Ohne es zu wissen, hat beinahe jeder schon einmal „Plasma gezündet“. Zum Beispiel, wenn man eine Leuchtstoffröhre einschaltet. In dieser Röhre befindet sich ein Gas, zum Beispiel Neon, Argon oder ähnliches. Beim Einschalten wird nun in diesem Gas unter niedrigem Druck eine Hochspannung angelegt, so dass das im Glaskolben befindliche Gas zu leuchten beginnt. Dabei handelt es sich um Plasma. Plasma ist demnach ein Teilgemisch aus Ionen und Elektronen, also ein ionisiertes Gas und elektrisch leitfähiges Medium.
Anwendungen in der Zahntechnik
Mittlerweile hat sich die Plasmatechnologie in fast allen Industriebereichen etabliert – aus gutem Grund: Mit sogenanntem Niederdruck- oder Kaltplasma kann man reinigen, aktivieren, ätzen und beschichten [1]. Seit mehr als sieben Jahren ist die Niederdruckplasmatechnologie täglich im Dentallabor von Norbert Wichnalek (Highfield.design, Augsburg) im Einsatz. Bei den dort verwendeten Plasmaanlagen wird Gas (Argon, Sauerstoff oder ein Gemisch aus beiden) im Vakuum durch Energiezufuhr angeregt.
Quellen
[1] https://www.plasma.com/aetzen-mit-plasma/?kampagne=1&gclid=EAIaIQobChMItsOO8KGe8AIVkbh3Ch0X3Q0DEAAYASAAEgJeIfD_BwE
[2] https://www.ifam.fraunhofer.de/content/dam/ifam/de/documents/Klebtechnik_Oberflaechen/PLATO/reinigung_oberflaechen_ad-plasmatechnik_fraunhofer_ifam.pdf
Die Niederdruckplasmaanlagen der „Dentaplas-Familie“ der Firma Diener Plasma, die bei Highfield.design zum Einsatz kommen (Abb. 1), werden im Dentallabor zum „Anätzen“ aber auch zum Reinigen von verschiedenen Hochleistungspolymeren (PEEK, PEKK, POM, PE, etc.) verwendet. Neben den „großen“ Anlagen Dentaplas PC und Dentaplas Man steht auch noch die kompakte Einheit Dentaplas Imp für kleinere Werkstücke zur Verfügung. Diese Geräte weisen Niederdruckplasmakammern auf, in die die zu bearbeitenden Objekte eingebracht werden (Abb. 2). Die Plasmabehandlung erfolgt in diesen Geräten als vollautomatischer Prozess und unter optimierten Plasmaparametern sowie idealer Prozessgasversorgung (Abb. 3).
Dabei reduzieren Sauerstoffradikale die Oberflächenspannung und das Bombardement mit Argon-Atomen erzeugt einen Mikrosandstrahleffekt, der die Oberfläche im Nanobereich topografisch verändert und somit eine Retentionsgrundlage bildet (Abb. 4). Dadurch wird eine merkliche Verbesserung der Haft-/Verbundfestigkeit zwischen dem verwendeten PMMA/Komposit und den eingesetzten Hochleistungspolymeren erreicht.
Aktivieren und Anätzen der Oberflächen
Bei Highfield.design kann man aufgrund der gesammelten Erfahrung bestätigen, dass durch die Aktivierung und das Anätzen der Oberflächen mit dem ionisiertem Sauerstoff-Argon-Gemisch in vielen Fällen sogar auf die Verwendung von chemischen Primern/Bondern verzichtet werden kann. Gestützt wird diese Empirie auch vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM [2]. Dadurch kann das Allergierisiko, das von einer dentalen Versorgung ausgehen kann, gesenkt werden. Unter anderem können folgende dentale Materialien mit Plasma aktiviert, desinfiziert und geätzt werden: PEEK, PEKK, POM, PE, PA, PC, PMMA, Metalle (EM-, EMF- und Titan-Legierungen), Keramiken, Gläser, Zirkonoxide.
Reinigung der Oberflächen
Die Plasmabehandlung hat aber noch einen weiteren Effekt: die besonders intensive Reinigung. So verlässt seit sieben Jahren bei Highfield.design absolut jede zahntechnische Arbeit plasmagereinigt, desinfiziert, eingeschweißt und mit dem Aufkleber „Clean Prosthetics“ versehen das Labor (Abb. 5). Die erklärte Messlatte ist es, Produkte an die Zahnarztpraxen zu liefern, die „so rein wie Implantate“ sind. Denn infolge physikalischer Prozesse in der Niederdruckplasmakammer werden durch den Ionenbeschuss organische Verschmutzungen im Nanobereich beseitigt. Viren, Bakterien und Pilze werden abgetötet, in die Gasphase umgewandelt und über das Vakuum abgesaugt.
Mit den Dentaplas-Geräten kann also auf Knopfdruck wahlweise eine standardisierte Reinigung oder ein Anätzen der Oberfläche gewährleistet werden. Dabei wird die Oberfläche nicht per se, sondern nur mit speziellen Ätzprogrammen gezielt verändert. Das Resultat sind reproduzierbare, retentive Oberflächentopogaphien, vergleichbar mit dem Ätzmuster an Zähnen oder Keramik. Das Ätzen ist nur mit High-End-Plasmaanlagen (wie etwa Dentalplas, Diener) möglich, die leistungsfähige Vakuumpumpen besitzen und als Zündgas Argon und Sauerstoff oder eine gezielte Mischung aus beiden einsetzen. Durch die bloße Reinigung oder Aktivierung der Oberflächen mit Plasma wird an der Oberflächenbeschaffenheit nichts verändert.
Handstück für den Arbeitsplatz
Zusätzlich ist bei Highfield.design eine weitere Plasmaanlage, die ohne Vakuumkammer und Gas funktioniert, täglich im Einsatz. Die Anwendung beschränkt sich hier auf die Reinigung und Aktivierung von Kleinteilen, kann dafür jedoch direkt am Arbeitsplatz eingesetzt werden. Das Highfield-Plasma-Plus piezobrush PZ3 Handgerät (Highfield.design) mit handlichem Stativ (Abb. 6) wird beim Verkleben von Abutments, bei der Reinigung von Oberflächen, bei der Reduzierung der Oberflächenspannung sowie bei der farblichen Charakterisierung/Individualisierung von Glaskeramiken und Zirkonoxiden eingesetzt. Dieses manuelle Atmosphärendruck-Plasmasystem arbeitet mit piezoelektrischem Direktentladungsplasma (Abb. 7).
Fazit
Zwar befindet sich die Plasmatechnologie im Dentalbereich noch im Anfangsstadium, das Augsburger Dentallabor Highfield.design leistet hier jedoch seit Jahren Pionierarbeit. Zudem ist die Plasmaanwendung im Dentalbereich noch nicht eindeutig im Medizinproduktegesetz zugeordnet beziehungsweise verankert. Aber die Plasma-Technologie bietet im zahntechnischen Labor-Workflow mehrere Vorteile und hat ein großes Potenzial als alternatives Reinigungs- und Aktivierungsverfahren.
Arbnor Saraci, Lukas Wichnalek und Norbert Wichnalek, Augsburg