierten Zähne für eine festsitzende Versorgung als nicht sicher genug erscheint.“ Alternativ sei hier jedoch auch immer die Pfeilervermehrung über Implantate in Betracht zu ziehen, um entweder eine festsitzende Lösung anzustreben oder die Pfeilerverteilung für den herausnehmbaren Ersatz günstiger zu gestalten13,16.

Wenz und Kern19 postulieren in ihrer Übersichts­arbeit zur Langzeitbewährung von Doppelkronen in Bezug auf die Überlebenszeit der natürlichen Pfeilerzähne folgende prognostisch günstige Faktoren:

  • eine parodontalhygienische Gestaltung des Prothesenkörpers,
  • die Vitalität des Pfeilerzahns,
  • ein funktionierendes Recallsystem,
  • eine höhere Pfeileranzahl der Prothese und
  • eine günstige Verteilung der Pfeilerzähne.

Vorteilhaft wirkt sich auch der Einsatz von sogenannten Ergänzungsimplantaten auf die Langzeitprognose der natürlichen Pfeilerzähne und des Zahnersatzes aus. Durch die strategische Pfeilervermehrung wird das Unterstützungspolygon vergrößert, und ungünstige Hebelarme werden reduziert.

Die Heidelberger Arbeitsgruppe um Rammelsberg verglich zahn- und implantatgetragene mit rein implantatgetragenen Arbeiten und kam zu dem Schluss, dass die Pfeilervermehrung und die anschließende Versorgung mit Doppelkronenprothesen eine erfolgreiche Behandlungsoption darstellen12,14. Schwindling15 zufolge kann außerdem abgeleitet werden, dass das prophylaktische Extrahieren von Zähnen zugunsten rein implantatgetragener Doppelkronenprothesen einem evidenzbasierten Vorgehen widerspricht. Prognostisch ungünstige Faktoren in Bezug auf die Überlebenszeit der Pfeilerzähne sind:

  • Deckprothesen nach dem Cover-Denture-Prinzip,
  • Abstützung der Prothese rein auf den Unterkieferschneidezähnen,
  • Unterlassen der notwendigen Unterfütterungen der Prothesenbasen (extraaxiale Krafteinwirkung),
  • endodontisch behandelte Zähne,
  • devitale Zähne mit Stiftaufbauten,
  • parodontale Vorschädigung sowie
  • fehlende Patientencompliance beziehungsweise mangelnde Motivation, alters- und/oder gesundheitsbedingte Einschränkungen der häuslichen Pflege (Visus, Geduld und manuelles Geschick).

Ein Ergebnis der Studie von Wagner und Kern18 war, dass weniger die Anzahl als vielmehr die Verteilung der verbleibenden Doppelkronenpfeiler einen Einfluss auf den Pfeilerverlust hat: „So wurde bei punktueller Abstützung ein signifikant höherer Pfeilerverlust beobachtet als bei allen anderen Abstützungsformen (unterschiedliche Formen der linearen Abstützung und flächige Abstützungen).“19. Ein weiterer Faktor mit offensichtlich erheblichem Einfluss auf den Langzeit­erfolg ist die Qualität der zahntechnischen Ausführung dieser technisch sehr anspruchsvollen Konstruktionen.

Bei der Gesamtbetrachtung zur Bewährung darf laut Wenz und Kern19 nicht übersehen werden, dass die in den Studien hauptsächlich berichteten Komplikationen wie Dezementierung, endodontische Probleme, Verblen­dungsabplatzungen, Prothesenfrakturen und sogar Pfeilerverluste aufgrund von Frakturen oder parodontalen Komplikationen in fast allen Fällen nicht zu einer teuren und aufwendigen Neuanfertigung des Zahn­ersatzes führten, sondern durch dessen Reparatur und Modifikation beherrschbar waren. Selbst ein als Folge der Pfeilerreduktion auftretender Retentionsverlust kann durch den nachträglichen Einbau von Retentionsverstärkern kompensiert werden.

Im Hinblick auf den Verlust eines oder mehrerer Pfeilerzähne ist die Erweiterbarkeit der Doppelkronenversorgung grundsätzlich positiv zu bewerten. Des Weiteren stellt die nachträgliche Insertion eines Ergänzungsimplantates bei Verlust eines statisch wichtigen Pfeilers eine klinisch erprobte Option dar, mit deren Hilfe das von Nichols10 postulierte Prinzip der Vermeidung einer Behandlungswiederholung befolgt werden kann.

Danksagung

Zu besonderem Dank bin ich folgenden Personen verpflichtet, ohne deren aktive Mithilfe und konstruktive Verbesserungsvorschläge dieser Fachbeitrag in der vorliegenden Form nicht hätte erscheinen können: meinem Freund Dr. Christof Schirra, der mich seit mehr als 20 Jahren mit seinem prothetischen Fach­wissen als kritischer Diskussionspartner und versierter Ratgeber bei komplexen Fällen unterstützt, sowie ZTM Martin Loitlesberger, der mir seit nunmehr 5 Jahren mit seinem umfassenden und profunden zahntechnischen Wissen und seiner langjährigen Erfahrung fast tagtäglich mit Rat und Tat zur Seite steht.

Ein Beitrag von Dr. med. dent. Kurt Hufschmidt, Wels, Österreich

Literatur


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Quelle: Quintessenz Zahnmedizin, Ausgabe 8/17 Restaurative Zahnheilkunde Zahnmedizin Implantologie

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Zweiter Internationaler Kongress AMIT findet im November in Berlin statt
15. Okt. 2024

Amalgamersatz: indikationsbezogener Einsatz erforderlich

Hochvisköse Glasionomerzemente, GIZ-Komposit-Hybrid-Materialien oder Alkasite – aktueller Stand zu selbstadhäsiven plastischen Füllungsmaterialien
11. Okt. 2024

Amalgam-Aus: Regelung für Füllungstherapie in der GKV steht

Trotz Amalgam-Verbot ab 1. Januar 2025: Gemeinsame Selbstverwaltung sorgt für Erhalt einer umfassenden GKV-Versorgung
9. Okt. 2024

Bewährtes Komposit neu zertifiziert

Saremco Dental AG setzt neuen Standard mit der ersten MDR-Zertifizierung für Dental-Komposite